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Sport: In einer anderen Welt

Nach dem Pokalsieg: Erst gratuliert Ehepaar Stoiber einem halbnackten Rummenigge, dann wird der FC Bayern doch noch überfordert

Von Sven Goldmann

und Michael Rosentritt

Berlin. Wenn Karl-Heinz Rummenigge eine Rede hält, ist das ein bisschen wie früher bei den Parteitagen der SED. Bevor er zur Sache kommt, wird erst einmal eine ellenlange Liste der anwesenden Würdenträger verlesen. Nur betet Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende der Bayern München AG, nicht die Mitglieder von Politbüro, Zentralkomitee und Bezirksleitung herunter, sondern Aufsichtsratsvorsitzende, Generaldirektoren und Prokuristen. Als bekennender CSU-Wähler ist Rummenigge ohnehin aller kommunistischen Umtriebe unverdächtig. Als ersten Ehrengast begrüßt er zwar den „sehr geehrten Herrn Innenminister Schily“ vor seinem Spezi Edmund Stoiber, aber der ist dann auch schon, eine Spur wärmer, der „liebe Herr Ministerpräsident“. So viel Sympathie muss schon sein beim mitternächtlichen Bankett, drei Stunden, nachdem der FC Bayern München zum elften Mal den DFB-Pokal gewonnen hat, nach diesem nie gefährdeten 3:1-Sieg über Kaiserslautern.

Stoiber und Rummenigge sind einander an diesem Abend schon einmal begegnet. Das war viertel nach zehn im Bauch des Olympiastadions, und Stoibers Leibwächter hatten darauf bestanden, dass die Tür zur Mannschaftskabine einen Spalt breit offen blieb. Stoiber huschte in dem Augenblick in das Separee seiner siegreichen Bayern, als Karl-Heinz Rummenigge zur Dusche spazierte, ein Handtuch um die bloßen Lenden geschwungen. Stoibers Gattin wirkte ein wenig irritiert, und Rummenigge wird sich wohl gedacht haben, dass es bessere Orte gibt, die Glückwünsche des Landesvaters entgegenzunehmen.

Zum Beispiel das ehemalige Telegrafenamt der Reichspost in der Französischen Straße, wo die Berliner Repräsentanz des Hauptsponsors Telekom untergebracht ist. Das Ehepaar Stoiber hat in einer Reihe mit Franz Beckenbauer und Otto Schily Platz genommen. Gegenüber sitzen Trainer Ottmar Hitzfeld und Manager Uli Hoeneß. „Nächstes Jahr werden wir den Fokus auf die Champions League setzen“, sagt Rummenigge in seiner Begrüßungs- und Dankesrede. „Das Aus in der Champions League, das alle gewurmt hat, ist heute ausgeräumt. Was ihr seit November abgeliefert habt, war à la bonne heure.“

Eine halbe Stunde später sind alle Reden gehalten, und Uli Hoeneß zündet sich eine Zigarre an. Nach dem ersten Zug sagt der Manager: „Das Double ist gut, aber wir müssen es nicht noch schöner reden. Wir haben bewiesen, dass wir die dominante Mannschaft in Deutschland sind, aber das kann nicht das Maß allein sein. Wir müssen sehen, dass wir wieder international länger tanzen.“

Es ist dieser wie selbstverständlich formulierte Anspruch der Bayern, der sie über die restlichen 17 Bundesligisten stellt. So souverän, wie sie in den vergangenen Monaten die Bundesliga beherrschten, wie sie am Samstag den 1. FC Kaiserslautern zum zweiten Pokalplatz über den Rasen trieben, so geben sie sich auch abseits des Rasens. „Die Bayern sind einfach eine andere Welt“, sagt DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, als er weit nach Mitternacht das Münchner Bankett entert, gerade noch rechtzeitig, um den gemeinsamen Auftritt der Bayern-Profis mit der Gruppe „Pur“ zu verfolgen.

Es ist dies einer der wenigen Momente an diesem Pokaltag, in dem die Spieler ein wenig überfordert wurden: wie sie da mit Bandleader Hartmut Engler den Text eines Liedes singen sollten, das der Allgemeinheit wohl doch nicht so geläufig ist, wie es die Herren von Pur gerne hätten. Sebastian Deisler verdreht viel sagend die Augen, Zé Roberto lässt sich erst nach gutem Zureden von Giovane Elber zum Mitmachen überreden, und Oliver Kahn hat sich schon in eine Berliner Diskothek abgesetzt, wo er später noch Ärger bekommt mit einem Türsteher und einem aufdringlichen Fotografen. Aber so etwas erwartet man von dem Bayern-Torhüter in diesen Tagen genauso wie die arrogante Dominanz seiner Kollegen auf dem Rasen.

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