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Interview zum Vorwurf der Steuerhinterziehung: Welche Strategie verfolgt Uli Hoeneß?

Der FC Bayern-Boss hat sich in einem Interview ausführlich zum Vorwurf der Steuerhinterziehung und seiner persönlichen Situation geäußert. Ziel des sorgfältig arrangierten Glaubwürdigkeitsszenarios ist nicht die Justiz - sondern das breite Publikum.

Vor ein paar Tagen noch wollte er sich nicht äußern, „schwebendes Verfahren“, hieß es, ihm liege zwar „vieles auf der Zunge“ , aber er müsse erst mit den Behörden seine „Hausaufgaben“ machen. Nun hat er die „Zeit“ mit einem großen Interview beschenkt, in dem er neben einem ersten Uli Hoeneß noch einen zweiten und einen dritten präsentiert: Der zweite ist der Privatmann, ein Freund „klassischer Geldanlage“. Und der dritte ist der, „der dem Kick nachgejagt ist“.

Hoeneß, der adrenalingetriebene Zocker, der mit seinem Börsenpager und Millionen auf einem Schweizer Konto an der Steuer und offenbar auch seiner eigenen Vernunft vorbei auf Kurse wettete, gewann und verlor. Er sieht sich mittlerweile als kuriert, aber der zum Interview mitgebrachte Sohn entlarvt dies wie bestellt als eine für Süchtige typische Selbsttäuschung: „Ich darf sagen, dass die Familie dies ein bisschen anders sieht.“

Wen soll diese in ein sorgfältig arrangiertes Glaubwürdigkeitsszenario eingebettete Botschaft vom kranken Mann erreichen? Weniger die Staatsanwälte. Seine Leidenschaft, auch wenn sie Krankheitswert gehabt haben sollte, dürfte für die Ermittlungen und eine mögliche Anklageerhebung keine Rolle spielen; erst bei der Strafzumessung könnte das relevant werden, aber wohl auch dort nur am Rande. So lesen sich seine Worte wie eine vorgezogene Bitte um Milde, nicht nur des richterlichen, sondern vor allem des öffentlichen Urteils.

Die notwendigen Zutaten – Geständnis, Zerknirschung und Erklärungen – liefert der medienerfahrene Vereinschef erwartungsgemäß. Es fehlt auch nicht der von prominenten Verdächtigen häufig hervorgebrachte Mitleidsappell aufgrund des erdrückenden Publikumsinteresses („Da begann die Hölle für mich“). Zugleich wird deutlich, dass der Beschuldigte weiter auf unschuldig plädiert: Er sei überzeugt, dass er mit seiner Anzeige reinen Tisch gemacht habe und diese wirksam sei. „Unmoralisch“, nennt er seine Taten, nicht aber strafbar.

Das ausführliche Gespräch weist allerdings auch Indizien auf, dass er daran zu zweifeln beginnt. So teilt die Zeitung vermutlich auf Hoeneß’ Veranlassung mit, die von ihm mit der strafbefreienden Selbstanzeige beauftragten Fachleute – ein Steuerberater, ein Steuerfachmann und ein Wirtschaftsanwalt – hätten „möglicherweise einen folgenschweren Fehler“ gemacht, weil den Behörden nur die Jahresendstände des Kontos angegeben worden seien, nicht aber die relevanten Kontovorgänge innerhalb des Jahres. Auch Hoeneß selbst betont, er selbst habe auf den Kontostand „nie draufgeschaut“. Und: „Sollte es Fehler gegeben haben, habe ich diese nicht persönlich begangen".

Hoeneß hätte das Risiko einer unvollständigen Selbstanzeige ausschließen können

Eine wirksame Selbstanzeige setzt nach deutschem Recht voraus, dass unrichtige Angaben berichtigt, fehlende nachgeholt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge immerhin insoweit vollständig, als dass die Finanzämter den Sachverhalt ohne langwierige Nachforschungen aufklären und die Steuer richtig festsetzen können. Eine „gestufte“ Selbstanzeige mit korrigierten Grundangaben und späteren Ergänzungen ist nicht vorgesehen; sie wird zwar gelegentlich von den Behörden akzeptiert, gilt aber immer als Risiko.

Ein Risiko, das Hoeneß wohl hätte vermeiden können. Schließlich hatte er selbst zu Protokoll gegeben, zunächst auf das Steuerabkommen mit der Schweiz gewartet zu haben. Damit hätte er seine Schuld unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle begleichen können. Es scheint also einige Zeit vergangen zu sein, in der Hoeneß sich mit seinem Selbstvorwurf herumquälte; sinnvollerweise hätte er in dieser Zeit seine Selbstanzeige fachkundig in einer Weise vorbereiten lassen können, die spätere Probleme minimiert. In der „Zeit“ wird dazu der Hinweis gegeben eine genaue Dokumentation der Kontostände hätte bei Schweizer Banken „einige Wochen“ gedauert. Vielleicht hatten seine Berater vergessen, diese anzufordern, vielleicht stand Hoeneß unter großem Druck und wollte nicht länger warten; man weiß es nicht.

Hoeneß hat bis zu einem rechtskräftigen Urteil als unschuldig zu gelten. Dass er allerdings nach einem Haftbefehl nur gegen die Rekordkaution von fünf Millionen Euro auf freiem Fuß blieb, bestätigt die Schwierigkeiten. So war es plausibel, dass Hoeneß seine Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit nun aufgibt. Der Kampf mit der Justiz findet unter für ihn ungünstigen Vorzeichen statt; die Gunst des Publikums jedoch hat er noch nicht verloren.

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