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Bogenschütze Matt Stutzman bei den Paralympics 2012 in London.

© dapd

Interview: "Ein Sonnenbrand. In London!"

US-Sportler Matt Stutzman über seinen Weg zum Bogenschießen, über sein Ziel, andere Menschen zu inspirieren und über seine Eindrücke von den Paralympics 2012.

Herr Stutzman, Sie sagen, Ihr Ziel ist es, der beste Bogenschütze der Welt zu werden. Haben Sie deshalb einen Weltrekord aufgestellt?

Nein. Das kam folgendermaßen. Ein Freund meinte, er könne mit seinem Gewehr ein Ziel in 90 Metern Entfernung treffen. Ich hielt dagegen und sagte, das kann ich mit meinem Bogen auch. Und vergrößerten wir die Distanz immer mehr, bis wir irgendwann bei 210 Metern waren. Wir haben dann im Internet nachgesehen und festgestellt, dass der aktuelle Weltrekord nur bei 180 Metern lag. Also haben wir bei Guinness angerufen und es offiziell gemacht.

Sie nennen sich selbst den „inspirational archer“, Sie wollen andere inspirieren. Woher beziehen Sie ihre Inspiration?

Ich beziehe meine Inspiration zum großen Teil von meiner Familie. Zu sehen, dass ich mich um sie kümmern kann und gleichzeitig das zu tun, was ich liebe, das Bogenschießen. Das motiviert und inspiriert mich, immer weiter zu machen.

Auf Ihrer Homepage steht, sie haben mit dem Bogenschießen in der Jugend angefangen. Aber in mehreren Videos auf Youtube heißt es, Sie würden das erst seit zweieinhalb Jahren betreiben. Wann kamen Sie wirklich zum Bogenschießen?

Das ist der Verdienst von Dugie Denton. Auf meinem ersten wirklichen Turnier habe ich ihn getroffen und er erzählte mir alles über die Paralympics und was im US-Archery Team getan werden kann. Ich kann mich noch daran erinnern gesagt zu haben, dass ich das nicht tun werde, wenn ich das Equipment von jemand anderem benutzen muss. Er hat erwidert, dass ich mein Eigenes nehmen dürfte. Also sendete ich eine Nachricht an unseren Coach Randi. Sie erklärte mir was ich tun müsste um ins Team zu kommen. Und der Rest ist sozusagen Geschichte.

Wie Sie ja sicher wissen ist das offizielle Motto von London 2012 „inspire a generation“. Sie wollen ebenfalls inspirieren. Ist das etwas Besonderes für Sie?

Eine Menge Menschen, egal ob sie nun eine Behinderung haben oder nicht, beschweren sich über die einfachen Dinge im Leben. Diese sehen wie wir Athleten das überwinden, was wir überwinden. So können sie sich selbst sagen, dass ihr Leben doch nicht so schlecht ist. Ich denke, wenn ich nur einen davon überzeugen konnte, wäre das großartig. Ein Mitglied aus unserem Team, Jerry Shields,  hatte einen Schlaganfall mit 40 Prozent Hirnschaden. Das tötet einen normalerweise. Aber er ist hier mit uns. Wenn du jemanden wie ihn hier siehst, wie er mit allen anderen zusammen schießt, da hoffst du einfach, dass Jemand im Publikum das sieht und sich denkt, „die können das, dann kann ich das auch“.

Es sind Ihre ersten Paralympics. Haben Sie vorher damit gerechnet, eine Medaille zu gewinnen?

Zu Beginn des Turniers sagte ich mir, dass ich hier bin, um eine Medaille zu gewinnen. Aber es ist manchmal wie in einem Football-Viertel. Man weiß nie, wer gewinnen wird. Zum Beispiel war das Viertelfinale gegen Dugie das härteste Match des Wettkampfs für mich, obwohl ich das Finale später verloren habe. Nachdem ich dieses Match hinter mir hatte, dachte ich, jetzt habe ich die Chance auf eine Medaille. Das war der große Traum.

Ihr Bogen ist in den Farben von „Stars and Stripes“ gehalten, der Mittelteil hingegen ist golden lackiert. War das Ihr Ziel bei den Paralympics?

Ich habe ein Mann getroffen, sein Name war Michael Johnson. Er trug bei Olympia goldene Schuhe. Er wollte positiv und an die Goldmedaille denken. Also habe ich mir meinen Bogen golden anmalen lassen, genau dort wo ich ihn mit meinem Fuß halte. Das hat den Grund, dass ich so vor jedem Schuss erst einmal auf den goldenen Teil meines Bogens blicke. Und das erinnerte mich daran, warum ich hier bin.

Nach dem Ranking-Event waren Sie auf Platz Eins der Setzliste. Hat Sie das beruhigt?

Das ist keine Garantie, dass man es ins Finale schafft. Ich habe erst einen Tag später erfahren, dass ich auf Rang Eins war. Aber das beruhigt nicht. Hier kann jeder jeden besiegen, es hängt nur davon ab, wer den ersten Fehler macht.

Ich war 2007 bei den Weltmeisterschaften der Nichtbehinderten in Leipzig und da ging es eher ruhig auf den Rängen zu. Hier war das ganz anders. Wie fanden sie die Atmosphäre in den Royal Artillery Barracks?

Die Anlage ist super. Und auch das Wetter hat gehalten. Ich habe sogar einen Sonnenbrand bekommen. In London! Das an sich verdient schon eine Medaille. Die Atmosphäre ist etwas Besonderes. Du kannst noch so gut sein, wenn du da drin bist, verändert sich alles. Es ist sehr schwer sich darauf vorzubereiten.

Nach Ihrem Sieg im Halbfinale sind Sie aufgesprungen und haben sich sichtlich gefreut. Wie haben sie sich gefühlt?

Ich dachte zuerst ich bekäme Ärger dafür. Nach meinem letzten Pfeil wusste ich, dass der Spanier mich nicht mehr besiegen konnte und ich eine Chance auf Gold hatte. Ich bin aufgesprungen und habe einfach alles vergessen. Das Publikum und vor allem, dass er noch am Schießen war. Da habe ich mich besser wieder hingesetzt. In diesem Moment sind mit mir einfach die Emotionen durchgegangen.

Was sind nun Ihre nächsten Ziele? Fokussieren Sie sich schon auf Rio 2016?

Zunächst sind im November 2013 die Weltmeisterschaften in Bangkok, Thailand. Zwischendrin kommen immer wieder große Turniere. Und dann, ja dann werde ich meine Konzentration auf Rio legen. 

Die Fragen stellte Dominik Prüfer.

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