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Sport: In die Krise rotiert

Vor ein paar Jahren noch war die Rotation den Druckern vorbehalten. Ottmar Hitzfeld hatte bis dahin nicht wirklich etwas mit, na, sagen wir, Druckerschwärze zu tun.

Vor ein paar Jahren noch war die Rotation den Druckern vorbehalten. Ottmar Hitzfeld hatte bis dahin nicht wirklich etwas mit, na, sagen wir, Druckerschwärze zu tun. Seit 1998 arbeitet der Fußballlehrer beim FC Bayern München, wo er einen so großen und hochqualifizierten Kader vorfand, dass Hitzfeld vor einem ebenso großen Problem stand: Wen konnte er draußen lassen, ohne damit das Klima im Klub ernsthaft zu verschlechtern? Hitzfeld entschied sich für eine Lösung, die nahe lag, in der Bundesliga aber als revolutionär empfunden wurde. Er setzte mal den einen, mal den anderen auf die Bank und dosierte die Einsätze so gleichmäßig, dass sich niemand benachteiligt fühlte, kurzum: Er rotierte. Mittlerweile folgt die halbe Bundesliga seinem Beispiel, aber keiner ist dabei so erfolgreich wie Hitzfeld mit seinen Bayern.

Am Montag rotierte auch der 1. FC Union, allerdings mit weitaus bescheidenerem Erfolg. Bei der 1:4-Niederlage bei Arminia Bielefeld veränderte Trainer Georgi Wassilew seine Mannschaft gegenüber der 0:2-Niederlage im Uefa-Cup gegen Lowetsch gleich auf fünf Positionen. Balcarek rotierte für Widolow ins Team, Ernemann für Kremenliew, Chifon für Ristic, Okeke für Fiel. Im Prinzip also so, wie sie das in München tun. Nur mit dem Unterschied, dass Union wegen der ungewohnten Doppelbelastung rotiert und nicht, wie die Bayern, um all die Nationalspieler bei Laune zu halten. Doch Hitzfeld wechselt ausschließlich seine Feldspieler, Oliver Kahns Platz im Tor ist tabu. Wassilew rotierte am Montagabend aber auch auf dieser Position. Erstmalig stand Ersatztorwart Robert Wulnikowski zwischen den Pfosten, Stammkeeper Sven Beuckert saß auf der Ersatzbank. Wulnikowski machte seine Sache gut - aber das Experiment ging schief.

Beuckert war in der vergangenen Woche hart von Wassilew kritisiert worden, weil er im Spiel gegen Eintracht Frankfurt und im Uefa-Cup gepatzt hatte. "Sven steckt in einer schwierigen Situation", sagt Wassilew. "Er muss sich konzentrieren und über seine Fehler nachdenken. Wir werden ihm jetzt helfen." Wassilews Hilfe bestand darin, dass er Beuckert auf die Bank setzte. Besonders große Rückendeckung sieht anders aus. "Nach außen hat er mit dieser Entscheidung nichts falsch gemacht", sagte Beuckert.

Robert Wulnikowski machte auch nichts falsch, an allen Gegentoren war er machtlos. Und das, obwohl er sein erstes Zweitligaspiel bestritt. Bisher durfte der 24-Jährige nur im Berliner Paul-Rusch-Pokal ran. Da spielen Amateurklubs wie VfB Hermsdorf oder SC Gatow mit. "Union hat kein Torwartproblem", sagt Verteidiger Daniel Ernemann. "Beuckert und Wulknikowski sind nicht gute, sondern sehr gute Torhüter."

Das Problem war ein anderes: das allgemeine Durcheinander, ausgelöst von Wassilews Rotation. In Bielefeld stand auf einmal Ivan Kozak auf dem Liberoposten, Steffen Menze rückte ins defensive Mittelfeld vor. Ernemann, gegen Lowetsch noch auf der Ersatzbank, spielte auf der linken Manndeckerposition, Tom Persich auf der rechten. Im Uefa-Pokal hatte er noch links gespielt.

All das sorgte dafür, dass die Abwehr in Bielefeld ziemlich verwirrt wirkte. "Wir leben von Ehrgeiz und Konzentration", sagte Stürmer Sreto Ristic. Positionswechsel und wechselnde Nebenmänner sind ein Bestandteil des Hitzfeldschen Rotationsprinzips. Wassilew hat das System verstanden und lässt geradezu meisterlich rotieren. Nur spielt Bayern München für andere Mannschaften unberechenbar und erfolgreich. Der 1. FC Union spielt sich mit seiner Rotation in die Krise.

André Görke

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