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Sport: Jan Ullrich: Der Dauerzweite ist die Nummer eins

Immer nur Zweiter? Von wegen: Seit Sonntag, seit seinem zweiten Platz beim Weltpokal-Klassiker "Meisterschaft von Zürich", ist Jan Ullrich die Nummer eins der Welt.

Immer nur Zweiter? Von wegen: Seit Sonntag, seit seinem zweiten Platz beim Weltpokal-Klassiker "Meisterschaft von Zürich", ist Jan Ullrich die Nummer eins der Welt. In der neuesten Weltrangliste des Internationalen Radsportverbandes UCI steht der Kapitän des Teams Telekom erstmals in seiner Profikarriere an erster Stelle mit 2471 Punkten vor dem bisherigen Spitzenreiter Francesco Casagrande (Italien), 2353 Punkte, und Erik Zabel, 1857 Punkte. Hätte Radsport hierzulande die Bedeutung des Tennis und Jan Ullrich den Status eines Boris Becker, die Schlagzeilen müssten sich überschlagen wie damals im Januar 1991, als der Tennis-Star mit dem Gewinn der Australian Open zur Nummer eins aufstieg. Von der "Übernahme der Regentschaft im Tennis" war damals die Rede, ganze Seiten wurden dem Ereignis gewidmet. Boris Becker selbst fühlte sich, "als würde ich über der Erde schweben", floh aus dem Stadion, um ganz allein zu sein "und zu begreifen, was ich getan habe".

Und Jan Ullrich? Der saß am Tag nach der ärgerlichen Spurt-Niederlage gegen den Schweizer Laurent Dufaux schon wieder zum Training auf dem Rad, um seine zur Zeit glänzende Form für die am Sonnabend beginnende Vuelta und die anschließenden Olympischen Spiele zu pflegen. Sein Manager Wolfgang Strohband informierte ihn über den Spitzenrang, der erstaunlich anmuten muss für einen Radprofi der Weltklasse, der im Frühjahr außer Übergewicht nichts gebracht hatte. Es ist die Spätform im Sommer und Herbst, mit der Jan Ullrich schließlich auf den Spitzenplatz des Radsports kletterte, eher zufällig als ganz gezielt - anders als damals Boris Becker ("Sieben Jahre lang habe ich es probiert, die Nummer eins zu werden").

Der bemerkenswerte Erfolg in der Vuelta 1999, die Etappenerfolge in Spanien, der Gewinn der Weltmeisterschaft im Zeitfahren 1999, der 5. Platz bei der Tour de Suisse 2000, der zweite Rang bei der Tour de France mit den vorderen Etappenplätzen (zweimal Zweiter), der vierte Platz und der erste Saisonsieg bei den lombardischen Sommerklassikern in der vergangenen Woche und schließlich Rang zwei in Zürich machten Jan Ullrich zur Nummer eins. Erster hätte der Telekom-Star auch in Zürich sein können, wenn er im Dreier-Endspurt gegen Laurent Dufaux und Francesco Casagrande ebenso souverän wie während des ganzen Rennens als der Stärkste im Peloton gefahren wäre. "Für so einen Sprint in so einem klassischen Rennen war Jan der Unerfahrenste", urteilt Olaf Ludwig, als Sprinter einst ein Meister der Spurt-Taktik. Die erste Position sei natürlich die ungünstigste gewesen. "Dufaux und Casagrande waren zu ausgefuchst, um Jan nach hinten zu lassen. Gut war zumindest der Versuch, auf eine Seite zu fahren und dadurch nach hinten zu kommen. Der Fehler war dann, dass er für die Kürze des Sprints von nur noch 200 Meter einen zu hohen Gang gewählt hatte." Aber als Sprinter habe er, Ludwig, gut reden, "denn ein Sprinter wäre erst gar nicht in diese Situation gekommen". Siehe Erik Zabel, der mit 17 Minuten Rückstand den Spurt des Hauptfeldes gewann, aber die Nummer eins im Weltpokal blieb.

Die Spitzenplätze des Radsports werden also von den beiden Stars des Teams Telekom besetzt. Obendrein steht in der Weltrangliste nur für die laufende Saison 2000 Zabel ebenfalls an erster Stelle vor Casagrande und Tour-Sieger Lance Armstrong.

Hartmut Scherzer

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