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Endlich am Ziel. Andy Murray kann seinen US-Open-Triumph kaum fassen.Foto: AFP

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Sport: James Bond tanzt

Andy Murray holt seinen ersten Grand-Slam-Titel – eine Erlösung für ihn und ganz Großbritannien.

Als der Return von Novak Djokovic hinter der Grundlinie landete, ließ Andy Murray seinen Schläger fallen und sank zusammen. So niedergekniet schlug er die Hände vor sein Gesicht, während bei ihm die ersten Tränen kullerten. 4:54 Stunden hatte es gedauert, bis er im Finale der US Open mit 7:6, 7:5, 2:6, 3:6 und 6:2 seinen ersten Grand-Slam-Titel gewann. Doch eigentlich hatte Murray schon sein ganzes Leben lang auf diesen einen Moment gewartet. Nun war die Warterei vorbei, auch für Großbritannien. Nach 76 Jahren hat die Insel wieder einen Tennis-Champion.

„Ich bin so froh und erleichtert, dass ich es geschafft habe“, sagte Murray , „und ich hoffe, niemand stellt mir mehr diese dämliche Frage nach Fred Perry.“ Der letzte britische Sieger, der wie ein verfluchter Geist über den nächsten Generationen schwebte, ist endlich entschwunden. Der Moment unter Flutlicht gehörte nur dem Schotten aus Dunblane. Der 25-Jährige wischte die Tränen weg und schaute hinüber zu seiner Box, wo sich seine Mutter Judy und seine Freundin Kim selig in den Armen lagen. Der ehemalige Bond-Darsteller Sir Sean Connery tänzelte sogar vor Freude. Sein Trainer Ivan Lendl stand dagegen stoisch da. Er reckte kurz den Daumen hoch und klatschte Murray dreimal zu. Für den gebürtigen Tschechen kam das einem Gefühlsausbruch gleich.

Bei der Siegerehrung verzog Lendl dann doch ein wenig die Mundwinkel, und Murray kommentierte trocken: „Das war ja fast ein Lächeln, Ivan …“ Obwohl es dem 52-Jährigen schwerfiel, es zu zeigen, so wusste Murray, wie stolz sein Trainer auf ihn war. Die Chemie zwischen beiden stimmt, sie haben den gleichen schwarzen Humor und freuen sich lieber nach innen als nach außen. Außerdem teilten sie das gleiche Schicksal: Beide hatten ihre ersten vier Grand-Slam-Finals verloren. Lendl gewann danach noch acht Titel.

Lendl hatte an ihn geglaubt, ihn bestärkt. Murray hatte zugehört. Besonders, nachdem er vor acht Wochen das Wimbledonfinale verloren hatte. „Ein paar Tage lang habe ich mich gefragt, ob ich jemals einen Grand-Slam-Titel gewinnen würde“, sagte Murray. Lendl vertraute darauf, und nach dem Gewinn der olympischen Goldmedaille zweifelte auch Murray nicht mehr. Eine Menge Druck war weg, und New York schien seine große Chance zu sein. Ohne den verletzten Rafael Nadal und Roger Federer, der im Viertelfinale ausschied, fehlten die dominierenden Spieler dieser Ära. Blieb noch Djokovic, der vier der letzten sieben Grand Slams gewonnen hatte. Mit einem Kraftakt rang Murray die Nummer zwei der Welt nieder. Dass er alles aus seinem Körper herausgequetscht hatte, zeigte sich nach dem Match, als Murray so unrund wie der 82-jährige Connery die Treppen hinauf stieg.

Es waren schwierige Bedingungen gewesen, lange Zeit hatte das Spiel durch die extremen Windboen wenig mit Tennis zu tun. Beide mussten ihre Aufschlagbewegung und ihre Ball-Antizipation anpassen. Murray gelang es besser, doch er war nervös. Ein epischer Tiebreak von 24 Minuten, US-Open-Rekord, entschied den ersten Durchgang. Murray preschte danach mit 4:0 vor, ließ Djokovic zwar noch zum 5:5 ausgleichen, doch ihm gelang erneut das Break. Zweieinhalb Stunden hatten die Beiden da schon gespielt, mit Ballwechseln von bis zu 54 Schlägen. Keiner übernahm die Initiative, beide warteten auf den Fehler des anderen. Nach 0:2-Satzrückstand drehte Djokovic plötzlich auf, glich in den Sätzen aus. Und als die 23 000 Zuschauer schon fürchteten, Murrays Traum würde doch noch platzen, fand er seine Sicherheit wieder. Er wollte diesen Sieg unbedingt. Djokovic ging dafür merklich die Puste aus, ihm steckten drei Spieltage in Folge in den Knochen. So blieb dem entthronten Titelverteidiger nichts, als Murray zu gratulieren. Und wie aufs Stichwort tönten Dudelsackklänge aus den Lautsprechern der Arena.

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