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Sport: „In einigen Klubs regiert der Sandkastengeneral“

Der Unternehmensberater Thomas Kupfer fordert in der Bundesliga besseres Management und Investoren statt Präsidenten

Herr Kupfer, Sie behaupten, nur noch etwa fünf Klubs kämen für den Meistertitel in Frage. Wie kommen Sie darauf?

Es kann in jedem Jahr ein Überraschungsteam geben. Aber um sich fest in der Spitzengruppe zu etablieren, bedarf es heute vieler Faktoren. Team, vielfältige sportliche Qualitätsarbeit, Klubstrategie, Struktur, Management, Eigenkapitalstärke, Personalqualität auf verschiedenen Ebenen, Wirtschaft, Infrastruktur und Größe des Einzugsgebiets. Faktoren, die nur eine Handvoll Klubs stark entwickelt haben, vor allem Bayern, Schalke, Bremen, auch Stuttgart und Leverkusen. Andere Klubs an traditionsreichen Standorten gehören prinzipiell auch in die erste Reihe, haben aber Fehler gemacht oder Aspekte der Vollkommerzialisierung im Fußball über Jahre verschlafen. Dazu gehören Dortmund, Hertha, der HSV oder Köln. Potenzial ist da, aber es besteht Reformbedarf.

Was meinen Sie damit?

Die Bereitschaft zu lernen und Erfahrungen anderer mit einzubeziehen ist nur sehr bedingt ausgeprägt. Viele Vereine brauchen nicht nur Sponsoren und Geld, sondern andere Strukturen und mehr Expertise, Strategien sind unterentwickelt. Etliche Traditionsklubs treten auf der Stelle, weil sie noch immer den wundersamen Investor oder das eine Finanzierungskonzept suchen, anstatt sich um Grundfragen der Unternehmensentwicklung zu kümmern und nötiges Fachwissen einzuholen.

Welche Gründe hat das?

Das hat mit Macht zu tun. Profifußball ist in Deutschland mehr als anderswo ein Profilierungsgebiet für Leute aus Politik und anderen Bereichen der Gesellschaft. Bei einigen Vereinen gibt es den Typus Sandkastengeneral. Die möchten natürlich das Allerbeste für den Klub. Das Hauptproblem ist aber: Sie erzielen mit fremdem Geld, etwa von Sponsoren und Fernsehen, einen Popularitätsgewinn und wollen nur ihre Position halten. Sie haben nicht immer die nötige Professionalität und Erfahrung, um den Klub im intensiver werdenden Wettbewerb voranzubringen.

Aber ist das Management in der Bundesliga nicht schon viel besser geworden?

Wir haben ein deutliches Anziehen in der Professionalisierung des Managements. Die mittelfristige Planung haben viele Klubs mittlerweile im Griff. Es gibt auch Versuche, Ziele nicht nur für eine Saison auszugeben, eine gewisse Breite der Wirtschaftstätigkeit herzustellen und hier und da ein neues Gebiet aufzumachen.

Aber?

Führungsmanagement ist heute neben der Mannschaft der entscheidende Wettbewerbsfaktor. Und da sind deutsche Klubs oft zu schmal aufgestellt. Sie brauchen mehr Profis in allen Geschäftsbereichen und in der Führung einen guten Mix aus Generalisten und Spezialisten.

Die Klubs führen ihre mangelnde Wettbewerbsfähigkeit in Europa auf zu geringe Fernsehgelder zurück.

Die Jammerei über das Fernsehgeld sollte endlich aufhören. Die Schwächen im deutschen Fußball liegen eher daran, dass die Klubs die Dinge noch zu klein angehen. Mit dem vorhandenen Geld wird nicht der Effekt erzielt, der erzielt werden könnte. In der Verbesserung von Strategie und Führung liegt auch eine Reserve für die Mittelbeschaffung. Die Präsidentin von Norwich City etwa ist eine bekannte Fernsehköchin. Die nutzen diese Sparte bewusst und haben wegen ihres Caterings allein 15 000 Gäste mehr um die Weihnachtszeit. So gleichen sie Nachteile gegenüber größeren Klubs aus.

Die Vereine dürfen sich also nicht nur als Fußballklubs begreifen?

