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Nicht aufzuhalten. Carlos Tevez (in Blau) und Manchester City könnten am Saisonende vor dem großen Rivalen United landen. Foto: AFP

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Sport: J.R. Ewing wackelt

Beim Stadtderby in Manchester läuft United Gefahr, vom Lokalrivalen City überholt zu werden

Das berühmteste Banner des englischen Vereinsfußballs muss aus Sicherheitsgründen zu Hause bleiben, obwohl es nur eine Zahl zeigt: Mit dem großen, aktuell eine schwarze „34“ tragenden Plakat ärgern die Fans von Manchester United im Old Trafford ihre nunmehr seit 1976 trophäenlosen Feinde vom Lokalrivalen Manchester City. Beim heutigen Stadtderby (20.55 Uhr, live bei Sky) im City-of-Manchester-Stadion wird die „34“ natürlich nicht zugelassen, genauso wenig wie die elf radikalen United-Anhänger, die beim Ligapokalhalbfinale im Januar vergeblich mit Golfbällen und Dart-Pfeilen Einlass begehrten. Dass sie nach der Partie noch anderen Hobbys frönen wollten, hatte ihnen die Polizei nicht abgenommen.

In einer drei Kilometer langen „exclusion zone“ zwischen Stadtzentrum und den Eastlands darf am Mittwoch kein Alkohol ausgeschenkt werden, die örtliche Belegschaft rechnet mit dem Schlimmsten. Englands lange Zeit einseitigstes Stadtderby war auf Grund der unterschiedlichen Gewichtsklassen der Kontrahenten bis vor kurzem nur etwas für Lokalpatrioten. Jetzt sind Aufregung und Hass noch größer, weil der sportliche Wert des Duells dem internen Prestige gerecht wird: Die Scheich-Millionen aus Abu Dhabi haben Manchester City zu einem ernst zu nehmenden Rivalen aufgebaut, der in dieser Saison gemeinsam mit United um den Meistertitel kämpft. Nur drei Punkte trennen den Tabellenzweiten United von City (Platz vier). „Ich glaube nicht, dass wir in den vergangen Jahren so ein Kopf-an-Kopf-Rennen hatten“, sagt Jim Liggett, der Derby-Einsatzleiter. Im „Daily Telegraph“ wurde die veränderte Statik in der Stadt mit der TV-Serie „Dallas“ verglichen: „Alex Ferguson ist J.R. Ewing. City war früher Cliff Barnes, der ewige Verlierer. Heute sind sie Bobby, ein echter Konkurrent.“

„City ist eine Spitzenmannschaft, das ist ein Fakt“, sagt selbst Sir Alex Ferguson, der United-Trainer. „Sie haben sehr viel Geld für Qualitätsspieler ausgegeben und einen guten Start erwischt. Das bringt Schärfe in dieses Match.“ Citys Sommer-Investitionen von knapp 150 Millionen Euro, unter anderem für den spanischen Weltmeister David Silva (Valencia) und Hamburgs Jérome Boateng, haben die hoch verschuldeten Nachbarn aus dem Süden der Stadt zudem auch gegenüber den eigenen Fans in die Defensive getrieben. Fergusons Erklärung, dass man nur wegen der „überteuerten Preise“ auf namhafte Verstärkungen verzichtet habe, fand wenige Abnehmer. Umso wichtiger ist es für United, dass City nichts gewinnt, wie Paul Scholes zugibt. „Wir können nicht alle Titel holen, aber am Ende müssen wir unbedingt vor City stehen“, sagt der Mittelfeldspieler.

In den englischen Medien, auch das ist neu, wird das Team von Roberto Mancini als leichter Favorit gesehen. City muss zwar auf den rot-gesperrten Stürmerstar Mario Balotelli verzichten, doch das Fehlen von Owen Hargreaves, der sich bei seinem Startelfdebüt nach zweijähriger Abstinenz am Sonnabend eine Oberschenkelverletzung zuzog und erneut fünf Wochen fehlen wird, sowie der Ausfall von Wayne Rooney fallen bei United stärker ins Gewicht. Rooney laboriert an einer Knöchelverletzung und wurde von Ferguson zur „Konditionierung“ für eine Woche ins Hauptquartier des Ausrüsters nach Oregon geschickt. Der 25-Jährige hatte nach einem heftigen Flirt mit City im vergangenen Monat überraschend einen neuen Vertrag bei United unterschrieben.

Mancinis Hoffnungen liegen ganz auf Rooneys ehemaligem Sturmkollegen Carlos Tevez. „Er ist phänomenal; der beste Spieler, den ich je erlebt habe“, sagt City-Torwart Joe Hart. „Er kann eine Mannschaft allein tragen. Wenn wir kollektiv stinken und er gut spielt, haben wir immer noch eine gute Chance.“

Hart steht nach zwei nächtlichen Kneipentouren mit Teamkollegen persönlich unter Druck, das gleiche gilt für Trainer Mancini. Der Italiener habe bereits einen Teil des bunt zusammen gestellten Teams „verloren“, berichtet der Boulevard. „Lügen und Müll“, entgegnete Mancini, „die Zeitungen wüten gegen uns, weil City von einem Italiener trainiert wird. Die Engländer sind Nationalisten, was den Fußball betrifft.“ Das stimmt, was den Klubfußball betrifft, eher nicht. Mancini kann bei seinem Landsmann und Kollegen Carlo Ancelotti (Chelsea) nachfragen: solange Eigentümer, Spieler und Trainer den Ruhm des eigenen Klubs mehren, interessieren sich die Anhänger auf der Insel überhaupt nicht für die Nationalität der Protagonisten. Nur die Derbys müssen sie natürlich gewinnen.

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