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Hans-Peter Friedrich, 55, ist als Bundesinnenminister auch für den Sport zuständig. Wegen seiner Sicherheitspolitik in Deutschland in der Kritik, scheint sich der CSU-Politiker bei den Olympischen Spielen in London sichtlich wohler zu fühlen.

© dpa

Innenminister Friedrich im Interview: "Staatssport ist nicht unsere Tradition"

Innen- und Sportminister Hans-Peter Friedrich über wenig Geld für Gold, eine deutsche Bewerbung um Olympische Spiele – und Gewalt in den Fußballstadien.

Herr Friedrich, haben Sie beim Besuch in London Ihren olympischen Moment erlebt?

Ich bin ja das erste Mal bei Olympischen Spielen und habe gleich bei meinem ersten Wettkampfbesuch einen sportlichen Glücksmoment erlebt. Beim Turnen im Mehrkampf. Da war Marcel Nguyen nach dem ersten Gerät auf Platz 24. Und irgendwann, als er auf Platz zehn oder elf war, habe ich gefragt: Wann hat eigentlich schon einmal ein Deutscher eine Medaille im Mehrkampf geholt? Keiner meiner Sitznachbarn wusste das so genau. Dann plötzlich kam es immer näher. Für mich war das die fantastischste Medaille überhaupt. Ja, das war mein olympischer Moment.

Ein anderer Moment beschäftigt derzeit Deutschland. Die Ruderin Nadja Drygalla ist aus London abgereist, nachdem bekannt geworden war, dass ihr Lebensgefährte für die NPD kandidiert hatte. Können Sie glauben, dass davon niemand im deutschen Team etwas gewusst hat?

Dieser Fall schlägt in der Tat sehr hohe Wellen. Jetzt müssen erst einmal der Sachverhalt und die Hintergründe aufgeklärt werden, bevor man sich voreilig äußert.

Gibt es etwas bei Olympia, das Ihre Perspektive als Sportminister prägen könnte?

Bei den Gesprächen hier mit sehr vielen Experten und Präsidenten der Fachverbände gibt mir jeder mal eine Idee mit auf den Weg. Und ich habe das Gefühl: Es gibt noch Dinge zu tun. Wir müssen mal neue Wege gehen und etwas ausprobieren.

Was meinen Sie damit?

Ich glaube, man muss zum Beispiel die Übergänge zwischen Nachwuchs- und Leistungssport noch mehr im Blick haben. Ich will mich nicht in Länderkompetenzen einmischen, sondern setze dabei auch ein bisschen auf die Wirtschaft. Vielleicht kann auf lokaler Ebene mal ein Leistungsnachwuchsteam gegründet werden, gefördert von einem Unternehmen. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass wir auf die ganze Breite der olympischen Sportarten setzen sollten, nicht nur auf die, in denen wir die meisten Medaillenchancen haben.

"Wir haben mit dem DOSB keine Vereinbarung über Medaillenziele"

Manche Sportler, wie der Judoka Ole Bischof, sagen: 15 000 Euro als Prämie für eine Goldmedaille sind im Vergleich zu anderen Ländern mickrig. Sehen Sie das auch so?

Verstehen kann ich das schon. Die Sportler investieren unheimlich viel Zeit, Kraft und Energie. Am Ende jubeln Millionen, wenn es Gold gibt. Aber für die Prämien der Sportler ist ja nicht die Politik zuständig, sondern der Sport. In einer Staatswirtschaft kann man sagen: Du bist jetzt unser Staatssportler und bekommst eine Pension. Aber das ist nicht unsere Tradition.

Wie oft schauen Sie eigentlich im Moment auf den Medaillenspiegel?

Ich gebe zu, heute habe ich zweimal draufgeschaut, um zu sehen, ob uns jemand überholt hat. Wenn wir da übrigens China zum Maßstab nehmen würden, müssten wir ganz Europa zusammenzählen. Dann könnten wir auch ganz gut mithalten. Obwohl Europa auch dann nur halb so groß wäre wie China.

Was sagt Ihnen der Medaillenspiegel?

Dass das Ganze durchaus ausbaufähig ist. Aber ich bin nicht unzufrieden. Sie wissen ja, dass wir uns an Platz fünf orientieren, aber wir wissen auch, dass manchmal zwischen Platz fünf und Platz zehn nur zwei Goldmedaillen liegen. Das letzte Mal war Britta Steffen mit zwei Goldmedaillen ausschlaggebend, dass wir da gelandet sind. Das kann mal gut gehen und mal nicht.

Das spricht doch dafür, den Medaillenspiegel nicht so ernst zu nehmen.

Das spricht dafür, aber die Welt ist so, dass man sich mit anderen misst. Das ist doch das Prinzip des Sports. Außer bei mir als Hobbysportler. Ich kämpfe immer nur gegen mich.

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Bundesinnenministerium gerade aufgefordert, die Zielvereinbarungen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund offenzulegen. Werden wir bald wissen, wer wie viele Medaillen gewinnen muss?

