zum Hauptinhalt
311686_0_4015ea22.jpg

© ddp

Interview: Bruchhagen: „Hertha ist eine große Chance für Funkel“

Eintracht Frankfurts Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen spricht im Tagesspiegel-Interview über das Wiedersehen mit dem ehemaligen Eintracht- und jetzigen Hertha-Trainer Friedhelm Funkel.

Herr Bruchhagen, Sie kennen Friedhelm Funkel sehr gut. Welche seiner Eigenschaften wird am meisten verkannt?



Es wird überhaupt keine Eigenschaft von ihm verkannt. Alle, die lang und eng mit ihm zusammengearbeitet haben, zeichnen mit Sicherheit ein sehr ordentliches Bild von ihm. Die, die sich nicht so fundiert mit unserem Geschäft beschäftigen, bewerten ihn vielleicht anders.

Was zeichnet ihn aus?

Seine absolute Verlässlichkeit, seine Konstanz, vor allem aber seine stoische Ruhe.

Sind Sie sicher, dass die nicht gespielt ist?

Ganz sicher. Ich habe ja vor wichtigen Abstiegskämpfen vier, sechs oder acht Stunden neben ihm im Flugzeug und im Bus gesessen. Während ich nachts wach gelegen habe, hat Friedhelm sich im Bus zurückgelehnt und neben mir geschlafen. Ich beneide ihn um diese Eigenschaft.

Vermissen Sie ihn eigentlich?

Nein, ich vermisse niemanden. Friedhelm und ich haben schon vor 40 Jahren gegeneinander gespielt, er in Uerdingen, ich in Gütersloh, und wir haben hier in Frankfurt sehr gut zusammengearbeitet. Aber ich bin nicht mit ihm befreundet. In all den Jahren sind wir nicht ein einziges Mal privat in Frankfurt ausgegangen. Wissen Sie, wann wir uns das letzte Mal gesehen haben? Das war eine Woche, bevor er bei Hertha angefangen hat, bei einem Empfang zu seinem Abschied von der Eintracht. Wir freuen uns, wenn wir uns sehen, aber wir verabreden uns nicht. Wir sind ja keine Kinder.

Bewundern Sie Funkel für seinen Mut, zu Hertha zu gehen?

Hertha BSC ist ein großer Verein, der gerade mal eine tiefe Krise durchmacht. Trotzdem ist es für Friedhelm eine Auszeichnung, diesen Klub übernehmen zu dürfen. Trainieren Sie mal Duisburg, trainieren Sie mal Uerdingen! Für Friedhelm ist das eine großartige Chance.

Und für Hertha?

Es ist schon eine gute Entscheidung gewesen, ihn zu nehmen. Friedhelm ist loyal, unaufgeregt, konstant. Er soll sehen, dass er mit Hertha drin bleibt. Das wird wirklich schwer. Aber Friedhelm wird seine Hausaufgaben machen, er wird sie gut machen, davon bin ich überzeugt.

In Frankfurt haben Sie Funkel immer verteidigt, auch gegen die eigenen Fans.

Das ist einer ganz einfachen Tatsache geschuldet: Wenn ein Trainer Qualität hat, trennt man sich nicht von ihm. Aber in unser Verhältnis wird auch zu viel hineininterpretiert, es war keine Nibelungentreue. Frankfurt hat in den zehn Jahren vor Funkel 16 Trainer gehabt. Die Fans waren es nicht mehr gewohnt, dass ein Eintracht-Trainer eine längere Verweildauer als ein Jahr hatte.

Fühlen Sie sich jetzt bestätigt in Ihrer Haltung zu Funkel?

Das ist alles nur Gebabbel. Felix Magath ist hier in Frankfurt wegen Erfolglosigkeit und fehlender Motivation nach etwas mehr als einem Jahr entlassen worden. Jetzt sagen wieder alle: Magath ist ein ganz toller Trainer. Das ist alles nur dem jeweiligen Tabellenplatz geschuldet ist und ohne substanziellen Hintergrund. Man kann Trainern nicht den Kranz winden, wenn sie oben stehen, und sie als Deppen darstellen, wenn es weniger gut läuft. Ich habe einfach keine Lust mehr, mich daran zu beteiligen. Sportlich wäre es sicher besser, wenn wir dem englischen Vorbild folgen würden. Wie lange hat es gedauert, bis Arsène Wenger mit Arsenal Meister geworden ist? Fast zehn Jahre.

Friedhelm Funkel war der richtige Trainer für die Realität bei Eintracht Frankfurt.

So ist es. Wenn du schon keine große Qualität verpflichten kannst, musst du wenigstens eine Mannschaft mit Charakter haben. Friedhelm Funkel hat vor fünfeinhalb Jahren in der Zweiten Liga Spieler für kleines Geld geholt, von denen heute noch acht bei uns sind und von denen am Samstag in Berlin sechs oder sieben auf dem Platz stehen werden: Russ, Ochs, Spycher, Köhler, Meier, Vasoski. Funkel besitzt die Fähigkeit, Spieler zu formen, die Charakter haben.

Es scheint, als könne sich Funkels Nachfolger Michael Skibbe mit der Realität nicht so leicht anfreunden.

Netter Versuch. Aber Sie können gern Ihr Archiv durchstöbern: Ich habe mich noch nie in irgendeiner Weise zu meinem Trainer geäußert. Trotzdem lese ich jeden Tag, wir hätten ein gespanntes Verhältnis. Wissen Sie, woran mich das erinnert: Meine Töchter haben früher beim Kindergeburtstag immer Stille Post gespielt. So läuft das hier auch im Moment, und es funktioniert glänzend. Ich registriere das mit Schmunzeln und großer Gelassenheit. In 21 Jahren Bundesliga habe ich noch nie während einer Saison einen Trainer entlassen. Friedhelm Funkel ist im Sommer zu mir gekommen und hat gesagt: „Lass uns mal Schluss machen. Das mit den Kritikern nimmt ja überhand.“ Wir haben ihn sogar weiterbezahlt bis zu dem Tag, da er bei Hertha angefangen hat.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false