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Internetzensur: Virtuelles Sperrgebiet

Nun ist es offiziell: Chinas Internet wird während der Olympischen Spiele zensiert. Das IOC ist eingeknickt. Ein Kommentar unseres Peking-Korrespondenten Harald Maass.

Die angereisten Sportler, Journalisten und Funktionär werden nur das lesen dürfen, was Chinas Zensoren ihnen zugestehen. Wer versucht, die Webseite der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, bestimmte ausländische Medien- oder Tibetseiten zu öffnen, bekommt eine Fehlermeldung zu sehen. Dieser Zugang sei "ausreichend", erklärte ein Sprecher des Pekinger Organisationskomitees.

Pekings Vorgehen ist nicht nur ein Bruch des Versprechens, dass Journalisten und Teilnehmer der Olympischen Spiele "freien Zugang" zum Informationen und zum Internet haben würden. Peking stößt auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Weltgemeinschaft vor den Kopf. Ursprünglich hatte die Hoffnung bestanden, dass während der Spiele in ganz China oder zumindest in Peking das Internet geöffnet werde. Nun erlauben die Organisationen nicht einmal im Pressezentrum und an den Sportstätten den freien Informationsfluss.

Wirklich überraschend ist das nicht. Pekings Führer haben in den vergangenen Monaten klar gemacht, dass sich durch Olympia nichts an dem starren System ändern wird. Die politische Unterdrückung nahm sogar zu: Bürgerrechtler, Anwälte und Aktivisten wurden verhaftet oder zwangsweise in andere Provinzen verfrachtet. In Tibet ließ Peking die Unruhen mit Militärgewalt niedergeschlagen und erklärte dann - um keine Zeugen zu haben - das Hochland zum Sperrgebiet für Journalisten.

Das IOC hätte schon lange einschreiten müssen, um den Kontroll- und Überwachungswahn der Pekinger Olympia-Organisatoren zu stoppen. IOC-Präsident Jacques Rogge und seine Funktionäre hätten deutlich machen müssen, dass die Ausrichtung des weltgrößten Sportereignisses zu Werten wie Freiheit und Gerechtigkeit verpflichtet. Stattdessen wählte das IOC den bequemen Weg der "stillen Diplomatie" und nickte alles aus Peking ab. Auch bei der Zensur des Internets knickte es ein. Die Entscheidung sei "bedauerlich", erklärte ein IOC-Funktionär. Seit Moskau 1980 hat die Welt keine so unfreien Spiele erlebt wie nun in Peking. Die Schuld daran trägt das IOC.

Harald Maass[Peking]

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