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Die Bäcker. Die Assistenten Ante Covic (links) und René Tretschok arbeiten an einem Rezept für Hertha, Chef Otto Rehhagel gibt einen Zuckerguss aus Erfahrung darauf.

© dapd

Im Schatten von Otto Rehhagel: Was Herthas Trainerassistenten machen

Den Co-Trainern René Tretschok und Ante Covic kommt eine Schlüsselrolle zu: Während Otto Rehhagel vor allem psychologisch gefragt ist, müssen seine Assistenten bei Hertha BSC für Inhalte sorgen.

René Tretschok und Ante Covic haben sich etwas überlegt. Die Assistenztrainer von Hertha BSC lassen die Spieler aus kurzer Distanz auf das Tor schießen. Das ist einfach und soll Selbstvertrauen geben. „Wir brauchen mehr Tore!“, ruft Covic. Doch die Fußballer ballern mit beängstigender Streuung. Wäre der Baum hinter dem Tor nicht ohnehin kahl, er wäre nach der Trainingseinheit entlaubt. „Super Jungs!“, ruft Tretschok, auch nach peinlichen Fehlschüssen. Das Lob wirkt. Als Adrian Ramos im gefühlt zweihundertsten Versuch endlich trifft, dreht er jubelnd mit erhobenem Zeigefinger ab.

Dann schreitet Otto Rehhagel ein. Der Cheftrainer versammelt die Spieler um sich. „Am gefährlichsten sind die Schüsse aus der zweiten Reihe“, sagt er, „volley, aus der Luft, verstehense?“ Das Resultat der Korrektur: Die Bälle fliegen überall hin, nur nicht ins Tor. Volley aus der zweiten Reihe ist schwer, erst recht mit angeschlagenem Selbstvertrauen.

Es ist eine seltsame Symbiose, die das neu formierte Trainerteam eingeht. Und das in einer Krise, die Hertha auf den Relegationsplatz geführt hat. Die Assistenten überlegen sich eine Woche im Voraus ein Trainingsprogramm, bereiten alles vor und Rehhagel ändert es aus einer Laune heraus. „Das ist kein Problem, wir sind flexibel und passen uns an“, sagt Tretschok.

Bei Hertha zeigt sich zunehmend, was Assistentenwerk und was Rehhagels Beitrag ist. Man bespreche sich zwar. Aber „die erste Woche war davon geprägt, ihm die Spieler vorzustellen“, sagt Tretschok. Das ist nicht ungewöhnlich. Anders als andere Trainer hatte Rehhagel kein Trainingslager, um sich mit den Stärken und Schwächen der Spieler vertraut zu machen. Ungewöhnlich ist, dass die Einweiser Tretschok und Covic die Mannschaft selbst erst seit gut zwei Wochen kennen. Bevor er nach Michael Skibbes Entlassung das Training übernahm, habe er die Mannschaft nur bei Spielen und nicht im Training gesehen, sagt Tretschok. Als Jugendtrainer hatte er andere Verpflichtungen, genau wie Covic.

Tretschok und Covic haben nur Trainererfahrung im Jugendbereich

Nun ist es ihr Job, Rehhagel „zuzuarbeiten, alles vorzubereiten, ihn mit Informationen zu versorgen, ohne ihn damit zu überfrachten“, sagt Tretschok. Auch das ist kein außergewöhnlicher Vorgang. Vor-Vorgänger Markus Babbel überließ Training und Taktik in großen Teilen seinem Assistenten Rainer Widmayer. Babbel selbst war im Trainerteam der Stratege und Frontmann für Fans und Medien. Rehhagel ist nur Frontmann für die Mannschaft, die sich doch bitte an seiner Vita begeistern möge. Die Details überlässt er den Co-Trainern, wenn er sie nicht ändert. Das ist nicht unvernünftig, wenn fast zwölf Jahre Bundesligaentwicklung an einem vorbeigezogen sind. Tretschok stellt klar, wo seine Kompetenz aufhört und Rehhagels anfängt: „Über die Aufstellung entscheidet er.“

Das wäre nicht weiter problematisch, wenn Rehhagels erste Entscheidungen nicht unglücklich ausgefallen wären. Etwa, als er in Augsburg den besten Mann Peter Niemeyer auswechselte und dafür Raffael vor die Abwehr stellte, woraufhin prompt zwei Gegentore fielen.

Damit Herthas Generationenmodell mit Rehhagel, 73, Tretschok, 43, und Covic, 36, funktionieren kann, müssen zum einen Rehhagels Entscheidungen, nun, wo er besser informiert sein sollte, erfolgreicher ausfallen. Und wenn man das Bild bemüht, dass Tretschok und Covic in täglicher Arbeit einen Kuchen backen, auf den Rehhagel einen Zuckerguss aus Aura und Erfahrung streicht, dann muss die Konsistenz stimmen, damit nicht alles zusammenfällt wie ein schlecht zubereitetes Soufflé.

Tretschok und Covic kommt daher eine Schlüsselrolle bei Herthas Rettung zu: Sie müssen für inhaltliche Verbesserungen sorgen. Beide haben nur Trainererfahrung im Jugendbereich. Sie schwärmen davon, was sie alles von Rehhagel lernen könnten, „die Ansprache, wie gelassen er nach Spielen ist“, wie Covic sagt. Tretschok aber weist darauf hin, dass Rehhagel auch von seinen Assistenten lernen könne: zum Beispiel von der „Euphorie, mit der wir die Aufgabe angehen“.

Die Fortschritte, die Tretschok und Covic in Eigenverantwortung bis zum Spiel gegen Dortmund gerade defensiv einleiteten, waren bemerkenswert. Gegen Augsburg sah das schon anders aus, vor allem wegen individueller Fehler. Die wahre Meisterprüfung liegt für sie aber darin, die Offensive wiederzubeleben.

Dabei wollen sie vermehrt auf Torschusseinheiten setzen. Auch wenn das Resultat so ernüchternd ist wie am Mittwoch. „Wenn wir oben stünden, gingen zehn Schüsse rein, momentan sind es nur ein oder zwei“, sagt Tretschok. Doch nichts sei schlimmer, als wenn die Trainer mit hängenden Köpfen vorangingen. Was die Abschlussschwäche mit einem Tor in sieben Pflichtspielen 2012 angeht, „sind wir überzeugt: Es wird kommen und es muss schnell kommen“, sagt Tretschok. Bis Samstag, gegen Bremen.

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