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Andre Mijatovic, 32, führte Hertha 2011 als Kapitän in die Bundesliga. Nach dem direkten Abstieg wechselte der Kroate zum FC Ingolstadt, der heute in Berlin gastiert.

© dapd

Interview mit Andre Mijatovic: "Hertha verdient mehr als die Zweite Liga"

Der frühere Hertha-Kapitän Andre Mijatovic spricht im Tagesspiegel-Interview über den vermeidbaren Abstieg, den Abschied aus Berlin und seine Rückkehr mit dem FC Ingolstadt am Freitag ins Olympiastadion.

Herr Mijatovic, Sie haben zwei Jahre für Hertha BSC gespielt. Was überwiegt im Rückblick: der Stolz über den Aufstieg und die gute Hinrunde in der Bundesliga? Oder der Schrecken über das letzte halbe Jahr?

Das mischt sich. Ich habe in Berlin anderthalb wunderschöne Jahre erlebt, mit dem Aufstieg, mit der Euphorie, die wir in die Bundesliga mitgenommen haben, mit den 20 Punkten aus der Hinrunde, dem Überwintern im Pokal. Leider haben wir das in der Rückrunde alles verspielt. Das darf Hertha nicht passieren. So ein großer Verein verdient mehr als die Zweite Liga.

Haben Sie überhaupt kapiert, was in der Rückrunde passiert ist?

Es ist schwer, so etwas zu kapieren. Aber ich habe etwas Wichtiges gelernt.

Nämlich?

Der Name, egal wie groß er ist, spielt im Fußball keine Rolle. In der Ersten Liga sind die Unterschiede noch geringer als in der Zweiten. Das ist purer Kampf. Ich glaube, das haben wir zu spät kapiert. Nach 20 Punkten zur Winterpause und dem Viertelfinaleinzug im Pokal haben alle gedacht: Es läuft doch, das wird sich von alleine regeln. Leider war es nicht so. Wir haben alle gesehen, wie schnell so etwas kippen kann. Und als es erst einmal schief lief, hat es niemand mehr stoppen können. Schade.

Sie waren Kapitän. Machen Sie sich Vorwürfe, dass Sie dieser Fehlentwicklung nicht entgegenwirken konnten?

Natürlich ärgert mich das. Der Abstieg war auch für mich persönlich eine Niederlage – weil ich Hertha nach der Relegation als Kapitän eines Erstligisten verlassen wollte. Leider ist mir das nicht gelungen. Aber jetzt kann und muss ich wieder nach vorne schauen. Ich spiele für den FC Ingolstadt. Da habe ich sportlich und privat mein Glück gefunden.

Bei Hertha will niemand mehr über die vorige Saison reden. Das wirkt manchmal wie eine Flucht vor der Verantwortung.

Das kann ich gut verstehen. Mich persönlich hat der Abstieg sehr mitgenommen. Insofern kann ich mir gut vorstellen, was bei den anderen Spielern im Kopf vorgegangen ist, gerade bei denen, die geblieben sind. Vielleicht hat Hertha deshalb in den ersten Spielen noch nicht so richtig gut funktioniert.

Die Mannschaft hat sich lange durch einen starken Zusammenhalt ausgezeichnet. Woran ist der eigentlich zerbrochen?

Wenn es nicht läuft, denkt man immer, in der Mannschaft stimmt irgendwas nicht. Aber das hat keine große Rolle gespielt. In einigen Spielen hat die Mannschaft sogar eine Riesenmoral bewiesen. Nur will das keiner mehr hören, wenn du absteigst. Dann ist alles negativ.

Was war es denn dann?

Es ist für jede Mannschaft schwer, wenn sie in einer Saison drei oder vier Trainer hat. Mit Markus Babbel haben wir richtig gut harmoniert. Seine Entlassung war ein Rückschlag für uns, der Wirbel um seinen auslaufenden Vertrag hat uns zusätzlich belastet. Dann kam Michael Skibbe, und mit ihm hat es überhaupt nicht funktioniert.

Warum nicht?

Ich weiß es nicht. Das gibt es im Fußball, dass du keine Chemie zueinander findest. Auf einmal brennt's, und die Stimmung kippt.

Wie war es mit Otto Rehhagel?

