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Ganz nah dran. Japanische Profis wie Shinji Okazaki (oben) und Hajime Hosogai werden von eigenen Reportern begleitet. Auch beim Spiel Mainz gegen Hertha.

© Imago

Japaner in der Bundesliga: Hosogai und Okazaki - big in Japan

Fußballspieler wie Herthas Hajime Hosogai oder Mainz’ Shinji Okazaki sollen den Bundesligisten neue Fans und Märkte in ihrer Heimat bringen. Begegnungen mit einer fremden Welt.

Seine Bewacher kann Hajime Hosogai nicht abschütteln. Sie verfolgen den Mittelfeldspieler von Hertha BSC auf Schritt und Tritt, selbst nach Abpfiff, vor allem nach Abpfiff. Dann bildet sich vor Hosogai eine Traube kleiner, hibbeliger Menschen, die ihm lange, hibbelige Fragen stellen. Hosogai gibt noch längere Antworten, seine Stimme schnellt hoch, schlägt plötzliche Haken, wird ruhiger und dann plötzlich wieder lauter. Muss etwas ziemlich Aufregendes und Kompliziertes sein, was er da sagt. Wenn man dann die Reporter aus Asien fragt, was ihr Gegenüber gerade minutenlang auf Japanisch erklärt hat, antworten sie so etwas wie: „Er hat gesagt, dass er heute alles gegeben hat für die Mannschaft.“

Es ist eine andere Welt, aus der Hosogai und seine Begleiter stammen. Doch die Japaner sind längst keine Exoten mehr, sie bereichern die Bundesliga sportlich, sind Leistungsträger ihrer Mannschaften. Und sie sind noch mehr, sie sind der Schlüssel zu einer fremden Welt, zu neuen Märkten. Denn in ihrer Heimat sind die Kicker Stars, die in Deutschland von einer Entourage verfolgt werden.

Andreas Kenyi Pfaff ist einer der Journalisten, der quer durch Deutschland reist, um nahe dran zu sein an den Bundesliga-Japanern. In Berlin, schätzt er, berichten im Schnitt acht japanische Reporter über Hosogai. Zum Duell mit Landsmann Shinji Okazaki im Spiel Herthas am Sonntag beim FSV Mainz (17.30 Uhr/Sky) haben sich zehn Reporter, drei Fotografen und ein Fernsehteam angemeldet. Selbst Takuma Abe, Einwechselspieler beim VfR Aalen, hat eine eigene Reporterin, die mit ihm durch die Zweite Liga reist.

Fußball kommt in Japan gleich hinter hinter Baseball, Sumoringen und Pferderennen

„In Japan sind Spieler, die es ins Ausland geschafft haben, Helden“, sagt Pfaff, der für „Hochi Shimbun“ schreibt, eine von mehreren täglich erscheinenden Sportzeitungen in Japan mit einer Auflage von 1,2 Millionen. Davon können die meisten deutschen Medien nur träumen. Fußball steht in der Popularität bei Japanern gleich hinter Baseball, Sumoringen und Pferderennen, Tendenz steigend. Eine von zwei Fußballseiten in der Zeitung ist den Auslandsprofis gewidmet. Das Resultat, das ihre Mannschaften erzielt haben, ist dabei eher ein Randaspekt. Die Berichte geben eher wieder, was der Spieler 90 Minuten so getan hat. Da wird dann nach dem Spiel jede Szene abgefragt. „Mit den vielen Höflichkeitsfloskeln auf Japanisch dauert das etwas länger“, sagt Pfaff, der in Hamburg aufgewachsen und dessen Mutter Japanerin ist.

Doch Profis wie Hosogai werden nicht nur von Journalisten begleitet, regelmäßig sind japanische Familien am Trainingsplatz der Berliner anzutreffen. Reiseanbieter, berichtet Pfaff, offerieren für die knappen Urlaube Zehn-Tages-Trips: Neuschwanstein, Heidelberg, Hertha-Heimspiel. Nicht selten kaufen sie im Fanshop eine ganze Garnitur. In Japan gelte es als unhöflich, keine Souvenirs mitzubringen.

