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Sport: „Jeder fühlte sich einbezogen“

Warum ist Berti Vogts ein guter Trainer? Wir haben nachgefragt und Antworten von zehn Prominenten erhalten, die es wissen müssen

Er hat die beste Statistik aller Bundestrainer, nur zwölf der 102 Länderspiele unter seiner Regie gingen verloren. Geliebt wurde er jedoch nie, auch nicht, als er 1996 den Europameistertitel holte. Probleme im Umgang mit den Medien und das Scheitern im Viertelfinale der WMTurniere 1994 und 1998 festigten das Image des Verlierers, der im September 1998 zurücktrat. Nach einem missglückten Versuch als Coach in Leverkusen und einem Intermezzo als Nationaltrainer in Kuwait übernahm Berti Vogts im März 2002 die schottische Auswahl, das große Ziel ist die WM 2006 in Deutschland. Hier hat man „McBerti“ noch nicht vergessen. Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder hält eine Rückkehr von Vogts zum DFB für „durchaus denkbar“. Der hatte zuletzt eine erneute Tätigkeit nicht ausgeschlossen, „im administrativen oder im Nachwuchsbereich“. Vor dem EM-Qualifikationsspiel seines Teams gegen die deutsche Auswahl (Samstag, 16 Uhr in Glasgow) haben wir gefragt, was den Trainer Berti Vogts ausmacht.

Günter Netzer: „Ich bin mit ihm befreundet, seit wir 16 oder 17 Jahre alt waren. Das sind jetzt gut 40 Jahre, und er ist immer noch der zuverlässige Freund, der er immer war. Das heißt, Berti hat sich charakterlich nicht verändert, er hat sich nie verbiegen lassen. Was das Fußballgeschäft angeht: Berti Vogts ist ein außergewöhnlicher Fußballkenner, der die internationale Szene nahezu besser kennt als jeder andere. Und dass diese Kenntnis und Fähigkeit oft nicht die notwendige und berechtigte Resonanz erfährt, bedaure ich sehr. Gut, das mag auch damit zusammenhängen, dass sich Vogts manchmal auch selber im Weg steht, dass er mitunter an seiner Art, die sicher nach außen auch spröde wirken kann, scheitert. Viele andere hätten das abgestellt, hätten sich umgemodelt und einen anderen Kerl aus sich gemacht. Hans-Hubert nicht, der ist er selbst geblieben, und das bewundere ich an ihm.“

Netzer gehörte in den Siebzigerjahren zusammen mit Vogts zur Meistermannschaft von Borussia Mönchengladbach

Pierre Littbarski: „Berti Vogts ist für mich Vorbild und Förderer gewesen. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich zur A-Nationalmannschaft gekommen bin. Auch in schlechten Zeiten hat er mich immer gefördert. Ich glaube, dass Berti Vogts ein völlig falsches Bild in der Öffentlichkeit abgibt. Was er in seiner Zeit als Nationaltrainer für den deutschen Fußball geleistet hat, ist einmalig. Er hat schon lange vor allen anderen über neue Jugendkonzepte für die Förderung des deutschen Fußballs nachgedacht. Diese Konzepte sind später beim DFB verwirklicht worden. Noch ein Wort zu meiner Zusammenarbeit mit Berti bei Bayer 04 Leverkusen. Dass diese Zusammenarbeit nicht geklappt hat, lag zum größten Teil an mir. Ich war zu dieser Zeit zu stur und unerfahren. Trotzdem bin ich froh, dass ich die Möglichkeit der Zusammenarbeit bekommen hatte. Ich wünsche Berti alles Gute auf seinem weiteren sportlichen Weg. Seiner Familie und ihm wünsche ich Glück und Gesundheit, und ich hoffe, dass wir zwei Sturköpfe uns irgendwann richtig aussprechen können.“

Littbarski wurde von Vogts für die Nationalelf empfohlen, zuletzt bildete er mit Toni Schumacher und Wolfgang Rolff das so genannte Funktionsteam unter Vogts in Leverkusen

Jupp Heynckes: „Wir haben uns ja in den letzten zehn Jahren etwas aus den Augen verloren, unser Verhältnis ist sicher nicht mehr so intensiv, wie es damals war, als wir zusammen in einer Mannschaft spielten und uns alle auch privat ungemein schätzten. Da war tiefe Zuneigung, und die ist immer noch vorhanden. Auch wenn ich nicht beurteilen kann, wie Berti sein Training aufzieht, wie er eine Mannschaft führt, weiß ich doch, dass er ein sehr ernsthafter, immens fleißiger und gewissenhafter Trainer ist. Ob die Wahl, den darniederliegenden schottischen Fußball zu beleben, eine glückliche Wahl war, sei mal dahingestellt, sicher aber ist, dass sich Berti dieser Aufgabe mit totalem Engagement widmet. Es gibt keine Zweifel, Berti ist ein hoch qualifizierter Trainer, und das hat er – auch wenn es gerne vergessen wird – als Trainer der Nationalmannschaft zigfach bewiesen.“

Heynckes, heute Trainer bei Athletic Bilbao, spielte in den Siebzigerjahren zusammen mit Vogts bei Borussia Mönchengladbach.

