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Jürgen Röber in seiner Zeit als Trainer des VfL Wolfsburg.

© dapd

Interview: Auf einen Kaffee mit Jürgen Röber

Jürgen Röber war Trainer bei Hertha BSC und ist dem Verein verbunden verblieben. Die Zweitligasaison der Hertha verfolgt er intensiv. Im Interview spricht er über seine Stationen als Spieler und Trainer - und darüber, was er macht, wenn er gerade nichts macht.

Anruf bei Jürgen Röber. Ehemaliger Trainer von Hertha BSC, Aufstiegsheld. Eigentlich Routine. Wie geht es Ihnen, Herr Röber? Statt eines Freizeichens erklingt "Somewhere over the Rainbow". Jürgen Röber antwortet. Er hat hörbar gute Laune.

Herr Röber, wo erwischen wir Sie gerade?

In Berlin. In meiner Stadt. Also diese Rubrik, ist das nach dem Motto: "Was machen Sie denn noch, so kurz vorm Sterben?". Manchmal habe ich das Gefühl, nach vierzig Jahren als Profi müsste ich mich erklären, warum ich gerade nichts mache.

So ist das gar nicht gemeint. Wir würden nur gerne wissen, wie es Ihnen geht?

Mir geht es gut. Ich bin gerade in meiner Wohnung am Potsdamer Platz. Ich lebe hier, habe meine Wohnung nie aufgegeben.

Wir sitzen ja am Anhalter Bahnhof. Dann hätten wir uns ja auch eigentlich auf einen Kaffee treffen können.

Das stimmt. Wie gesagt, ich bin hier, wir können uns auch gerne treffen. Ist vielleicht besser als am Telefon. Sagen wir, in einer halben Stunde im Hyatt.

Bis gleich, Herr Röber.

Er legt auf. Zwanzig Minuten später. Hyatt Hotel, Potsdamer Platz. Kaminfeuer in der Lobby, in der Männer in Anzügen ihre Gespräche den ausladenenen Sitzecken anpassen. Weltgeschehen im Flüsterton. Kerzenschein.

Jürgen Röber schwingt durch die Tür, wie man ihn von den Seitenlinien der Bundesliga in Erinnerung hat. In seinem Gesicht liegt noch ein leichter Teint als Soevenir von einem Urlaub in den Bergen. Wandern war er, hat zehn Kilo abgenommen. Er streift die Lederhandschuhe ab, bestellt einen Kaffee, wie er es am Telefon versprochen hatte und nimmt, fast beiläufig, den Gesprächsfaden wieder auf:

"Immer fragen mich die Leute, was ich jetzt mache. Dabei ist das ganz einfach: Momentan bin ich viel unterwegs, kann mit meiner Frau reisen, Golf spielen und endlich die Bücher lesen, die ich immer lesen wollte. Das konnte ich sonst nie machen."

Röber hält kurz inne und lächelt. Er hat tatsächlich gute Laune, wirkt tiefenentspannt, als hätte er hier im Hyatt noch kurz einen Yoga-Kurs besucht. Von den Nachbartischen wehen Gesprächsfetzen herüber. Es geht nicht um Fußball. Vielleicht ist Röber deshalb hergekommen. Ins Hyatt, aber auch zurück nach Berlin. Für seinen persönlichen Wellness-Trip abseits des Flutlichts der Bundesliga.
Er scheint die Zeit der fußballerischen Arbeitslosigkeit zu genießen. Röber nickt. Stimmt.

"Ich war fast vierzig Jahre in diesem Geschäft, erst als Profi, dann als Trainer. Ich bin mit dem Fußball ins Bett gegangen und auch wieder mit ihm aufgestanden. Deshalb bin ich einfach froh über ein Jahr wie dieses, in dem ich keine Verpflichtungen habe."

Sie hätten diesen Break aber schon früher machen können. Was hat Sie an dem Beruf des Trainers immer wieder so gereizt?

Das Wichtigste war und ist für mich immer, Spieler und Mannschaften entwickeln zu können, ganz eng mit Talenten zu arbeiten. Aber mittlerweile hast du als Trainer einen Fitnesscoach, einen für die Standards, ein ganzes Team, das dir große Teile der Arbeit abnimmt. Ich weiß, dass man das braucht, aber man muss darauf achten, dass man den Kontakt zur Mannschaft nicht verliert.

Sie sprechen von der Mannschaft als Gesamtes. Welche Rolle spielt dieser Gedanke des eingeschworenen Kollektivs im modernen Fußball?

Eine große. Es muss dir als Trainer gelingen, aus deinen Spielern eine Mannschaft zu formen. Das ist ja auch die Kunst, die Klopp oder Tuchel beherrschen. Das größte Beispiel dafür ist aber José Mourinho, der beste Trainer der Welt. Man kann über den denken, was man will, aber die Spieler gehen für den durch das Feuer. Und das ist die Kunst. Wir waren ja 1997, als wir aufgestiegen sind, auch nicht die spielstärkste Mannschaft, da gab es in der Zweiten Liga bessere. Aber wir waren ein Team. Wir hatten eine Mischung gefunden, in der sich alle gegenseitig respektiert haben.

Sie sprechen immer noch mit viel Leidenschaft von Ihrem Beruf. In den vergangenen Jahren haben Sie in Russland und der Türkei gearbeitet. Wie nah waren Sie zuletzt einer Rückkehr in die Bundesliga?

