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Interview: "Arsenals Kader ist zu klein“

Schriftsteller Nick Hornby ist ein Fußball-Experte - und das nicht erst seit seinem erfolgreichen Buch "Fever Pitch". Mit dem Tagesspiegel spricht er über Fußball in England, Jens Lehmann – und seine Angst auf dem Skateboard.

Herr Hornby, heute spielt der FC Liverpool gegen den FC Arsenal, Ihren Lieblingsverein. Jens Lehmann wird dabei wieder nicht im Tor stehen, sondern Manuel Almunia. Tut Ihnen Jens Lehmann leid?

Lehmann hatte einen ziemlich schlechten Start in die Saison. Diese lächerlichen Fehler in den ersten beiden Spielen …

Danach saß er auf der Bank.

Ich sehe nicht, was der Trainer anderes hätte machen sollen. Und Almunia hat keine Fehler gemacht, seit er im Team ist. Ich glaube, die beiden sind eigentlich gleichwertig. Mein Verdacht ist aber: Die Spieler sind glücklicher mit Almunia.

Weil er nicht so verrückt ist wie Jens Lehmann, der jetzt auf einen Fotografen losgegangen ist?

Ja, genau.

Sie als Brite: Was finden sie eigentlich typisch Deutsch an Jens Lehmann?

Seine Verrücktheit assoziiert man ja nun nicht gerade nicht mit dem, was gemeinhin als Deutsch gilt. Außerhalb des Platzes gibt er sich normalerweise relativ gebildet, belesen und bedacht – das könnte man schon als Deutsch betrachten.

Wer ist derzeit ihr Lieblingsspieler?

Mathieu Flamini. Wie er neben Fabregas im Mittelfeld spielt, ist toll. Im Sommer hätte er den Klub noch fast verlassen, und niemand hat sich für ihn interessiert.

Glauben Sie, dass Arsenal dieses Jahr die Champions League gewinnen kann?

Die Chancen stehen schlecht. Dieses Team ist abhängig von seinen ersten elf Spielern. Wenn einer von ihnen verletzt ist, haben sie Probleme. Ihr Kader ist zu klein – im Gegensatz zu dem von Manchester United oder Chelsea. Nur wenn wirklich alle elf Spieler fit sind, haben sie Chancen.

Für einen Fan sind Sie pessimistisch.

Nicht, was die weitere Zukunft angeht. Was Coach Arsène Wenger macht, ist unglaublich. Die Spieler sind alle noch so jung. Und wenn sie zusammen bleiben, kann Arsenal in zwei Jahren ein herausragendes Team werden.

Der Held ihres aktuellen Romans „Slam“ ist ein 15-jähriger Skateboarder namens Sam. Von Ihnen hätten wir eher einen Fußballer erwartet.

Ich dachte auch erst, es würde ein Fußballspieler werden. Aber es fühlte sich für die Figur nicht richtig an. Ich bin mir nicht sicher, ob Jugendliche in seinem Alter noch die gleiche Verbindung zum Fußball haben, wie ich sie damals hatte. Der Sport hat sich sehr verändert. Kinder können eigentlich gar nicht mehr zu Spielen gehen, weil die Karten so teuer geworden sind. Außerdem sind die Stadien ständig ausverkauft, und man braucht Saison-Tickets, um überhaupt einen Platz zu bekommen.

Sam ist ein großer Fan von Tony Hawk, dem berühmtesten Skater der Welt. Er hat ein Poster von ihm in seinem Zimmer und redet manchmal mit dem Bild. Wie kamen Sie ausgerechnet auf Tony Hawk?

Jeder unter 35 kennt Tony Hawk, und niemand über 40 hat von ihm gehört. Leute über 40 haben mich gefragt, ob ich mir diesen Typen ausgedacht habe. Diese Generationslücke hat mich interessiert. Und ich habe tatsächlich ein Tony-Hawk-Poster. Mein Verleger schickte es mir vor einigen Jahren zu. Hawk machte damals bei einer Werbekampagne für amerikanische Büchereien mit und sollte sein Lieblingsbuch aussuchen. Das war „High Fidelity“ …

… Ihr Roman, der 1995 erschien und später verfilmt wurde.

Ich fragte mich: Warum hält dieser Kerl mit dem Sturzhelm mein Buch in der Hand? So hörte ich zum ersten Mal von Tony Hawk.

Wie haben Sie sich diese Skate-Welt erschlossen? Haben Sie selber probiert, Skateboard zu fahren?

Oh, nein. Mein Agent hat mir ein Skateboard überreicht, als ich mit dem Buch fertig war. Ich stand kurz drauf, aber dann hatte ich den Eindruck, dass jeden Augenblick ein schrecklicher Unfall passieren würde. Nein, ich mochte das überhaupt nicht. Aber ich habe Jugendlichen beim Skaten zugesehen, und ich war viel auf Skate-Seiten im Internet unterwegs, wo man sich kurze Clips ansehen kann. Als ich das Buch beendet hatte, habe ich es einem Skater zum Korrektur lesen gegeben.

„Slam“ ist Ihr erstes Buch, das komplett aus der Perspektive eines Teenagers geschrieben ist.

Ich habe mich an mein eigenes Teenagerleben erinnert. Wie ich versucht habe, Mädchen zu treffen, an Drinks zu kommen und Hasch zu rauchen. Laute Musik kam natürlich auch noch dazu. Ich glaube, für die Kinder heute ist es viel schwerer, mal in Ruhe gelassen zu werden. Durch die Technologie sind sie ständig miteinander in Kontakt: Internet, Mobiltelefone …

Sie sind in einer Kleinstadt in Surrey aufgewachsen. Hatten Sie auch ein Poster in Ihrem Jugendzimmer?

Ja, bei mir klebte eines von Charlie George an der Wand.

Ein Arsenal-Spieler. Haben Sie etwa auch mit ihm geredet – so wie Sam mit Hawk?

Nein. Ich glaube, er hätte auch nicht antworten können.

Das Gespräch führten Nadine Lange und Esther Kogelboom.

Nick Hornby, 50,

ist Schriftsteller. Seit er den Roman „Fever Pitch“ veröffentlichte, ist seine Vorliebe für den FC Arsenal weltbekannt. Zuletzt erschien von ihm „Slam“ (KiWi). Hornby lebt in London.

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