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Prämiertes Duo. Bergthór Eggertsson und sein Islandpferd.

© Agentur DK

Islandpferde-WM in Berlin: Schwebende 143 Zentimeter

Bergthór Eggertsson ist mit seinem Pferd Lótus frá Aldenghoor amtierender Weltmeister im Rennpass und startet an diesem Sonntag bei der Islandpferde-WM in Berlin, um seinen Titel zu verteidigen. Ein Besuch auf seinem Hof in Brandenburg.

Ihren Hof haben sie, zu seinen Ehren, nach ihm benannt. Aber dann war mit der Sonderbehandlung auch schon wieder Schluss. Lótus frá Aldenghoor steht auf einem Paddock wie alle hier, die Kameraden in Sicht- und Wieherweite. Ein wuscheliger Schopf dunkler Mähne verdeckt lässig sein linkes Auge, das rechte guckt interessiert. Wenn man seine Statur betrachtet, schlank und muskulös, dann ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass dieses kleine Pferd, das so ruhig in der Sommerhitze steht, schnell sein kann wie der Wind. Lótus frá Aldenghoor, 19 Jahre alt, ist amtierender Weltmeister im Rennpass. 100 und 250 Meter sind seine Spezialität.

Wenn in der kommenden Woche die Islandpferde-Weltmeisterschaften auf der Berliner Trabrennbahn Karlshorst ausgetragen werden, ist auch Lótus wieder dabei. Als Favorit. Sein Besitzer und Reiter Bergthór „Beggi“ Eggertsson hat fest vor, den Titel zu verteidigen. An den Start geht er allerdings für Island. Er würde auch für Deutschland reiten, wenn das Land ihm eine doppelte Staatsbürgerschaft erlaubte. Tut es aber nicht.

Als Abiturient kam Beggi Eggertsson 1993 aus Nordisland nach Deutschland, gemeinsam mit Freunden wollte er ein paar Monate bleiben, Land und Leute kennen lernen, was er tat: Er traf seine spätere Frau Vicky – und blieb. Beide verband die große Liebe zu Islandpferden und bald machten sie sich in der Nähe von Hamburg mit ihrem ersten Hof selbstständig, der Bezahlbarkeit des Landes wegen zogen sie schließlich nach Brandenburg.

Lótus frá Aldenghoor stieß 2003 zur Familie. Den schönen Namen trägt er nicht wegen adliger Abstammung, sondern weil es bei Islandpferden so üblich ist, dass sie den Namen des Gestüts erhalten, auf dem sie geboren wurden. Lótus stammt aus den Niederlanden, aus dem Stall Aldenghoor.

Beggi Eggertsson brauchte nur einen Blick auf das kleine Pferd zu werfen um zu wissen, dass er einen großen Sportler vor sich hatte

Als der Wallach verkauft werden sollte, rief ein Bekannter bei Beggi Eggertsson an. Der brauchte nur einen Blick auf das kleine Pferd zu werfen um zu wissen, dass er einen großen Sportler vor sich hatte, ein Naturtalent. Im Gegensatz zu „normalen“ Reitpferden können Islandpferde nicht nur im Schritt, Trab und Galopp gehen, sondern sie verfügen noch über weitere, besondere Gangarten. Den Tölt zum Beispiel, einen zackigen Viertakt. Oder den Pass, bei dem sich immer Vorder- und Hinterbein einer Seite gleichzeitig nach vorn oder hinten bewegen. Zwischendurch berührt kein Huf den Boden, was als Flugphase bezeichnet wird und im schnellen Pass tatsächlich so aussieht, als schwebe das Pferd. Tatsächlich werden die kleinen Pferde auf den kurzen Strecken beeindruckende 50 Kilometer pro Stunde schnell.

Alle Islandpferde gehen Tölt. Pass hingegen kann nicht jedes, Rennpass schon gar nicht, weswegen es kein Wunder ist, dass die Gangart in Island als „Königsgangart“ bezeichnet wird und ein Weltmeistertitel demzufolge das höchste der Gefühle ist.

„Man fördert nur die Pferde, die Rennpass können“

„Man fördert nur die Pferde, die Rennpass können“, erklärt Beggi Eggertsson. Das entspricht der ganzen Islandpferdesport-Philosophie, bei der das Wohlbefinden des Tieres im Vordergrund steht. Bei der Weltmeisterschaft gibt es keine Geldpreise zu gewinnen, „es geht nur um die Ehre“, sagt Eggertsson. „Deswegen gibt es in unserem Sport auch keine Dopingprobleme.“ Natürlich werden Kontrollen durchgeführt, wie bei anderen internationalen Turnieren auch. Nur: wo kein schicker Sportwagen als Gewinn lockt, keine zigtausend Euro, da lohnt das Betrügen gar nicht erst.

Damit Lótus in Form bleibt, muss er täglich – mit Ausnahme so kurz vor der WM – rund 20 Kilometer laufen. Nicht immer wird er dabei geritten, manchmal fährt Beggi Eggertsson mit dem Rad und Lótus läuft nebenher. Es spricht nicht nur für den braunen Wallach, sondern für Islandpferde allgemein, dass sie so etwas ohne mit den Wimpern zu zucken mitmachen. Beggi Eggertsson kann viel über den guten und ausgeglichenen Charakter der Tiere erzählen, was sich knapp zusammenfassen lässt: Sie sind echt gute Kumpels. Die Sportler unter ihnen sind auch Freizeitpferde und anders herum. Obwohl sie relativ klein sind, zwischen 130 und 150 Zentimeter hoch, können sie ohne Mühe Erwachsene tragen, so schlanke wie Beggi Eggertsson sowieso. Der misst 1,81 Meter, Lótus nur 1,43 Meter.

Eine kleine Sonderbehandlung bekommt der übrigens doch. Von Zeit zu Zeit fährt ihn Eggertsson nach Dänemark, zum Schwimmtraining. Für ein paar Wochen bleibt er dann dort, strampelt durch runde und gerade Becken und kehrt gestärkt und motiviert – Eggertsson sagt, man merke ihm das an – nach Brandenburg zurück.

Aus Skandinavien kommt auch die stärkste Konkurrenz bei dieser WM, doch sogar aus den USA sind zu dieser Gelegenheit Reiter mit ihren Pferden eingeflogen. Zwei Wochen vor Beginn des Turniers haben sie bei Eggertssons auf dem Lótushof Quartier bezogen. Islandpferde sind die einzige Rasse, für die eigens eine Weltmeisterschaft ausgerichtet wird.

Allein die Teilnehmer, die aus Island anreisen, müssen ohne ihre Pferde zurückkehren. Ein Pferd, das die Insel einmal verlässt, darf nicht zurück. Das ist zwar ein bisschen traurig, aber: Einen festlicheren Abschied als eine Weltmeisterschaft kann man sich wohl kaum wünschen.

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