Ich hätte hier in Berlin arbeiten können. Es gab diesen kolportierten Kontakt. Und es hat mich natürlich gereizt zu Hertha zurückzukehren. Berlin ist immer noch meine Stadt, ich habe in diesem Verein die beste Zeit meiner Karriere erlebt. Aber ich konnte das damals aus persönlichen Gründen nicht machen. Und will auch nicht wieder in den Verein hineingeschrieben werden.

Werden Sie noch einmal bei einem anderen Verein als Trainer arbeiten?

Wenn ich noch mal was mache, dann eher in einer beratenden Tätigkeit.

Ganz ohne Fußball können Sie aber auch nicht.

Nein, natürlich nicht. Ich gehe ja auch noch regelmäßig ins Olympiastadion. Oder auch mal zu Union. Gelegentlich fahre ich sogar nach Wolfsburg. Oder zu anderen Bundesligaspielen. Aber ich warte jetzt nicht jeden Tag auf ein Angebot aus der Bundesliga.

In Berlin hat man Sie in erster Linie als Trainer in Erinnerung, dabei wird oft vergessen, dass Sie über Jahre in der Bundesliga gespielt haben. Bei Bremen, in München und auch bei Bayer Leverkusen. 1985 haben Sie mit Bayer gegen den 1. FC Köln nach einem 2:4 Rückstand noch 4:4 gespielt. Können Sie sich an dieses Spiel noch erinnern?

Kaum, ich weiß nur noch, dass Herbert Waas am Ende noch zwei Tore geschossen und uns damit das Unentschieden gerettet hat.

Köln hat in dieser Saison um die Meisterschaft gespielt, Leverkusen wurde am Ende nur 13. War ein Unentschieden in Derby damals noch ein Erfolg?

Es war ein Erfolg, weil wir den Rückstand noch aufgeholt haben und natürlich war ein rheinisches Derby immer etwas Besonderes. Man muss ja auch bedenken, wer bei den Kölnern alles auf dem Platz stand. Littbarski, Häßler, Schumacher. Aber wir waren trotzdem schon viel näher an Köln dran, als zu Beginn meiner Zeit in Leverkusen und auch näher, als es die zehn Plätze Unterschied vermuten lassen.

Heute spielt Leverkusen oben mit, Köln gegen den Abstieg. Die Kraftverhältnisse am Rhein haben sich komplett verkehrt. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?

Natürlich war Leverkusen damals noch nicht das Leverkusen, das es heute ist. Wir hatten noch das alte Stadion mit der Laufbahn und Rainer Calmund durfte bei den Profis höchstens mal durch die Tür schauen. Das war eine ganz andere Zeit. Aber damals unter Trainer Dettmar Cramer waren wir schon auf dem Weg nach oben. Cramer hatte zu Beginn seiner Zeit in Leverkusen gesagt, dass wir in drei Jahren im Uefa-Cup spielen werden, und die Mannschaft ist immer besser geworden. Mit den Jahren wurde aber dann einfach auch immer professioneller gearbeitet. Nur ging auch das nur Schritt für Schritt.

Sie sind nach vielen Stationen als Spieler und Trainer in Berlin heimisch geworden, leben noch immer hier, fühlen mit Hertha BSC. Wie intensiv verfolgen Sie die Zweitligasaison des Vereins?

Sehr intensiv. Wenn ich in der Stadt bin, verfolge ich fast jedes Heimspiel im Stadion.

Momentan kriselt der Verein. Wie bewerten Sie die Hinrunde bisher?

Ich hab vor ein paar Wochen im Interview gesagt, dass sich Hertha nur selbst schlagen kann. Mit dem Potenzial muss man eigentlich aufsteigen. Aber jetzt haben wir eine Situation, wo die Mannschaft sehen muss, dass sie ganz schnell wieder die Kurve bekommt. Das ist kein Selbstläufer. Aber Markus Babbel weiß das.

Muss Markus Babbel sein System nun ändern?

Das glaube ich nicht. Ich hab auch gelesen, dass Ramos und Raffael auf der falschen Position spielen. Aber das ist zu einfach. Es ist egal, ob ich 4-4-2 oder 4-1-4-1 spielst. Denn es liegt nicht am System, sondern daran, wie die Spieler die Vorgaben des Trainers umsetzen.

Glauben Sie, dass dem Verein der Wiederaufstieg dennoch gelingt?

Das denke ich schon. Einmal, weil ich es hoffe. Und weil ich mir auch nicht vorstellen kann, dass in dieser Stadt und im Verein irgendjemand noch eine zweite Saison in der Zweiten Liga spielen möchte. Und die Mannschaft hat eben dieses Potenzial. Nur muss sie jetzt einfach wieder mehr Gas geben. Es muss auf der Tribüne wieder zu sehen sein, dass die Spieler diesen Aufstieg wollen.

Herr Röber, vielen Dank für dieses Gespräch.

Händeschütteln. Auf Wiedersehen, Herr Röber. Er nickt, verabschiedet sich und bleibt aber im Hyatt. Er will "noch ein bisschen lesen". Die Zeit genießen. Hinter den Fenstern laufen Kinder auf Schlittschuhen. Der Fußball ist wieder weit weg.

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