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Sport: Im kleinen Teheran

Auch in Aserbaidschan werden deutsche Fußballer gefeiert – die Spieler U-21-Nationalmannschaft

Auf einem Zettel hat Ali die Namen der deutschen Fußballer notiert, von denen er ein Autogramm will: „Christian Pander, David Odonkor, Ashkan Dejagah, Mike Hanke.“ Ali, der eine Trainingsjacke mit der Aufschrift „England“ trägt, sagt, das seien bekannte Spieler hier in seinem Land. Sein Land ist Aserbaidschan, und es mutet seltsam an, dass da jemand zum Training der deutschen Mannschaft ins Stadion des Bakuer Erstligaklubs Neftschi gekommen ist und alle Spieler der – wohlgemerkt – U 21 mit Namen kennt. Man muss schon in Deutschland gut informiert sein, um zu wissen, dass der frühere Bremer und Europameister Dieter Eilts der Trainer der U 21 ist, und noch besser muss man sich wohl in der deutschen Fußballwelt auskennen, um zu wissen, wer Dejagah ist.

Aserbaidschan ist ein kleines, aber fußballbegeistertes Land. Die Liga ist wie in fast allen ehemaligen Sowjetrepubliken schwach. Deshalb werden ausländische Mannschaften stürmisch gefeiert. Die deutsche Elf kam in ihrem EM-Qualifikationsspiel in Aserbeidschan zu einem sicheren, aber glanzlosen 2:0-Erfolg. Zum Spiel waren vielleicht 1000 Zuschauer gekommen, die ihre zeitweise mutig und frech auftretenden Mannschaft zu einem Tor zu brüllen versuchten. Gegen das meist abgeklärte Spiel der Deutschen, die ihre Mühe mit dem löchrigen Boden hatten, gelang ihnen aber nur eine Torchance. Dagegen waren die Deutschen vor allem in der zweiten Halbzeit immer wieder mit dem schnellen Flankenläufer David Odonkor (Dortmund) und Mike Hanke (Schalke) gefährlich. Der hatte zum Ende der ersten Halbzeit per Kopf dann auch seinen achten Treffer für die U 21 erzielt. Die Deutschen führten, und in der 86. Minute köpfte Marvin Matip (Bochum) das 2:0. Dieter Eilts sagte hinterher artig: „Wenn Aserbaidschan so weiter spielt, werden einige Mannschaften noch Probleme bekommen.“

Bereits seit Tagen schreiben jetzt die Zeitungen vom historischen Spiel Aserbaidschans gegen England, das am kommenden Mittwoch in Baku stattfindet. Es ist so, als ob David Beckham persönlich einfliegen würde. Dabei treffen auch dann nur die U-21-Teams der beiden Länder in der Qualifikation aufeinander.

Für die deutsche Mannschaft war der Besuch in Baku eine Art kleines Teheran. Einen überschäumenden Empfang wie in Iran für die Mannschaft von Bundestrainer Klinsmann hatte es für Eilts und sein Team nicht gegeben. In der Zwei-Millionen-Stadt waren es eher die kleinen Szenen, die das Spiel zu einem schönen Erlebnis gemacht hatten. Zum Beispiel als der Direktor des Stadions auf einen deutschen Fan zugegangen war, der gerade sein Schalke-Banner am Zaun befestigte. „Ich komme aus Menden an der Sieg, und Schalke 04 ist mein Verein. Das steht auf dem Plakat“, sagte Marc Jentges, der auf dem Zwischenstopp zum Spiel in Teheran war, dem fragenden Mann. Der lächelte, gab ihm die Hand und sagte: „Willkommen. Deutschland und Aserbaidschan sind Freunde. Viel Erfolg.“ Oder die Szene, als Ali in seiner England-Jacke und in seiner grauen Stoffhose zunächst etwas schüchtern abseits am Platz stand und später zusammen mit Mike Hanke in die Kamera lächelte.Und sich dann an Ashkan Dejagah, der in Berlin meist bei den Amateuren von Hertha BSC spielt, heranmachte, um das begehrte Autogramm zu bekommen.

Eine andere Szene ergab sich zu Beginn des Spiels. Die Wolken hatten den blauen Himmel über dem Stadion frei gegeben. Schornsteine und zerfallene Bauten erhoben sich hinter den maroden Tribünen und dem frisch herausgeputzten Vereinsgebäude am Rande von Baku. Aus den kratzenden Lautsprechern des Stadions begann dröhnend die Hymne für die deutschen Gäste. Alle waren aufgestanden und lauschten der Hymne. Nur: Es war gar nicht die deutsche, es war die ukrainische.

Ingo Petz[Baku]

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