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Sport: Im Leerlauf

Tim Montgomery und drei anderen US-Sportlern droht eine lebenslange Sperre

In zwei Wochen beginnen die Olympiaausscheidungen für die amerikanischen Leichtathleten, doch einige der Spitzensportler wissen immer noch nicht, ob sie überhaupt ein Hotel in Sacramento buchen sollen. Möglicherweise wäre es schlauer, sie sparten jeden Dollar für ihre Anwälte. Der von den Enthüllungen um das Doping-Labor Balco ausgelöste Skandal strebt derzeit in den USA täglich neuen Höhepunkten zu.

Im Brennpunkt der jüngsten Enthüllungen steht der Sprint-Weltrekordhalter Tim Montgomery. Er gehört zu jenen vier Athleten, die von der nationalen amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA wegen Dopings in fortgesetztem Falle angeklagt worden sind. Die Agentur hat angeblich schon so viele Beweise gegen sie, dass ihnen eine lebenslange Sperre droht. Neben Montgomery sind auch Staffel-Olympiasiegerin Chryste Gaines, 400-Meter-Silbermedaillengewinner Alvin Harrison sowie 200-m-Hallen-Weltmeisterin Michelle Collins von der USADA angeklagt. Bis zum Montag sollen sie sich erklären. Der Aufschrei ihrer Anwälte war stets gleich lautend: Die Doping-Fahnder hätten nicht genug Stichhaltiges. Schließlich war keiner der Athleten mit einer positiven Probe aufgefallen.

In der Tat ist bisher nur Michelle Collins einmal positiv getestet worden. Ihr wurde die Einnahme des Aufputschmittels Modafinil nachgewiesen. Doch jetzt berichtete die Zeitung „San Francisco Chronicle“, dass Montgomery im vergangenen Jahr gegenüber der Staatsanwaltschaft die Einnahme von Wachstumshormon und einer steroidhaltigen „Wundermischung“ gestanden habe. Auch die „Los Angeles Times“ hatte berichtet, Montgomery habe einen Cocktail aus verbotenen Steroiden eingenommen und seinem Körper zusätzlich das Blutdopingmittel Epo, Wachstumshormon und Insulin zugeführt. 2000 soll er mit dem Programm begonnen haben – zwei Jahre vor seinem Weltrekordsprint. Zudem, ließ die Anti-Doping-Agentur wissen, lägen ihr Zeugenaussagen vor, wonach der Lebensgefährte von Olympiasiegerin Marion Jones auch die Verwendung von „Clear“ zugab, ein Branchen-Name für das Designer-Steroid THG, das Balco-Chef Victor Conte entwickeln ließ. Neben Zeugen führt die USADA Trainingspläne, Chemie-Bestellungen, Blut und Urinproben sowie Kontobewegungen an, um den Betrug zu belegen.

Im Falle eines Schuldspruchs bleibt den Athleten noch der Gang zum Internationalen Sportgerichtshof CAS. Eine Aussicht, die manchen Athleten offenbar kalte Füße bereitet. Als Erste bot die überführte Sprinterin Kelli White an, mit den Fahndern zusammenzuarbeiten, um eine Strafminderung herauszuschlagen. Sie wurde für zwei Jahre gesperrt. Jetzt offeriert auch Conte selbst, der wie einer seiner Mitarbeiter einer Anklage vor einem zivilen Gerichtshof entgegensieht, sein Wissen. Conte schrieb an Präsident George W. Bush, er werde auspacken, wenn sie ihn zum Kronzeugen machen.

Ein nicht minder großes Rad versucht derweil Marion Jones für ihre Verteidigung in Gang zu halten. Gegen sie fehlen der USADA offensichtlich die letzten Beweise. Anders als Lebensgefährte Montgomery und den anderen stellten ihr die Ermittler viele Fragen. Sogar an einen Lügendetektor ließ sie sich anschließen. Doch wie dieser Fall ausgeht: Schon jetzt übertrifft der Skandal die Ausmaße des Dopingfalls Ben Johnson, dem 1988 sein Olymiasieg aberkannt worden war.

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