Auch deshalb sind Transfers von asiatischen Profis auch meist mit Hintergedanken verbunden. In Ostasien vermuten die Bundesligisten noch Wachstumspotenziale, für neue Fans und damit mehr Einnahmen. „Erst mit einem Japaner im Team wird ein Klub in Japan wahrgenommen“, sagt Pfaff, einzige Ausnahme sei Bayern München. Derzeit spielen acht Japaner in der Bundesliga, letzte Saison waren es sogar elf. Dazu kommen sechs Südkoreaner. Die Effekte sind spürbar.

Wer in Japan wirklich die deutsche Bundesliga schaut

„Beim Training sind die Zuschauer aus Japan und Korea schon in der Überzahl“, sagt Silke Bannick, Sprecherin beim FSV Mainz, für den neben dem Japaner Okazaki die Koreaner Ja-Cheol Koo und Joo-Ho Park spielen. Bannick lernt inzwischen Japanisch, weil sie mittlerweile ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Anfragen aus Asien verbringe. Eine japanische Homepage steht in den Startlöchern, eine Agentur füttert die sozialen Netzwerke auf Japanisch. Ein Freundschaftsspiel vor Ort ist nicht geplant, aber wäre willkommen. „Wir haben Shinji Okazaki nicht aus Marketing-Gründen verpflichtet, aber er eröffnet uns eine ganz neue Fanbasis“, sagt Bannick.

Dazu kommen sportliche Leistungen: Okazaki hat für Mainz schon neun Saisontore erzielt. In Japan ist er Volksheld, hat in 72 Länderspielen in jeder zweiten Partie getroffen. „Er ist in Japan bekannter als Hosogai“, sagt Pfaff, der Berliner Mittelfeldspieler ist im Nationalteam nur Einwechselspieler. Unter der Woche reiste er über 20 Stunden hin- und zurück für 45 Testspielminuten gegen Neuseeland. Okazaki traf dort zweimal.

Vielleicht ist Hertha auch deshalb zurückhaltender mit der Vermarktung seines Japaners. Internetaufritte in dessen Sprache sind noch Gedankenspiele, Erkenntnisse über gestiegenes Interesse in Japan liegen dem Klub auf Anfrage nicht vor. Dafür ist der Neuzugang, der im Sommer aus Leverkusen kam, sportlich über jeden Zweifel erhaben. „Er war speziell in den letzten Wochen bei uns oft der beste Mann“, sagt Trainer Jos Luhukay über den bissigen Zweikämpfer, der sich öffentlich nur traut, wenige Brocken Deutsch zu sprechen. Er hat ja schon genug mit den Japanern zu tun, obwohl die laut Pfaff viel zu große Ehrfurcht haben, um etwa Homestorys anzufragen.

Früher sollen Millionen Chinesen Energie Cottbus im TV geschaut haben - wegen Jiayi Shao

Ob sich die Wachstumshoffnungen der Bundesliga im kaufkräftigen asiatischen Markt erfüllen, ist aber offen. Es halten sich viele Mythen, bei Spielen von Energie Cottbus etwa sollen früher angeblich Millionen Chinesen zugeschaut haben, weil Landsmann Jiayi Shao dort spielte. In Japan, berichtet Pfaff, laufen die Bundesliga-Spiele, meist die mit japanischer Beteiligung, im Pay-TV nach Mitternacht. Die Wiederholungen am nächsten Tag schauen mehr Leute, vor allem Kinder.

Aber aus Japanern Hertha- oder Mainz-Fans zu machen wird schwer. „Fans wie hier gibt es in Japan so nicht“, sagt Pfaff, das Publikum sei dort landestypisch nicht so emotional bei der Sache. „Dort würde keiner einen Trainerwechsel fordern. Oder weinen, wenn sein Klub absteigt.“ Pfiffe in Stadien gebe es erst seit ein paar Jahren. Wie langfristig also die Effekte sind und wie populär deutsche Klubs in Japan bleiben, wenn sie keine japanischen Profis mehr beschäftigen, lässt sich kaum vorhersagen. Was bleibt, sind Begegnungen mit einer fremden Welt.

Als neulich Hosogai wieder einer Traube hibbeliger Japaner Auskunft gab, stellte sich Luhukay daneben, fasste sich ans Kinn und tat nickend so, als würde er alles verstehen. Dann fasste er Hosogai lachend an den Schultern, der schien erschrocken, dass ihm jemand so nahe kam.

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