Dieter Eilts : „Ich kann das in keiner Weise nachvollziehen, dass Vogts als Trainer nicht anerkannt ist. Die Fachleute haben daran keinen Zweifel. Der Gewinn der Europameisterschaft 1996 hat sehr viel mit Vogts zu tun. Er hat es geschafft, aus 22 Individuen eine schlagkräftige Mannschaft zu machen. Wir hatten einen exzellenten Mannschaftsgeist. Den hatten wir aber nur, weil sich Vogts um jeden Spieler gekümmert hat. Jeder hatte das Gefühl, einbezogen zu sein. Vogts hatte eine ausgezeichnete Ansprache an jeden Spieler.“

Eilts gehörte zu der Mannschaft, mit der Vogts 1996 in England Europameister wurde

Marco Bode: „Ich habe mich natürlich geärgert, dass mich Berti Vogts nach der EM ’96 nicht für die Weltmeisterschaft in Frankreich nominiert hat. Ich hatte auch manchmal Probleme mit ihm, doch wer hat das nicht mit einem Trainer? Dass die Medien ihn immer wieder heruntergeputzt haben, lag vor allem daran, dass er nicht so eine Außendarstellung wie Franz Beckenbauer oder Rudi Völler hat. Seine Stärke lag vor allem in der Nachwuchsarbeit und beim Training selbst. Rainer Bonhof hat das Aufwärmtraining geleitet, dann war Vogts in seinem Element. Auch wie er uns auf die Gegner vorbereitet hat, das war stark. Ich bin sicher, dass er seine Schotten auch jetzt bestens für das Duell mit den Deutschen motiviert.“

Bode gehörte zum Europameister-Team 1996

Reiner Calmund: „Mir ist Berti Vogts schon zu Beginn seiner Trainerkarriere durch seine Jugendarbeit beim DFB aufgefallen, als er große Spieler wie Andy Möller oder Thomas Häßler förderte. Auch seine Bilanz als Nationaltrainer spricht für sich. Er ist ein guter Trainer, der alles über Fußball weiß, ein wandelndes Lexikon. Berti ist ein fleißiger und sehr akribischer Arbeiter, der auch von vielen Spielern geschätzt wird. Manchmal ist er vielleicht nicht locker genug, bei uns in Leverkusen stimmte die Chemie zwischen der Mannschaft und ihm einfach nicht. Wir haben nach wie vor ein gutes Verhältnis zueinander, ich drücke ihm auch immer die Daumen, wenn die Schotten spielen, außer natürlich am Samstag.“

Calmund war Vogts’ Vorgesetzter bei Leverkusen in der Saison 2000/2001

Thomas Helmer: „Berti Vogts wird oft verkannt und unterschätzt. Er war immer bestens auf den Gegner vorbereitet und hatte seine Taktik bis ins Detail ausgearbeitet. Besonders gut gefiel mir sein abwechslungsreiches Training mit viel Ballarbeit und immer neuen Ideen, die für Spaß sorgten. Bei der EM ’96 suchte er ständig den Draht zu den Führungsspielern, um den Mannschaftsverbund auf dem Weg zum Titel zusammenzuhalten.“

Helmer gehörte zum Europameister-Team

Rainer Bonhof : „Hier in Schottland wird Berti Vogts nicht so kritisch gesehen wie in Deutschland. Trotz der nicht so guten Ergebnisse vergessen die meisten nicht seine schwere Aufgabe. Er muss lange Versäumtes nachholen und die Mannschaft total umkrempeln. Berti hat seine Ziele immer genau im Kopf und einen langfristigen, genau ausgearbeiteten Plan. Er arbeitet konsequent am Neuaufbau des schottischen Fußballs, der Altersdurchschnitt des Nationalteams ist schon um über vier Jahre gesunken. Es macht unheimlich Spaß, mit ihm über einzelne Spieler oder Fußball zu diskutieren, die Gespräche sind locker und immer interessant. Im Gegensatz zu seinem Image ist Berti Vogts jemand, der Spaß an seiner Arbeit und am Leben hat.“

Bonhof wurde mit Vogts 1974 Weltmeister als Spieler, 1990 – 1998 Kotrainer von Vogts bei der Nationalmannschaft, seit Juli 2002 schottischer U-21-Nationaltrainer

Fredi Bobic : „Er hat bei der Nationalmannschaft seine Jungs immer bei Laune gehalten, was bei großen Turnieren sehr wichtig ist. Dafür ließ er sich auch drumherum etwas einfallen, bei der EM in England haben wir viel von Land und Leuten mitgekriegt. Ich habe ihn einmal im Schwarzwald näher privat kennen gelernt, als wir zufällig im selben Hotel waren. Berti ist als Trainer ein lockerer, immer gut aufgelegter Typ. Er ist beruflich und privat ständig auf Entdeckungstour und will immer noch dazulernen, obwohl er ein großer Fußballfachmann ist.“

Bobic gehörte zum Europameister-Team

Ottmar Hitzfeld: „Berti Vogts ist ein ausgewiesener Fußball-Lehrer, der lange erfolgreich gearbeitet hat und als Nationaltrainer auch eine gute Bilanz vorweisen kann. Das wird oft vergessen. Übrigens auch, dass er 1996 Europameister wurde. Für den deutschen Nachwuchs hat er hervorragende Arbeit geleistet und wertvolle Konzepte erstellt. Er hat viel für den deutschen Fußball getan, aber leider wird diese Arbeit nicht immer ausreichend gewürdigt.“

Hitzfeld ist Trainer des FC Bayern

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