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Sport: In Bremen fallen die letzten Tabus

Nach dem 0:3 gegen Panathinaikos wird bei Werder nicht nur die Mannschaft, sondern erstmals auch Trainer Schaaf in Frage gestellt

Vielleicht hätte jemand Klaus Allofs besser eine dieser wärmenden Daunenjacken geben sollen, die jeder Verein im herbstlichen Equipment seiner Profimannschaft führt. Sie werden Fußballspielern in verschwitzten Trikots immer dann gereicht, wenn bereits auf dem Rasen nach langatmigen Erklärungen gefahndet wird. Werders Sportchef trat nach dem hochnotpeinlichen 0:3 gegen Panathinaikos Athen nur mit einem luftigen Anzug in die zugige Mixed Zone – und mit dem Wissen, dass es in jeder Hinsicht sehr ungemütlich werden könnte.

Er verspüre Wut, sagte Allofs, das Wort Enttäuschung reiche bei weitem nicht. Allofs, das war ihm anzumerken, kochte innerlich: „Ich kann mich an kein Spiel erinnern, das wir so ohne Gegenwehr, ohne Mumm beendet haben. Das ist das Schlimmste, was man einem Sportler vorwerfen kann.“ Auf der Bühne Champions League habe man so nichts verloren. „Ein katastrophales Spiel. So geht das nicht. Das war nicht Werder Bremen.“ Aber wer war es dann?

Eine Gruppe mit viel zu vielen Schöngeistern, die beim geringsten Widerstand einknicken, allen voran der so hochgelobte Diego. Eine Ansammlung von Einzelspielern, die dem Mannschaftsgedanken längst nicht mehr folgen. „Keiner steht dem anderen zur Seite“, sagte Allofs, „da war kein Aufbäumen, kein Engagement, kein Willen.“ Im Grunde, sagte der 51-Jährige, könne man sich bei jedem Zuschauer nur entschuldigen, „das Publikum war noch gnädig zu uns“. Sätze, die in Bremen einem Erdbeben mit Epizentrum Weserstadion glichen.

Folglich hat das oft beschworene heile grün-weiße Gebilde im Herbst 2008 hässliche Risse. Und damit fallen auch die letzten Tabus. Etwa das Werder-Gebot, Thomas Schaaf niemals in Frage zu stellen. Es war eine der Besonderheiten dieses entsetzlichen Europapokalspiels, dass Allofs seit Ewigkeiten auch Fragen nach dem Trainer zu beantworten hatte. Sein Leitsatz lautet zwar: „Wir sollten zuerst den Hebel bei den Spielern ansetzen.“ Aber es gibt auch in Bremen die ersten Heckenschützen, die die vermeintliche Monotonie des Trainingsbetriebs bemängeln, die ständigen Muskelverletzungen – wie beim ein- und gleich wieder ausgewechselten Clemens Fritz – hinterfragen. Und wie flexibel ist das starre 4-4-2-System Schaafscher Prägung? Allofs spielt den Beschützer: „Ich weiß, wie Thomas Schaaf arbeitet, wie er trainiert.“ Aber: Wie viele Ansprachen, Aussprachen will der 47-Jährige eigentlich noch ansetzen, wenn sich die erschreckenden Defensivversäumnisse, die eklatanten Willensschwächen als einzige Konstante durch diese wankelmütige Spielzeit ziehen?

Der Trainer, der im Mai 2009 sein zehnjähriges Dienstjubiläum feiern würde, beklagte erneut die ewig gleichen Fehler: „Wir sind in Passivität verfallen. Wir haben nur im Raum gestanden, sind brav nebenher gelaufen.“ Die Schonzeit für einen stagnierenden, selbstgefälligen Kader ist laut Allofs abgelaufen. „Wenn die Spieler einige Dinge nicht verstehen wollen, dann muss man entweder seine Erwartungshaltung herunterschrauben oder man muss sich von den Spielern trennen. Und an unseren Erwartungen wollen wir nichts ändern.“ Er mache sich Gedanken, ob die Kaderzusammenstellung noch Erfolg verspreche. Das klingt nach Reinemachen im Winter oder Sommer.

Schaaf und Allofs stehen indes in der Verantwortung, wenn in beiden Athen-Partien die Innenverteidiger Sebastian Prödl und Petri Pasanen als Außenverteidiger ein Bremer Symbol der Hilflosigkeit abgeben. Erschwerend dazu kommt der mangelhafte Zusammenhalt in der Mannschaft. „Ich hatte gedacht, wir sind auf einem guten Wege, aber ich bin kein Psychologe und kenne dieses Team wohl nicht gut genug“, musste Frank Baumann zugeben. Auch Per Mertesacker, ein weiterer Führungsspieler, haderte mit der Leistung der vergangenen Wochen: „Wir gehen nicht richtig an die Grenzen. Wir können mit der läuferischen Leistung nicht zufrieden sein. Wir haben wenig Argumente, die für eine Stärke innerhalb der Mannschaft sprechen.“

Gedanken an ein mögliches Weiterkommen – erforderlich sind Siege gegen Anorthosis Famagusta und Inter Mailand – verbieten sich in der derzeitigen Lage. Allein: Der Tiefpunkt in der Champions League war das Spiel gegen Athen nicht. Schaaf erinnerte sogleich an ein schlimmeres Spiel. An das in Lyon, Stade Gerland, 8. März 2005. Ein 2:7. Damals stand ein Novize namens Werder aber bereits im Achtelfinale. Jetzt ist sogar das Überwintern im Uefa-Cup eher unwahrscheinlich.

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