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Sport: Irgendwo in Afrika

Berti Vogts wird am 1. März neuer Nationaltrainer in Nigeria

Es ist nicht bekannt, ob Berti Vogts vorige Woche noch einmal ins Grübeln gekommen ist. Vogts führte mit dem nigerianischen Fußballverband geheime Verhandlungen über ein Engagement als Nationaltrainer. Seine Gesprächspartner nahmen die Geheimhaltungspflicht offensichtlich so ernst, dass die BBC bereits vorab vom Interesse der Afrikaner berichten konnte. „Etwas überrascht“ war Vogts darüber, aber seine Verblüffung hat ihn nicht daran gehindert, bei den Nigerianern einen Vertrag als Nationaltrainer zu unterzeichnen. Das bestätigte Vogts gestern der Bild- Zeitung. Am 1. März tritt der 60-Jährige sein neues Amt an, der Vertrag läuft bis zur Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika.

Vogts, der seit zwei Jahren ohne Anstellung als Trainer war, soll immerhin so renommierte Kollegen wie den Franzosen Philippe Troussier und den ehemaligen schwedischen Nationalcoach Sven-Göran Eriksson ausgestochen haben. Für den Mann aus Kleinenbroich am Niederrhein ist es bereits die vierte Stelle als Nationaltrainer. Zwischen 1990 und 1998 war Vogts Bundestrainer, mit der deutschen Nationalmannschaft holte er auch seinen einzigen Titel als Trainer: 1996 bei der Europameisterschaft in England. 2001/02 coachte Vogts für sechs Monate Kuwait, ehe er ein Angebot des schottischen Fußballverbandes annahm. Im November 2004, nach einem erfolglosen Start in die WM-Qualifikation, wurde er entlassen.

Dass Vogts ein Fachmann ist, bestreiten nicht einmal seine Gegner, trotzdem waren seine Jobchancen in Deutschland zuletzt eher mau. Vogts gilt als verbissen bis verbittert. „Ich bin halt der Berti“, hat er selbst einmal über sein Image gesagt. In Nigeria kann sich Vogts nun neu beweisen – mit einer Mannschaft, die sich ebenfalls neu beweisen will. Nach drei WM-Teilnahmen hintereinander fehlte Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, bei der Weltmeisterschaft in Deutschland. Weil sie zu Hause nur 1:1 gegen Angola spielten, verpassten die Nigerianer die Qualifikation.

Seit Mitte der neunziger Jahre gilt Nigeria als stärkste Fußballnation des Kontinents. Als Brasiliens Fußballstar Pelé vor zehn Jahren die Prognose wagte, dass ein afrikanisches Team vielleicht schon 2006 Weltmeister werde, hat er in erster Linie an Nigerias Super Eagles gedacht. In der Tat hat kein anderes Team aus Afrika ähnliche Erfolge errungen: Erstmals machten dieNigerianer 1996 bei den Olympischen Spielen auf sich aufmerksam, als sie die Goldmedaille gewannen.

Dem großen Potenzial zum Trotz: Die entscheidende Frage war stets, ob es dem jeweiligen Nationaltrainer gelang, Zugang zu den Spielern zu finden, die fast ausnahmslos in Europa beschäftigt sind. „Starkult gehört bei ihnen ebenso zum Geschäft wie die Arroganz, den Gegner im Zweifelsfalle nicht nur besiegen, sondern auch demütigen zu wollen“, sagt der südafrikanische Sportjournalist Mark Gleason. Es ist eine Unart, die den Fußballern aus Westafrika bereits mehrfach größere Erfolge vermasselte. 1:0 führten sie zum Beispiel bei ihrer ersten WM 1994 in den USA gegen Italien, das nach einem Platzverweis nur noch zehn Spieler auf dem Feld hatte. Die Nigerianer hätten die letzten Minuten nur noch den Ball kontrollieren müssen. Stattdessen wollten sie die Italiener am Nasenring durch die Arena führen. In der Schlussminute trafen die Italiener zum 1:1 – und in der Verlängerung gewannen sie das Spiel noch.

Laut Gleason fehlt es in Afrika an Organisation und Vision. Noch immer fließt kaum Geld in die Nachwuchsförderung. Die Mischung aus dunkler Verbandsmacht und hohen Erwartungen verhindert kontinuierliche Trainerarbeit. Auch in Nigeria brauchen Trainer und Funktionäre vor allem politische Kontakte. Und wer dann nicht schnell die Erwartungen seiner Gönner erfüllt, wird ebenso rasch wieder gefeuert. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum Vogts seinen Wohnsitz in Deutschland behalten will.

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