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Italien: Das hässliche Gesicht des Fußballs

Nach dem Tod des Polizisten Filippo Raciti kochen die Emotionen hoch: Die Italiener wollen endlich entschlossener etwas gegen Gewalt in Stadien tun. Gesetze für mehr Sicherheit gibt es schon lange - doch wurde bisher eher zugeschaut als gehandelt.

Catania/Rom - Als der Sarg mit dem Polizisten Filippo Raciti vor dem Dom im sizilianischen Catania eintrifft, ist es die Stunde der Trauer, die Stunde der großen Gefühle. Mehrere Minister aus Rom sind gekommen, Tausende Tifosi haben sich bei strahlendem Sonnenschein vor der Kirche versammelt. "Die Familie des italienischen Fußballs ist im Schmerz vereint", vermerkt ein TV-Kommentator nicht ohne Pathos. Ganz Italien schwört sich, jetzt müsse Schluss sein mit der Gewalt beim Fußball. Doch ob die Trauer diesmal tatsächlich zu entschlossenem Vorgehen führt, bleibt abzuwarten - bisher waren solche Anläufe stets vergeblich. "Wer stoppt die Barbaren?", fragt die römische Zeitung "La Repubblica".

Seit Jahren stehen Sicherheitskräfte, Regierungen und Justiz der Mischung aus Rassismus und Gewalt im italienischen Fußball hilflos gegenüber. Während andere Länder wie Großbritannien und Deutschland das Problem der Hooligans mehr und mehr in den Griff bekommen, herrscht in Italien eine Mischung aus Machtlosigkeit und Schlendrian. "Krieg im Stadion" titeln die Zeitungen dieser Tage. Im Ausland hat man gerne über das italienische Treiben hinweggesehen - tatsächlich ist der Terror der "Ultras" immer größer geworden. Hakenkreuze, KZ-Sprüche und Molotow-Cocktails gehören fast zum Alltag - mehrere Regierungen sind mit Gegenmaßnahmen gescheitert.

"Das Spektakel muss weitergehen"

Auch diesmal brechen bereits drei Tage nach der tödlichen Randale von Catania zwischen Fußballvereinen und den staatlichen Sicherheitsbehörden erste Risse auf, die nichts Gutes ahnen lassen. Während Innenminister Giuliano Amato dem Fußball eine längere Zwangspause verordnen und seine Polizisten nicht mehr in den Hexenkessel der Stadien schicken will, geben die Spitzenleute der Liga eine ganz andere Parole aus: "Wir sind erschüttert, aber das Spektakel muss weitergehen", fordert Liga-Präsident Antonio Matarrese. Schon am nächsten Wochenende sollen die Stadien wieder geöffnet werden - "auch aus wirtschaftlichen Gründen", wie die römische Zeitung "La Repubblica" vermerkt.

Erst im Jahr 2005 hatte - nach schwersten Unruhen und Krawallen - die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi ein Gesetz erlassen, das die Stadien sicherer machen sollte. Kern des Gesetzes: Videoüberwachung, Eintritt nur mit personalisierten Eintrittskarten sowie Präsenz von Ordnern in den Fankurven. Doch jetzt berichten Zeitungen, dass nur die allerwenigsten Stadien solche Maßnahmen verwirklicht haben. Höchstens sechs Stadien hätten sich die Mühe gemacht, den Forderungen des Gesetzgebers nachzukommen.

Eher zugeschaut als gehandelt

Tatsächlich haben die Fußball-Verantwortlichen lange Zeit eher zugeschaut als gehandelt, oftmals paart sich die dumpfe Gewalt mit rechtsradikalem politischen Einschlag. Allzu lange wurde der braune Sumpf nicht Ernst genommen. "Auschwitz ist Eure Heimat, die Öfen sind Euer Haus." Dieser ungeheuerliche Spruch war schon 1999 in der Fankurve des römischen Spitzenclubs Lazio zu lesen; es gab nur ein paar empörte Kommentare, sonst geschah aber zunächst nichts. Nur die jüdische Gemeinde forderte ihre Mitglieder damals auf, nicht mehr ins Stadion zu gehen; die Spieler aber verbeugten sich brav vor den Fankurven.

Die Crux: Auch sichere Stadien würden kein Ende der Gewalt garantieren. Denn die schlimmsten Exzesse geschehen in aller Regel erst nach dem Spielabpfiff auf der Straße. "Wenn ein Flugzeug entführt wird, jagt man doch auch den Entführer und schließt nicht den Flughafen", meinte ein Vereinsführer. Fragt sich nur, ob Regierung und Fußball-Verantwortliche diesmal entschlossener vorgehen. (Von Peer Meinert, dpa)

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