Man muss erkennen, dass der sportliche Wettbewerb durch einen wirtschaftlichen Wettbewerb ergänzt wurde. Diesen Doppelwettbewerb muss man annehmen. Man kann sich sportlich nicht verstärken, ohne sich wirtschaftlich zu verstärken.

Wie soll das gehen?

Man muss mehr diversifizieren, mehr selbst kontrollieren und nicht so viel in dritte Hände geben und die Marke zusammenhalten. Um aus dem Mittelfeld dauerhaft an die Spitze vorzustoßen, braucht es mehr Investitionen und komplexeres strategisches Vorgehen als vor 20 Jahren. Es gibt nur wenige Bundesligisten, die mehr als drei geschäftsführende Leute auf der Vorstandsebene haben. Außerhalb Deutschlands findet man das viel häufiger. Und in der Regel sind das die Klubs, die in den letzten Jahren Boden gutgemacht oder Titel gewonnen haben. Klubs, die in die erste Reihe wollen, müssen Dinge verändern und sich von bisherigen Denkstrukturen lösen. Eine gute Variante ist eine Struktur mit fünf Vorständen, die sich speziellen Tätigkeitsfeldern widmen.

Haben Sie noch andere Vorschläge?

Etliche. Ich gebe in meinem Buch Beispiele für Geschäftsmodelle, doch es hängt immer von der Situation des Klubs ab. Es gibt nicht das eine Erfolgsmodell, die eine Finanzierungsform. Viele ausländische Vereine haben zum Beispiel eigene Stadien, die die Operationsfähigkeit auf dem Kapitalmarkt verbessern. Schalke hat zwar hohe Schulden, kann diese aber bedienen und hat durch Areal und Stadion auch hohes Eigenkapital. Die meisten anderen deutschen Klubs haben eine Eigenkapitalschwäche. Diese Position muss verbessert werden, auch über den Weg, dass die Kapitalgesellschaften frei gemacht werden von künstlichen Beschränkungen, die nichts bringen außer Nachteilen. Diese zwingen die Klubs nur dazu, Tochtergesellschaften und Querstrukturen aufzubauen, die eigentlich nicht nötig wären.

Sie sprechen von der 50+1-Regel, nach der der Altverein immer noch der Mehrheitsgesellschafter bleiben muss.

Ja. Ohne sie würde man privaten Investoren die Chance geben, in Klubs zu investieren und dort auch das Sagen zu haben.

Viele finden diese Regel gerade deswegen sinnvoll, weil sich damit ein fremder Investor wie Abramowitsch verhindern lässt.

Aber sie führt Fehler weiter, die zu Beginn der Kommerzialisierung gemacht wurden, und blockiert Erneuerungen und breitere Wirtschaftstätigkeit in eigener Regie. Ohne eine echte Strukturreform werden die Klubs nicht richtig wettbewerbsfähig. Statt starker unabhängiger Unternehmen entwickeln sich zu viele fremdbestimmte. Es bringt nichts, wenn trotz Anteilseignern weiterhin der Verein das Hauptsagen hat und die falsche Strategie oder das falsche Führungspersonal wählt.

Die Angst vor Investoren ist unbegründet?

Ja, denn Abramowitsch ist ein Sonderfall. Ich finde es besser, wenn jemand Geld gibt und sich dann auch für die Belange des Unternehmens engagiert, als wenn Leute, die sich an die Spitze von Vereinen gehievt haben, über fremdes Geld bestimmen und einige das inkompetent tun. Angesichts wachsender Herausforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit ist eine klare Kontrollmehrheit privater Eigentümer meist die bessere Voraussetzung für ein Erfolgsmanagement. Die Praxis zeigt Vorteile solcher Klubs gegenüber Vereinsstrukturen oder dem Fehlen klarer Mehrheiten wie bei einigen AG. Über Anteile hätten auch die Fans mehr Mitspracherecht, denn in vielen Vereinen gibt es die Demokratie in Kernfragen doch gar nicht mehr.

Suchen die Bundesligisten trotzdem nach Investoren?

Dutzende Manager wollen strategische Partner, also Geldgeber. Viele haben mir auf die Frage, ob sie einen Abramowitsch wegschicken würden, geantwortet: Natürlich nicht. Die haben nur ein Problem: Abramowitsch würde gar nicht zu uns kommen. Der lässt sein Geld doch nicht ohne Mitsprache von anderen verbrennen.

Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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