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Sport: Ist so heiß der Winter

Wegen des Klimawandels fällt immer weniger Schnee – die Skiorte behelfen sich mit künstlicher Kälte

Berlin. Michael Huber macht sich keine Sorgen. Zumindest spricht er nicht darüber. Es klingt trotzig, wenn er sagt: „Heuer haben wir das 64. Hahnenkammrennen. Und wir sehen dem 100. locker entgegen.“ Huber ist Generalsekretär des Kitzbüheler Skiclubs, der das härteste Abfahrtsrennen des alpinen Ski-Weltcups organisiert. Die Streif liegt gerade mal auf 760 Metern Höhe. Wenn die Vorhersagen der rund 2000 Klimaexperten stimmen, die im International Panel on Climate Change im Auftrag der Vereinten Nationen (UN) die globale Erwärmung erforschen, dann könnte jedes Hahnenkammrennen das letzte gewesen sein.

Erst Anfang Dezember haben Rolf Bürki, Hans Elsasser und Bruno Abegg im Auftrag des UN-Umweltprogramms (Unep) eine neue Studie über die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die Wintersportorte der Welt vorgelegt. Bürki und seine Kollegen von der Universität Zürich rechnen damit, dass sich die Schneegrenze in der Schweiz und Österreich in den kommenden 30 bis 50 Jahren um 200 bis 300 Meter nach oben verschieben wird. Bürki schreibt in der Studie: „Viele Skigebiete, vor allem die traditionellen, niedriger gelegenen in Europa, werden entweder unfähig sein, noch Skipisten anzubieten oder zusätzliche Kosten für die künstliche Beschneiung aufbringen müssen, die sie wirtschaftlich ruinieren könnten.“

Solche Nachrichten können Michael Huber allerdings nicht schrecken. Schließlich habe Kitzbühel das Hahnenkammrennen 1931 zum ersten Mal veranstaltet, um eine skeptische Öffentlichkeit von den Qualitäten des Skigebiets zu überzeugen. „Schon damals ist gesagt worden, auf der Höhe kann man nicht Ski fahren.“ Außerdem seien gerade die jüngsten Winter sehr schön gewesen. Die klassischen Skifahrmonate seien eben nicht November und Dezember, sondern Januar und Februar. Huber sagt: „Wir fahren Ski bis Mai.“

Die Studien, die seit Mitte der 90er Jahre davor warnen, dass Kitzbühel seinen Status als Wintersportort wegen des Klimawandels verlieren könnte, hält Huber für „populistisch“. Es gebe auch Forscher, die „eine neue Vergletscherung der Berge vorhersagen“, betont er. „Wir blicken positiv in die Zukunft.“ Das muss Huber wohl auch. Schließlich hat kaum ein Ort in Österreich mehr Geld für Schneekanonen ausgegeben als Kitzbühel.

Huber ist nicht der Einzige, der die Warnungen vor den Folgen des Klimawandels nicht sonderlich bedrohlich findet. Auch der Welt-Skiverband Fis nimmt die Studie gelassen. „Wir sehen die Sache nüchtern. Schließlich sind wir ein Freiluftsport“, sagt Christian Knaut, Fis-Marketing-Chef, wenn er auf die vielen abgesagten Skirennen dieses Winters in den europäischen Alpen und Mittelgebirgen angesprochen wird. Zudem hätten die meisten Wintersportorte reagiert, indem sie Beschneiungsanlagen gebaut hätten. „Das war für uns die wesentliche Veränderung der vergangenen Jahre“, sagt Knaut. In der Schweiz werden inzwischen sechs Prozent der Skipisten mit Schneekanonen beschneit, in Italien 20, in Österreich sogar 35 Prozent. Auch in Bayern machen auf acht Prozent der Pisten Beschneiungsanlagen den Winter.

Allerdings nützen nicht einmal Schneekanonen, wenn es zu warm wird. Damit die Pisten weiß bleiben, muss das mit starkem Druck aufgesprühte Wasser zumindest gefrieren können. Außerdem sind die Anlagen nicht nur in der Anschaffung teuer. Um eine Schneehöhe von 30 Zentimeter zu erzeugen, verbraucht eine Beschneiungsanlage eine Million Liter Wasser pro Hektar. Dafür werden ganze Bäche umgeleitet oder künstliche Seen angelegt. Große Anlagen verbrauchen in einer Saison von rund drei Monaten mehr als 500 000 Kilowattstunden Strom.

Bis eine Schneekanone abgeschrieben ist, muss sie 15 Jahre lang in Betrieb gewesen sein. Doch um Urlaubern und der Fis Schnee garantieren zu können, haben sich viele niedriger gelegene Wintersportorte in Europa und den USA für die künstliche Beschneiung entschieden. Trotz des Schneemangels im Dezember und der Verschiebung von vier Skirennen hätten alle Wettbewerbe stattfinden können, betont deshalb Christian Knaut. Die Damen-Weltcuprennen, die am vergangenen Wochenende in Laax in der Schweiz geplant waren, wurden wegen Schneemangels kurzerhand nach St. Moritz verlegt.

Und dann gibt es ja auch noch Skihallen, die Wintersport auch im Flachland möglich machen. Zwar sagt Knaut, derzeit werde lediglich darüber diskutiert, ein frühes Skirennen in den Niederlanden in einer Skihalle zu veranstalten, allerdings nur „um einem skibegeisterten Publikum hochkarätige Wettbewerbe an Orten zu zeigen, an denen es keine Berge gibt“. Allerdings haben viele Ski-Kader den Wechsel in die Halle zumindest für das Training der technischen Disziplinen wie Slalom längst vollzogen. Aber Knaut weiß auch: „Für Abfahrten geht das nicht.“

Glaubt man der neuesten Studie, werden die Menschen den Winter immer seltener in den Wintersportorten erleben. Autor Bürki schreibt sogar, dass es in vielen Skiorten Italiens künftig nur noch selten Winteratmosphäre, „also Schnee“, geben wird. Der Umweltbeauftragte des Deutschen Skiverbandes, Tobias Luthe, wiegelt ab: „Die Unep-Studie ist sehr überspitzt formuliert.“ Vorläufig beschäftigt sich der Verband mit den Umweltfolgen der Schneekanonen. Welche Schlüsse der Skiverband aus seiner groß angelegten Forschungsarbeit zieht, will Luthe allerdings noch nicht verraten. Damit möchte der Skiverband lieber bis nach der Saison warten.

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