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Sport: Im Spiegel des Tages: Das Prinzip Möllemann und die Macht der Bayern

Es geht um die Brust, um die große, beeindruckende Brust. Keine Sorge, nun folgen keine Anekdoten von Naddel, Anna Nicole Smith oder Ariane Sommer.

Es geht um die Brust, um die große, beeindruckende Brust. Keine Sorge, nun folgen keine Anekdoten von Naddel, Anna Nicole Smith oder Ariane Sommer. Nein, später wird beispielsweise Jürgen W. Möllemann auftreten - und damit ist die Seriosität dieses Kommentars gewährleistet. Es geht hier also um die Mannesbrust. Wie sie schwillt, und vor allem: warum?

Warum also platzen die Trikots der Bayern beinahe, als hätten diese eine Hormonkur mit Futter aus der Kälbermast hinter sich? Selbstbewusstsein! Schön, aber woher kommt es? Nehmen wir Hasan Salihamidzic. Dieser schmächtige Kerl stellte sich hin und sagte: "Natürlich gewinnen wir gegen Real Madrid." Und keiner hat darüber gelacht. Weil es nicht aufgesetzt klang, sondern selbstverständlich. Die Erklärung für dieses Phänomen? Sein Trainer Ottmar Hitzfeld sagte nur: "Wir haben die Mentalität."

Und Schalke? Schalke hat eine große Saison gespielt, die Meisterschaft aber eigentlich ja schon vor einer Woche verloren. Kein mächtiger Brustkorb war in Gelsenkirchen zu sehen gewesen, nur kleinlaute Töne waren zu hören. Um es am Beispiel der FDP klarzumachen: Bayern ist das Prinzip Möllemann, Schalke das Prinzip Gerhardt. Wir holen 18 Prozent!, dröhnt der eine. Sei nicht so vorlaut, greint nervös der andere.

So hat Schalke vor einer Woche in Stuttgart nach dem Gerhardt-Prinzip den Titel verspielt. "Hosenscheißer 04" hat da "Bild" gespottet. Lustig nur, dass ausgerechnet Jürgen W. Möllemann im Aufsichtsrat vom FC Schalke 04 sitzt. Die hängenden Schultern seiner Kicker, das muss ihn wurmen. Denn Möllemann glaubt an sich. So wie die beim FC Bayern an sich glauben. Und wenn sie am letzten Spieltag in der vorletzen Minute das vermeintlich entscheidende Gegentor kassieren - na und? Schießen wir halt auch eins.

Die Münchner haben das, was die US-Amerikaner "spirit" nennen. Dieses Zutrauen, alles schaffen zu können. "Sisu" sagen die Finnen zu diesem beseelenden Geist. Die haben "cojones", heißt das in Spanien. (Auf die Übersetzung dieses kräftigen Ausdrucks wird verzichtet; der Leserbrief-Redakteur hat schon genug zu tun.) Das hat nicht immer etwas mit der Realität zu tun, vielmehr mit Selbstbeschwörung, mit Autosuggestion, mit: Sichstarkreden. Die etwas simple Variante davon hat Jupp Derwall verkörpert. Der pflegte seine Spieler mit den Worten auf den Rasen zu schicken: "Die packen wir, Männer." Wie die Geschichte dann zeigte: Keiner hat ihm das abgenommen. Es blieb eine tumbe Floskel.

Bei den Bayern ist das anders. Sie brauchen gar nicht den Mund aufzumachen, die Körpersprache sagt alles. So wurde vor einer Woche Kaiserslautern niedergerungen. Und doch liegt in der Selbstgewissheit auch Gefahr. "Wer groß denkt, irrt groß", sagt der Philosoph Martin Heidegger. Und was für Geistesarbeiter gilt, gilt auch für Fußwerker: Wer im Stadion die Brust bläht und scheitert, macht sich lächerlich; er erntet Häme. Die Bayern haben auch das schon erlebt.

Den positiven Effekt der Hitzfeldschen "Mentalität" kennt der deutsche Fußball seit 1954. Damals hieß das "Geist von Spiez". Was waren schon Fritz Walter & Co gegen Ferenc Puskas und die anderen ungarischen Stars? Nichts! Weltmeister wurden sie trotzdem. Nun wohnt der Geist in Harlaching. Dort, in der Säbener Straße, liegt das Vereinsgelände des FC Bayern München. Und sollte der nun, nach dem Gewinn der Meisterschaft, am kommenden Mittwoch auf europäischer Ebene Champion werden, dann weiß die ganze Welt, dass dieser Geist ein Gesicht hat: tiefe Furchen, schütteres Haar; eleganten Stoff trägt der Geist, und manchmal schaut er aus, als würde er als eau de toilette nur Magensäure benutzen.

Der Geist heißt Ottmar.

Norbert ThommaIm Spiegel Des Tages

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