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Sport: Im Rausch spielt nur der Gegner

Tennisprofi Thomas Haas ist im Halbfinale der Australian Open gegen Fernando Gonzalez chancenlos

Melbourne - Mitte des dritten Satzes schwenkte die Kamera des australischen Fernsehens ins Publikum. Ins Bild rückte eine Frau, die gerade mal herzhaft – und von keiner Hand schamhaft verdeckt – gähnte. Dem Halbfinale der Australian Open zwischen Fernando Gonzalez und Thomas Haas war in der Tat zu diesem Zeitpunkt längst die Spannung abhandengekommen. Zu eindeutig dominierte Gonzalez in der Rod-Laver-Arena von Melbourne. Als der Chilene nach 90 Minuten den Matchball verwandelte, muss das seinem Gegner fast wie die Erlösung von einer schweren Demütigung vorgekommen sein. 1:6, 3:6, 1:6 verlor Haas ein von Beginn an ungleiches Duell. Gonzalez trifft nun im Finale am Sonntag auf den Weltranglistenersten und Titelverteidiger Roger Federer aus der Schweiz.

Der eine, Fernando Gonzalez, liegt noch auf Rang neun der Weltrangliste, der andere, Thomas Haas, auf Rang zwölf. Nur drei Plätze Unterschied – aber im Tennis können das Welten sein, wie das Halbfinale bewies. Haas ließ sofort ein Break zum 0:1 zu. Dass ihm bei eigenem Aufschlag nicht einmal ein einziger Punkt gelang, ließ schon einmal Böses ahnen. Sieben Minuten brauchte der in Florida lebende Deutsche, um beim Stand von 0:2 und 0:40 überhaupt erstmals zu punkten.

„Ich habe mir anfangs nichts dabei gedacht“, sagte Thomas Haas zum missratenen Auftakt, er habe dann aber während des Matches erkannt: „Fernando hat sich in einen Rausch gespielt, und da ist er gar nicht mehr rausgekommen.“ Haas hatte schon zuvor zweimal in Australien im Halbfinale gestanden. Auch 1999 und 2002 war er gescheitert, zunächst am Russen Jewgeni Kafelnikow, dann an dessen Landsmann Marat Safin. Bei dem hart erkämpften Fünfsatzsieg im Viertelfinale gegen Nikolai Dawidenko schien Haas auch eine Menge Kraft gelassen zu haben. Der 28-Jährige wollte aber seine vorangegangenen Anstrengungen keinesfalls als Ausrede gelten lassen. Vielmehr rühmte er die Vorzüge seines Kontrahenten. Gonzalez habe „unmenschliches Tennis“ gespielt und „auf alles eine Antwort gehabt“, sagte Haas.

Haas, der nicht einen einzigen Breakball hatte, wird die Australian Open dennoch als Erfolg für sich verbuchen. Noch 2003 sah es um seine Zukunft als Tennisprofi finster aus. Zweimal hatte er sich an der Schulter operieren lassen müssen, eine mehr als einjährige Pause folgte. Wieder zurück im Tenniszirkus, nahm sich Haas in Thomas Hogstedt einen neuen Coach, der ihn mit viel Geduld und intensiver Arbeit in die Weltspitze zurückführte. Trotz der Halbfinalniederlage wird Haas in der nächsten Weltrangliste unter den Top Ten erscheinen.

Fernando Gonzalez hatte am Australian Day, dem Nationalfeiertag Down Under, gegen Haas eindrucksvoll bewiesen, über die härteste und schnellste Vorhand der Welt zu verfügen. Immer wieder hatte Haas versucht, seinen Gegner auf der Rückhand zu beschäftigen, doch der wartete geduldig auf die Chance, die Rückhand zu umlaufen, um dann punktgenau und schlagsicher den Abschluss zu suchen. Dabei legte Gonzalez eine Präzision in seine Schläge, die auch seinem favorisierten Finalgegner Roger Federer zu denken geben wird. Es war jedoch purer Zufall, dass Sekunden nach dem von Gonzalez verwandelten Matchball ein mächtiges Feuerwerk in Stadionnähe losging. Die gezündeten Leuchtraketen galten ausschließlich dem Nationalfeiertag der Australier. Tsp/dpa

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