Wir haben mit dem DOSB keine Vereinbarung über Medaillenziele. Die trifft der DOSB mit den Fachverbänden. Der Bund prüft den Einsatz von Steuermitteln auf ihre ordnungsgemäße Verwendung.

Aber dann können Sie doch nichts dagegen haben, wenn Transparenz hergestellt wird.

Darum geht es nicht. Der Bund darf keine Informationen herausgeben, die Rechte und Interessen Dritter, hier des DOSB und der Verbände, beeinträchtigen. Das könnte den Steuerzahler teuer zu stehen kommen.

Also prüfen Sie einen Einspruch?

Ja. Es ist im deutschen Interesse, dass die Verbände und damit der Sport keinen Schaden erleiden. Ich sehe auch das öffentliche Interesse nicht. Die Leute sehen ja selbst, welcher Verband wie viele Medaillen gewinnt. Und was unsere Förderung angeht: Medaillen sind nur eines von mehreren Kriterien.

Sie haben den Sport jetzt noch einmal ermutigt, sich für Olympische Spiele zu bewerben. Der DOSB sagt jedoch: Es stehen so viele Wahlen an, in Bayern, für den Bundestag, auf kommunaler Ebene, die müssen wir erst einmal abwarten. Ist es richtig, sich bei einer Bewerbung so von der Politik abhängig zu machen?

Ich will dem Sport, dem DOSB in diesem Fall, keine Vorschriften machen. Er muss den ersten Impuls geben. Ich finde allerdings, dass Deutschland den Willen haben muss, noch Zukunftspläne für große Ereignisse zu haben. Wenn wir das nicht mehr erbringen, frage ich mich: Was wollen wir überhaupt noch? Wir wollen keine Flughäfen mehr, keine unterirdischen Bahnhöfe, keinen Transrapid und keine neuen Autobahnen. Wir steigen überall aus. Welche Zukunftsvisionen sollen die Identität der Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch prägen? Wenn wir zu allem sagen: wollen wir nicht, brauchen wir nicht, dann wäre das eine ganz schlechte Entwicklung.

Die Briten machen es gerade anders.

Ja, Olympia bringt einem Land so viel an Sympathie, an Image, an positiver Befindlichkeit. Das erlebe ich hier jeden Tag. Aber wenn wir nichts mehr wollen, erreichen wir auch nichts mehr.

"Pyrotechnik ist in einem Fußballstadion nicht akzeptabel"

Herr Friedrich, gerade ist die Zweite Liga gestartet. Es gab zuletzt viele Runde Tische über Gewalt im Fußball. Wie ist es zu erklären, dass Ihre Haltung zu Gewalt im Fußball immer härter geworden ist?

Weil ich beobachte, dass es eine Eskalation gegeben hat, dass sich die Spirale der Gewalt weiterdreht. Und weil ich glaube, dass es richtig ist, sehr frühzeitig zu sagen, an welcher Stelle die Grenze überschritten ist. Vielleicht kann man dann erreichen, dass sich manche dieser Grenze gar nicht erst nähern. Ich halte es für schwierig, alles wieder zurückzudrehen, wenn die Dinge so lange eskalieren. Deswegen ist es wichtig zu sagen: Pyrotechnik ist in einem Stadion, wo Menschen dicht auf dicht stehen, nicht akzeptabel, weil das keiner beherrschen kann und die Verletzungsgefahr riesengroß ist.

Manche Fans reagieren darauf mit Trotz. Sie gründen Initiativen, demonstrieren, wehren sich. Das nehmen Sie alles in Kauf?

Es sind ja mehrere handelnde Akteure. Zum einen Vereine und Verbände. Dann die Fans. Und als drittes der Staat, der für Sicherheit und die Einhaltung von Gesetzen verantwortlich ist. Wir haben eine gute Arbeitsteilung gefunden: Die Vereine und Verbände sind für den Dialog mit den Fans zuständig. Wir verpflichten die Vereine sogar, sich darum zu kümmern. Mir ist doch auch klar, dass 99 Prozent der Fans anständig und leidenschaftlich, aber nicht gewalttätig sind. Es muss darum gehen, die Gewalttäter zu isolieren, da kann man nicht früh genug anfangen. Das müssen auch die Fans im eigenen Interesse und im Interesse des Fußballs verstehen.

Also war es richtig, die Fans nicht mit zum letzten Runden Tisch einzuladen?

Von unserer Perspektive aus sind die Fans Bestandteil der Fußballvereine, viele sind Mitglieder. Deshalb sind sie auch immer durch die Vereine und ihre Fanbeauftragten mitrepräsentiert. Ihre Interessen werden auch durch die Vereine zur Sprache gebracht.

Die Fans haben sich beschwert, aus heiterem Himmel wären auf einmal die Stadionverbote auf fünf und zehn Jahre hochgesetzt worden, ohne dass sie gewarnt worden wären.

Von wegen aus heiterem Himmel. Das ist das Ergebnis einer lang andauernden Eskalation. Wer nicht vorhat, gegen Regeln zu verstoßen, braucht sich auch über eine Straferhöhung nicht aufzuregen.

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