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Gerhard Treutlein

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Interview: „Bald kein Spitzensport mehr“

Experte Treutlein ist gegen die Absage der Rad-WM in Stuttgart und sieht die Doping-Skandale als Chance.

Herr Treutlein, heute stimmt der Stuttgarter Gemeinderat darüber ab, ob die Rad- Weltmeisterschaft in der Stadt ausgetragen werden soll. Sind Sie für eine Absage?

Ich habe gemischte Gefühle. Wenn man den harten Maßstab, den ARD und ZDF bei der Tour de France angelegt haben, verallgemeinert, kann man bald keine Spitzensportveranstaltung mehr übertragen. Der Radsport ist sicher dopingbelasteter als andere Sportarten. Aber wenn in denen genauso intensiv kontrolliert werden würde wie bei der Tour, gäbe es dort bestimmt auch mehr Dopingfälle.

Sie haben für den Bund Deutscher Radfahrer Maßnahmen zur Dopingprävention ausgearbeitet. Ist Ihre Arbeit nach den jüngsten Skandalen sinnlos geworden?

Die Gefahr, dass meine Arbeit als Alibi missbraucht wird, steigt. Andererseits hoffe ich, dass ich mit den Kräften im BDR, die den Kampf gegen Doping wirklich wollen, Erfolg haben werde. Ab Herbst werde ich mit dem Jugendreferenten des BDR konkrete Maßnahmen bei der Trainerausbildung und der Aufklärung von Jugendlichen erarbeiten.

Als Linus Gerdemann kurz im Gelben Trikot fuhr, stieg die Euphorie in Deutschland wieder. Ändern die Dopingskandale letztlich nichts an der Einstellung der Fans?

Man darf nicht erwarten, dass sich innerhalb von drei Wochen alles ändert. Aber Skandale sind in einer Demokratie immer auch die Chance zur Selbstreinigung. Dazu müssen aber die Medien wie bisher den Druck auf die Verantwortlichen aufrecht erhalten. Ich bin gegen einen völligen Ausstieg aus der Berichterstattung, aber es darf keinen 1:0-Journalismus geben.

Das Gespräch führte Frank Bachner.

Gerhard Treutlein, 66, ist Sportwissenschaftler an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg und Experte für Dopingfragen. Er arbeitet vor allem in der Doping-Prävention.

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