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Dabei sein dürfen alle. Heinz Maintok und seine Fußballer vom SV Sedlitz.

© promo

Integration: Wollt ihr mitspielen?

Bei Auswärtsspielen wird die Mannschaft rassistisch beleidigt, dann fallen Wörter wie "Kanakenklub". Seit 20 Jahren integriert der SV Sedlitz Asylbewerber - und wird nun für sein soziales Engagement geehrt.

Vor zwanzig Jahren überkam Heinz Maintok ein ungutes Gefühl. In seiner Heimat Sedlitz, einem 900-Seelen-Dorf zwischen Cottbus und Dresden, befand sich seit kurzem ein Asylbewerberheim. Die Bewohner schotteten sich ab und von den Leuten im Dorf interessierte sich niemand für sie. Maintok missfiel das. Also lief der Vorsitzende des SV Sedlitz vom Sportplatz aus die gepflasterte Dorfstraße hinunter, bog an der Feuerwehr links ab und steuerte geradewegs auf das Heim zu. Dort angekommen, fragte Maintok zwei Männer: „Habt ihr Lust, bei uns im Verein Fußball zu spielen?“ So fing alles an.

Am Dienstag werden Heinz Maintok und der SV Sedlitz in Köln vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit dem Julius-Hirsch-Preis für soziales Engagement geehrt. Neben den 10 000 Euro Preisgeld erhält der Verein Eintrittskarten für das Länderspiel zwischen Deutschland und Aserbaidschan. Abdul Hamid Afghan wird dann zum ersten Mal in seinem Leben ein Fußballstadion betreten.

Lange Zeit verband Afghan damit nur schreckliche Dinge. Der 25-Jährige stammt aus Afghanistan, zu Zeiten der Taliban wurden Menschen in Fußballstadien öffentlich hingerichtet. Nun aber freut sich Afghan auf den Besuch des Spiels. „Ich bin gespannt, was mich erwartet“, sagt er.

Den Tag, als Heinz Maintok zum Heim kam, wird der Besuch in Köln jedoch nicht übertreffen. „Er fragte einfach, ob ich beim Fußball mitmachen wolle“, erzählt Afghan. Eine schlichte Frage, deren Wirkung kaum größer sein könnte. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn man gebraucht wird.“ Afghan, der viel lieber einfach nur Hamid genannt wird, erzählt die Geschichte gern. Sie gleicht der vieler Asylbewerber, die Heinz Maintok in all den Jahren für den SV Sedlitz gewonnen hat. Maintok selbst ist das Ganze fast peinlich, als er neben Afghan in der kleinen Vereinsgaststätte sitzt. Im brandenburgischen Dialekt sagt er: „Ick mach da nich viel Tamtam drum.“

Maintok, ein Mann mit leichtem Bauchansatz und türkisblauen Augen, war früher nie jemand, der sich politisch besonders engagierte. Das hat sich inzwischen geändert. Er ist nicht mehr Vorsitzender des SV Sedlitz, sondern dessen „Integrationsbeauftragter“. Er organisiert Sportfeste, steht in engem Kontakt mit den örtlichen Schulen und versucht, die Asylbewerber über den Sportverein in das soziale Leben der Region einzugliedern. Einfach ist das nicht.

Bei Auswärtsspielen wird die Mannschaft rassistisch beleidigt, dann fallen Wörter wie „Kanakenklub“. Hamid Afghan und seine Mitspieler werden nicht selten als „Scheiß Ausländer“ beschimpft oder mit „Geht zurück nach Hause“-Rufen bedacht. Maintok hört da nicht einfach weg. Mehrmals hat er mit Klagen Geldstrafen für die gastgebenden Vereine erwirkt. Auch in Sedlitz machte sich Maintok mit seinem Engagement nicht immer nur Freunde. Was er denn mit den Ausländern wolle, fragten ihn einmal zwei alte Bekannte in der Gaststätte. Die würden doch nur Ärger bringen. Die Frage nach seinem Antrieb kann sich Maintok selbst nicht so genau beantworten. Sportlich bringt die Einbindung der Asylbewerber keinen Vorteil, der SV Sedlitz spielt in der zweiten Kreisklasse – tiefer geht es kaum.

Ist ein Spieler besonders talentiert, vermittelt Maintok ihn ohne Gegenleistung an größere Vereine. So wie im Fall des 16-jährigen Jimmy aus Kamerun, der jetzt in der Junioren-Bundesligamannschaft von Energie Cottbus spielt. Mit ein bisschen Glück wird er es einmal in den bezahlten Fußball schaffen. Heinz Maintok hält das für den normalen Lauf der Dinge. „Ich freue mich, wenn die Menschen, die nach Sedlitz kommen, durch den Verein eine erste Anlaufstelle finden“, sagt er. „Dass sie nicht ewig hierbleiben, ist ja normal. Im besten Fall finden sie irgendwo Arbeit oder eine Wohnung. Was wir hier im Verein machen, ist nur eine Art Starthilfe.“

So einfach kann es sein.

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