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Sport: Im Zweifel schuldig

Wie die Tour Dopingdiskussionen verhindern will

Im Pariser Vorort Issy les Moulineaux, in den Büroräumen der veranstaltenden Organisation der Tour de France, traf am Samstagvormittag ein Fax aus Padua ein. Glaubt man Tour-Direktor Jean Marie Leblanc, war das Büro am Samstag nicht besetzt. Und so fand man das Schreiben des Staatsanwaltes Luigino Lambranzo erst am Montag, am Ruhetag. Das war auch irgendwie angenehm. Die Nachricht, die das Fax enthielt, hätte vermutlich schöne Reportagen von spannenden Etappen am Wochenende verhindert.

Lambranzi wollte Leblanc mitteilen, dass gegen die Radprofis Stefano Casagrande (Italien) und Martin Hvastia (Slowakei) in Padua ein Verfahren wegen Dopings eingeleitet wird. Leblanc nutzte daraufhin die Bühne des freien Tages und setzte sich im Pressezentrum von Limoges wirkungsvoll als Doping-Hardliner in Szene. Er habe, verkündete er, den Teams erklärt, dass die Fahrer unerwünscht seien. Am Dienstag früh fuhren beide heim, nicht jedoch, ohne Leblanc ein juristisches Nachspiel anzudrohen.

Casagrande und Hvastia waren bereits die Fahrer vier und fünf, die Leblanc während dieser Tour nach Hause geschickt hat. Zunächst wurde der Baske Gorka Gonzalez nach der Blutkontrolle beim Tour-Start heimgeschickt – obwohl ihm nichts nachgewiesen werden konnte. Dann musste der Italiener Danilo Di Luca abreisen, weil gegen ihn in Italien ermittelt wird. Christophe Brandt (Belgien) wurde als Einziger der fünf Verbannten aktuell positiv getestet – ihm wurde die Einnahme von Methadon nachgewiesen.

Leblanc ist seit der Doping-Affäre von 1998 sehr vorsichtig geworden. Weil die sporteigenen Kontrollinstanzen nicht funktioniert hatten, war damals der französische Staat tätig geworden, hatte Hotelräume von Teams untersucht und dabei fast den Fortbestand der Tour gefährdet. Die Tour hat seitdem in Zusammenarbeit mit dem internationalen Radsportverband und dem französischen Verband einen Katalog vorbeugender Maßnahmen in Kraft gesetzt. „Wir haben jetzt so etwas wie ein Radarsystem im Straßenverkehr“, sagt Roger Legeay, Sportlicher Leiter bei der Mannschaft Credit Agricole. „Es wird sichergestellt, dass die schlimmsten Rowdys aus dem Verkehr gezogen werden.“ Als Radarfalle behält sich die Tour vor, Fahrer, gegen die Verdachtsmomente vorliegen, auszuladen. Dadurch möchte die Tour ihr Ansehen schützen und einem Eingreifen der französischen Behörden vorbeugen. Allerdings gerät Leblanc durch diese Politik in Rechtfertigungsnot. Warum etwa hat er Danilo Di Luca heimgeschickt und nicht auch Lance Armstrong, dem in einem neuen Buch Doping angelastet wird?

Man kann dem Direktor der Tour auch Willkür vorwerfen. Als Leblanc Di Luca dessen Ausschluss mitteilte, begründete er seinen Schritt mit den Worten: „Wenn du eine Etappe gewinnst, redet die ganze Welt nur über Doping.“ Als Di Luca erwiderte, er werde klagen, sagte Leblanc: „Mach was du willst, ich nehme das Risiko auf mich.“

Sebastian Moll[Limoges]

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