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Sport: Im Kopf schon im Finale

Das Berliner Tennistalent Sabine Lisicki geht mit großen Hoffnungen in die German Open

Berlin - Die Loskugeln schieben sie in einem Einkaufswagen aus dem Supermarkt auf die Bühne. Sie haben ihn natürlich mit einer großen Turnierfahne drapiert. Die Auslosung für die German Open, das größte Tennis-Frauenturnier in Deutschland, ist ja eine feierliche Sache. Drei Meter vom Korb entfernt steht Sabine Lisicki, und irgendwann ist klar, dass sie in der ersten Runde gegen Shahar Peer spielen wird, die Israelin, die Nummer 18 der Welt. Und? „Das ganze Feld ist stark“, murmelt Sabine Lisicki nur. Aber im Hintergrund steht ein Mann mit Baseballmütze und erklärt: „Das ist nicht einfach. Die Peer muss man niederkämpfen.“ Der Mann ist Richard Lisicki, der Vater und Trainer von Sabine Lisicki. Der Nummer 101 der Welt, der großen Aufsteigerin im deutschen Tennis.

Mit Peer hatte die 18-Jährige aus Berlin Anfang der Jahres trainiert, bei den Australian Open. Als Lisicki in Melbourne eintraf, war sie die Nummer 194 der Welt und Qualifikantin. Als sie abreiste, hatte sie die Weltranglisten-16. Dinara Safina aus Russland geschlagen, war in die dritte Runde vorgedrungen und in der Rangliste um rund 50 Plätze nach oben gerutscht. Seither besitzt Sabine Lisicki im Feld der Etablierten nicht mehr den Stellenwert eines gehobenen Ballmädchens. „Die großen Spielerinnen reden mit mir“, sagt sie und kichert. „Das haben sie vorher nicht gemacht.“ Richard Lisicki hatte mitbekommen, wie Lindsay Davenport, die frühere Weltranglisten-Erste über seine Tochter sprach. Davenport spielte in Memphis gegen die Berlinerin, sie gewann 7:5, 6:3, aber sie sprach ziemlich gut von Lisicki.

Aber bemerkenswerten Respekt konnte man dabei nicht heraushören. Lindsay Davenport hat gegen zu viele aufstrebende Talente gewonnen, sie hat genauso viele wieder in den Tiefen der Weltrangliste verschwinden sehen. Sabine Lisicki ist eine Frau, die in 18 Monaten von Platz 497 auf Rang 101 vorgestoßen ist. Mehr nicht. Sie ist eine, die bei der berühmten Bollettieri-Academy in harter Arbeit gereift ist, die dort die coolen Erfolgssprüche gelernt hat, die also locker erklärte: „Ich will die Nummer eins der Welt werden.“ Dann tauchte sie wieder in einem der vielen Provinzturniere ab.

Sie ist ein Talent, „das druckvoll schlagen kann und eine gute Körperbeherrschung hat“. So charakterisiert Barbara Rittner, die Chefin des deutschen Fed-Cup-Teams, die Berlinerin. Lisicki passt ins übliche Muster einer hoffnungsvollen, ehrgeizigen Spielerin. Nur sind die Personen in diesem Muster austauschbar. Die Nummer eins als Ziel, das war ja vor allem ein abstrakter Motivationsspruch, ein Symbol für Willensstärke.

Jetzt, da Lisicki spürt, dass sie der Weltklasse näher kommt und die Topspielerinnen sie nicht mehr als Sparringspartnerin betrachtet, da sagt die 18-Jährige: „Ich möchte 2008 unter die Top 50 kommen.“ Das ist immer noch ehrgeizig, aber es hat erste Bezüge zur Realität. Sie sagt aber auch: „Ich habe die Schule nur unterbrochen, ich möchte unbedingt noch Abitur machen. Man sieht ja an Andrea, was passieren kann.“ Andrea Roesch aus Berlin stand mal auf Platz 69 der Weltrangliste. Jetzt liegt sie auf Rang 251.

Roesch ist abgehakt, jetzt rückt Lisicki in den Vordergrund. „Ich kann nicht mehr so entspannt antreten wie 2007“, sagt sie. „Damals war ich Außenseiterin.“ Jetzt ist sie, nüchtern betrachtet, auch nicht viel mehr. Aber Sabine Lisicki denkt natürlich anders, sie orientiert sich an Zielen. Und die haben sich seit Melbourne etwas verschoben. „Ich muss gestehen“, erklärt sie, „dass ich mal den Gedanken hatte, ins Finale zu kommen.“ Sie neigt den Kopf zur Seite und kichert, als hätte sie einen kleinen Witz gemacht. Aber die Augen lachen nicht mit. Für Sabine Lisicki, Nummer 101 der Welt, klingt dieser Satz nicht mehr absurd.

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