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Gianluigi Buffons Latten-Jubel nach dem Sieg über Spanien.

© imago/Uwe Kraft

Italien im EM-Viertelfinale: Gianluigi Buffon: Der Vater der Null

Es ist, als würde Italiens Keeper sagen: "Ich bin es, Buffon, der Ein-Mann-Catenaccio. Ihr kommt hier nicht rein." Deutschland wird es schwer haben.

Manuel Neuer ist der beste Torwart der Welt, aber er ist kein Torwart. Zumindest nicht nur, denn er ist zugleich auch Defensivstürmer, falsche Fünf und Einserkette, er ist mit seinen acht Armen der raumgreifendste Verteidigungsoktopus des Weltfußballs, ein Monster, an das ein phantasiebegabter slowakischer Stürmer im Moment der Ballannahme nur denken muss, und schon verliert er den Mut, überhaupt loszulaufen. Neuer ist überall, vor allem in den Köpfen seiner Gegner, aber auch an der Mittellinie und an der Eckfahne – in der eigenen Hälfte, das muss man bei ihm ja dazu sagen. Noch jedenfalls hat man ihn keine Eckstöße ausführen sehen, würde sich aber wohl kaum wundern, wenn er es täte und sogleich selbst zum Kopfball hochstiege.

Manuel Neuer, wie ein humanoider Roboter

Ihn spielen zu sehen, verleiht dem Betrachter mitunter das Gefühl, er habe aus Versehen in eine obskure N24- Dokumentation über den Fußball im Jahr 2100 gezappt, in der humanoide Roboter ihre Fähigkeiten vorführen, er weiß bloß immer noch nicht, wer der beste Torwart der Welt ist, hier und heute, im klassischen Sinne, als Mann, der die Bälle hält, der aufpasst, dass die Null steht.

Er muss aber nur dort nachschauen, wo die Null immer steht, in Italien, jenem Fußballland, das diese Zahl so sehr verehrt wie die Babylonier einst die 7. Ein Kult ist darum entstanden, dessen Hohepriester seit nunmehr 19 Jahren und 158 Länderspielen im Amt ist: Gianluigi Buffon, verniedlichend Gigi genannt, aber nur, damit man nicht noch mehr Ehrfurcht vor ihm hat als ohnehin schon.

Gut gemacht, mein kleiner Iniesta. Aber ich darf den Ball nicht reinlassen, weißt du doch. Dafür bekommst du von mir noch einen Trostklaps.
Gut gemacht, mein kleiner Iniesta. Aber ich darf den Ball nicht reinlassen, weißt du doch. Dafür bekommst du von mir noch einen Trostklaps.

© Reuters

Buffon: letzter Mann hält

Für die Generation der über 30-Jährigen, die Torhüter noch nicht als polyvalente Mittelfeldstaubsauger kannten, sondern als vierschrötige Harsardeure, die von 90 Minuten 30 quer in der Luft lagen, 30 Minuten lang Angreifer unter sich begruben und weitere 30 mit ihren Stollen mystische Markierungen in den Strafraum pflügten, ist dieser Buffon eine Reminiszenz an das einfache Spiel ihrer Jugend: Letzter Mann hält. Und der erste letzte Mann, die Nummer 1 ohne Zahl hinterm Komma, das ist er. Buffon, der Klassiker, der immer noch im Straddle die Latte überspringt, der ohne Handschuhe boxt und dessen Rad keine Gangschaltung hat. Und der trotzdem siegt.

Im Achtelfinale gegen Spanien in dieser EM wehrte er einen Schuss von Iniesta ab wie ein Vater einen Hund, der im Park auf seine kleine Tochter zurennt. Und wie ein solcher verbreitete er hinterher keine Panik durch hysterisches Gerede, was Schlimmes hätte passieren können, er lächelte bloß und zwinkerte. Iniesta ermahnte er noch mit erhobenem Zeigefinger: du kleiner Schlingel, du! Nicht schlecht, was du und deine drolligen Freunde hier versuchen. Aber vergesst nie: Ich bin es, Buffon, der Ein-Mann-Catenaccio. Ihr kommt hier nicht rein – so leid es mir tut.

Wird er mit dieser gütigen Unbezwingbarkeit im Viertelfinale gegen Deutschland auch einen Kopfball von Manuel Neuer parieren? „Nur du und ich, Manu“, hört man ihn schon sagen. „Ich geh’ ins Tor.“

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