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Sport: IOC-Präsident: Der Doktor: Jacques Rogge gilt als Favorit bei der Wahl zum IOC-Präsidenten

Der Belgier Jacques Rogge, ein Orthopäde, ist ein hübscher Mann. Er hat schwarze Haare und das smarteste Lächeln aller Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees.

Der Belgier Jacques Rogge, ein Orthopäde, ist ein hübscher Mann. Er hat schwarze Haare und das smarteste Lächeln aller Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees. Sein Charme begeistert die Frauen. Schade nur für den Doktor, dass zum Alt-Herren-Klub IOC kaum Frauen gehören. Dennoch gilt er als Favorit, wenn am Montag der neue IOC-Präsident gewählt wird. Rogge kann Rugby spielen. Segeln kann er auch. In der niedlichen Finn-Klasse. Er schwärmt voller Poesie davon, wie es ist, "dieses großartige Boot" zu beherrschen. Rogge segelte dreimal bei Olympia mit.

Inzwischen ist Rogge 59, er hat sich eine Machtposition erkämpft als Präsident der Nationalen Olympischen Komitees in Europa. 1991 wurde er Mitglied im IOC, 1998 ins Exekutivkomitee gewählt, den innersten Zirkel. Im IOC war Rogge verantwortlich für die Organisation der Spiele 2000 in Sydney. Ein australischer Reporter schwärmte damals: "Er ist ungewöhnlich für das IOC. Er hat mich, soweit ich weiß, niemals angelogen, selbst wenn es ihm genutzt hätte, auf die Wahrheit zu pfeifen." Beobachter haben auch nicht übersehen, dass Rogge den Aboriginies bei der Eröffnungs- und Schlussfeier einen besonderen Platz einräumte.

Ich selbst habe den Doktor im letzten Jahr für eine Fernsehdokumentation in seinem Operationssaal mit der Kamera besucht. Als gerade die letzte Nadel in das Knie eines Sportlers gestochen wurde, klingelte das Telefon. Rogge entledigte sich seiner Handschuhe. "Guten Tag, Herr Präsident, jaja, das neue Olympiastadion." Als Juan Antonio Samaranch seine Anweisungen durchgab, drehte sich Rogge um und blinzelte in die Kamera: "Er ist der einzige Mensch, der direkt in den Operationssaal durchgestellt wird." Nun will Rogge der Nachfolger des Spaniers werden.

Rogge unterwarf sich der Parteilinie, als der Bestechungsskandal um die Vergabe der Winterspiele 2002 nach Salt Lake City ausbrach. Allzu bereitwillig hatten die Bewerber verschiedenen IOC-Funktionären Gutes getan (siehe auch nebenstehenden Beitrag über den Kandidaten Kim Un Yong). "Wir haben den Verdacht des Betrugs, aber keinen konkreten Beweis", sagte er 1999, als das IOC dazu gedrängt werden musste, einzugreifen. Und wieder war er loyal, als Samaranch versuchte, die Kontrolle über die Dopingkontrollen zu gewinnen. Rogge tourte durch Europa und beredete Sportminister, sie sollten beim Ausmisten dem IOC vertrauen. Er blieb dabei, als er um Stimmen für seine Wahl warb. "Liebe Regierungen", appellierte er im März, "unterlassen Sie es, dem Sport Anweisungen zu geben."

Mit seiner Wahlkampagne imitiert Rogge seine Rivalen. Er sagt, er will den "Grundwerten des Sports" dienen und das Doping bekämpfen. Doping, Korruption, Gewalt, Rassismus, Kommerzialisierung. Alle sagen diese Sachen, doch das ständige Wiederholen macht sie sinnlos.

Der Doktor folgte Samaranch auf allen Wegen. Als Dokumente die Dopingpraxis der DDR offenlegten, suchte sich Samaranch Rogge aus, um kund zu tun, dass saubere Athleten nicht die Medaillen der gedopten Steroid-Kämpfer zugesprochen bekommen. John Leonard, eine gewichtige Stimme in Amerikas Schwimmsport, bezeichnete Rogge daraufhin als "dumm, ungerecht und willkürlich."

Es sieht so aus, als sollten wir einen IOC-Präsidenten bekommen, der mit Vorsicht überlebt hat. Rogge ist nicht der Mann, der das IOC von korrupten Mitgliedern säubern kann, die vom Skandal um Salt Lake City übrig geblieben sind. Doch auch er müsste wissen: ein weiterer Skandal kann die Organisation das Leben kosten.

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