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Sport: Immer auf dem Sprung

US-Stabhochspringer Tim Mack trainiert sich selbst – und wurde zum Olympiasieger von Athen

Berlin - Tim Mack schreibt unter seinem Namen immer „Gold, 5,95“. Er schreibt es auf lose Papierblätter oder auf Unterarme, die sich ihm entgegenstrecken. Mack schreibt wie am Fließband. Neben ihm inszenieren sich am Potsdamer Platz deutsche Stabhochspringer bei einem Show-Wettbewerb, aber der eigentliche Star der Stabhochsprung-Szene steht da in einer roten Windjacke und genießt jedes Autogramm. „Zu Hause muss ich das nicht oft machen, deshalb schreibe ich hier so viel wie möglich“, sagt Tim Mack, Olympiasieger von Athen, Sieghöhe 5,95 m.

Zu Hause, das sind die USA, da ist Mack ein Nobody – wie fast alle Leichtathleten. Zu Hause, das ist Knoxville, Tennessee. Nur dort wurde Mack nach seinem Olympiasieg ein kleine Berühmtheit. Jedenfalls so berühmt, dass er ins Radio durfte und den lokalen Zeitungsjournalisten Interviews gab. „Da habe ich meine Geschichte erzählt“, sagt Mack.

Es ist die Geschichte eines ziemlich ungewöhnlichen Olympiasiegers. Tim Mack hat seit Jahren keinen Trainer, keinen klassischen zumindest, der eng mit ihm arbeitet, Kommandos gibt oder Programme schreibt. Klar, es gibt diesen Jim Bemiller, der Mack seit elf Jahren begleitet, aber der, sagt Mack, ist mehr so eine Art Koordinator, der das Organisatorische regelt und auf ganz grobe Schnitzer im Training achtet. „Aber ich schreibe meine Programme selber, ich lege meine Trainingsbelastungen fest, ich kümmere mich um meine technische Entwicklung.“ Wenn er sich nach einer langen Saison eigentlich erholen sollte, sagt Mack, „denke ich über Verbesserungen im Training nach“. Im Moment denkt er über die 6,00 m nach. Beim Istaf am Sonntag (Olympiastadion, 13 Uhr), will er die magische Grenze überqueren. „Ich fühle mich sehr stark“, sagt er. Seine Bestleistung steht bei 5,95 m. Die Athen-Höhe.

Mack redet viel, er schöpft regelrecht Wissen ab. „Ich spreche mit allen möglichen Leuten, die Ahnung vom Stabhochsprung haben. Und was mir am sinnvollsten erscheint, übernehme ich.“ Er sammelte Informationen wie Eichhörnchen Nüsse. Mack redet mit europäischen und japanischen Trainern, meist trifft er sie in Trainingslagern. Nur mit deutschen Trainern hat er noch nicht gesprochen. Die sieht er nur bei Wettkämpfen, und da sagen sie höchstens „Hello“. Mack zuckt mit den Schultern. Es ist halt so.

Der studierte Sportmarketing-Experte fährt die Taktik „Versuch und Irrtum“, und wenn er über die Irrtümer redet, dann dreht er gequält seinen Kopf. „Oh, Mann, ich habe auch viele Fehler gemacht“, sagt er dann. Bei der US-Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2000 überquerte er gerade mal 5,52 m, das war ein Schock. Seine Saisonbestleistung stand bei 5, 80 m. 5,62 m hätten zur Olympia-Teilnahme gereicht. Später analysierte Mack, dass er übertrainiert war.

2004 ist ihm das nicht passiert. Erstens ist er seit 2001 Profi, er hat mehr Zeit, sich um Trainingsinhalte zu kümmern, zweitens „bin ich mental sehr stark“. Die 5,95 m, die Höhe, die er noch nie gesprungen war, überquerte er im dritten Versuch des Olympia-Finales. „Das muss man erst mal hinbekommen“, sagt Mack.

Ein Freund hatte ihm eine CD mit Entspannungsmusik nach Athen geschickt, ein anderer Freund hatte kurzfristig 2000 Dollar für ein Flugticket bezahlt, damit er Mack live erleben konnte. „Diese Freunde gehören natürlich auch zu den Leuten, die mir helfen“, sagt Mack. Er ist jetzt 31, er glaubt, dass er verdammt viel aufzuholen hat. „Ich bin erst mit 28 Jahren erstmals in Europa gewesen. Und ich genieße jetzt die Aufmerksamkeit.“ Und wer will, kann sich nicht bloß ein Autogramm geben, sondern auch noch die Goldmedaille zeigen lassen. Mack hat da keine Probleme. Die Medaille trägt er in Berlin in der Hosentasche spazieren.

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