Wir alle dürfen nur positiv über ihn sprechen. Der Mensch Otto Rehhagel hat nichts anderes verdient.

Ob Mijatovic gern in Berlin geblieben wäre?

Freuen Sie sich auf Berlin?

Auf jeden Fall. Ich war zwei Jahre bei Hertha. Das kannst du nicht einfach löschen. Ich freue mich auf Berlin, ich freue mich auf das Wiedersehen mit den Ex-Kameraden und ich freue mich riesig auf das Spiel. Das wird das Top-Spiel der Zweiten Liga. Hertha ist natürlich der Favorit – nicht nur gegen uns, sondern auch auf den Aufstieg.

Ist Hertha stärker als vor zwei Jahren?

Das ist schwer zu vergleichen. Ich glaube, dass die Mannschaft vor zwei Jahren mit Raffael und Pierre-Michel Lasogga, den am Anfang niemand auf der Rechnung hatte, individuell ein bisschen besser war. Aber Hertha hat in dieser Saison einen breiteren und ausgeglicheneren Kader. Außerdem hat die Mannschaft gerade einen Lauf, sie spielt gut, hat sich weiterentwickelt. Das wird schwer für uns.

Welche Rolle spielt Trainer Jos Luhukay?

Aus der Ferne ist das schwer zu beurteilen, aber wenn ich Hertha im Fernsehen spielen sehe, erkenne ich eine Struktur. Ich habe auch nur Positives über ihn gehört, von verschiedenen Leuten. Ich glaube, der Trainer ist ein wichtiger Faktor. Er hatte mit dem Abstieg nichts zu tun, konnte bei null anfangen und wieder gute Stimmung in die Mannschaft bringen.

Wären Sie gerne in Berlin geblieben?

Das ist ja kein Geheimnis. Aber der neue Trainer hatte andere Pläne. Das musste ich akzeptieren, und das akzeptiere ich auch. Es hat mich nicht wirklich geschockt. Man muss daraus auch kein großes Thema machen.

Seitdem Sie in Ingolstadt Stammspieler sind, hat die Mannschaft in neun Spielen nur acht Gegentore kassiert. Das ist nicht die schlechteste Bilanz.

Sie kennen mich doch auch ein bisschen. Ich will mich nicht zu groß machen, ich will mich aber auch nicht zu klein machen. Ich gebe mein Bestes. Einige schätzen das, einige weniger.

Haben Sie sich in Berlin manchmal unterschätzt gefühlt?

Von den Medien bin ich unterschätzt worden, ganz sicher. Ich bin nun mal ein sehr sachlicher, sehr ruhiger Typ. Vielleicht hat das dem einen oder anderen nicht so gepasst. Aber in der Mannschaft und im Verein habe ich großen Respekt genossen. Und das ist für mich das Wichtigste.

Ihnen haben vier Spiele gefehlt, damit sich Ihr Vertrag verlängert. Es schien, als hätte Hertha es nicht unbedingt darauf angelegt.

Das stimmt nicht. Der Verein wollte unbedingt, dass ich spiele, trotz Schmerzen. Aber irgendwann war die Schmerzgrenze überschritten. Da konnte ich wirklich nicht mehr. Das hat mich am Ende die Spiele gekostet.

Auch wenn Sie ein sachlicher Typ sind: Träumen Sie manchmal davon, mit Ingolstadt noch einmal aufzusteigen?

Um Gottes willen! Dieses Wort werden Sie von mir nicht hören. Wenn wir an den Aufstieg denken, sind wir auf dem falschen Weg. Der Verein hat zwei turbulente Jahre hinter sich, da sollte man lieber ein bisschen Demut zeigen.

Ingolstadt ist in dieser Saison immerhin auswärts noch ungeschlagen.

Die gute Auswärtsbilanz ist ein Ausdruck der Entwicklung, die unsere Mannschaft gerade macht.

Wie meinen Sie das?

Wir sind noch nicht so weit, dass wir alles spielerisch lösen können, aber wir stehen kompakt, sind in der Defensive gut organisiert und haben schnelle Leute, die gut kontern können. Das kommt uns in Auswärtsspielen zugute. Natürlich haben wir auch einige Male viel Glück gehabt. Aber wenn wir unsere Leistung abrufen, ist es schwer gegen uns.

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