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1. FSV Mainz 05 - VfB Stuttgart

© dpa

Jens Lehmann: Theater vor dem Tor

Trotz seiner Ausfälle wird Jens Lehmann nicht suspendiert. Stuttgarts Reizfigur ist erst einmal verletzt. Der neue VfB-Trainer hat sich hinter den Torwart gestellt, über den so viele rätseln.

Als am Montag gegen Mittag die ersten Autos der Spieler vom Parkplatz vor den Kabinen rollten, zeichnete sich bereits eine friedliche Lösung im Fall Jens Lehmann ab. Der 40 Jahre alte Torwart wird weder vorläufig suspendiert, noch steht nach dem turbulenten Abend von Mainz eine baldige Trennung im Raum. Trotzdem scheint das Theater um Lehmann den VfB Stuttgart weiter vor ernste Belastungsproben zu stellen. Erst nach stundenlangen Beratungen zeigte sich der VfB in der Lage, am späten Nachmittag eine Erklärung abzugeben. Und verkündete: eine zehntägige Verletzungspause des Keepers. Im Spiel in Mainz habe sich Lehmann eine Innenbandzerrung, einen Gelenkkapseleinriss und einen Bluterguss im linken Knie zugezogen. Diese Krankmeldung könnte durchaus ein Versuch sein, Lehmanns Revanchefoul gegen Aristide Bancé, das am Sonntag zur Roten Karte führte, in ein etwas freundlicheres Licht zu rücken.

Zum Zeitpunkt der Verlautbarung hatte sich Lehmann bei den Kollegen für seine Ausraster entschuldigt, die in Mainz zu einem Elfmeter führten, der die Stuttgarter in letzter Minute um den Sieg brachte. Für Trainer Christian Gross wäre es der erste in der Bundesliga gewesen. Nach einem intensiven Gespräch mit Gross stand fest: Der Coach würde an Lehmann festhalten. Der Schweizer soll sein Veto gegen einen Rauswurf eingelegt haben, den die Vereinsführung erwogen hatte. Schon vor der Partie gegen Mainz stand Lehmann nach Informationen aus Klubkreisen kurz vor der Suspendierung. Auch dagegen soll Gross vehement vorgegangen sein.

Es könnte also sein, dass es letztlich Gross war, der Lehmann den Job rettete. Der Trainer hatte zuletzt betont, er wolle auf die Erfahrung Lehmanns im Abstiegskampf nicht verzichten. „Ich bin überzeugt, dass Jens Lehmann hoch motiviert in die Rückrunde geht, um einen tollen Abschluss seiner Karriere zu haben“, sagte Gross. Gegen Viertel nach zwei Uhr fuhr dann Lehmann gestern in einem dunklen Mercedes vom Vereinsgelände. Er hatte sich behandeln lassen, während der Rest der Mannschaft trainierte.

„Jens hat sich bei der Mannschaft entschuldigt, er weiß, was sich gehört“, berichtete Sami Khedira nach der Übungseinheit. „Wir stehen zu 100 Prozent hinter ihm. Er ist ein Führungsspieler, der ab und zu seine Meinung äußert.“ Und Cacau führte hinzu: „Wichtig ist, dass er Einsicht zeigt. Das tut er.“

Im letzten Vorrundenspiel am Samstag gegen Hoffenheim wird er dennoch nicht auf der Stuttgarter Bank sitzen – wegen seiner Verletzung und der Roten Karte. Gestern verhandelte der VfB mit dem DFB-Kontrollausschuss über die Dauer der Sperre, die sich zwischen zwei und drei Spielen bewegen soll.

Verwirrung hatte es auch um die Rückfahrt Lehmanns gegeben, der nicht im Stuttgarter Mannschaftsbus aus Mainz abgereist war. Dort hatte Lehmann, von Fotografen und Kameramännern verfolgt, zunächst Zuflucht gesucht und war dann mit einem herbeigerufenen Taxi zum Flughafen kutschiert worden. Von dort flog er direkt nach München und fuhr mit dem Taxi weiter zu seiner Familie an den Starnberger See. Die Abreise sei so mit dem Klub abgestimmt gewesen, hieß es. Am Montagmorgen kehrte Lehmann nach Stuttgart zurück.

Wie im Falle der Abmahnung und der Geldstrafe von 40 000 Euro verfahren wird, steht noch nicht fest. Lehmann war wegen „vereinsschädigendem Verhalten“ bestraft worden, weil er dem Klub vorgeworfen hatte, er habe sich bei der Entlassung von Teamchef Markus Babbel von „pubertierenden Jugendlichen“ durch Fankrawalle quasi erpressen lassen. Jens Lehmann teilte mit, er werde diese Strafe nicht akzeptieren. Gleichzeitig ließ der Torhüter wissen, er könne sich nur schwer für den Abstiegskampf motivieren. „Der Klassenerhalt ist für mich kein Erfolg“, maulte Lehmann, der immer wieder mit Frustattacken auf den sportlichen Niedergang seines Klubs reagiert hat.

Die neuesten Attacken markieren den vorläufigen Höhepunkt zahlreicher Fehltritte des eigenwilligen Torwarts. Vergangenen Winter warf er dem nun entlassenen Teamchef Markus Babbel zu lasches Training vor – und zahlte 12 500 Euro Geldstrafe. In einem Spiel riss er seinem Teamkollegen Khalid Boulahrouz das Stirnband vom Kopf. Live in die Mitgliederversammlung zugeschaltet, warf er der Klubführung eine verfehlte Personalpolitik vor. In der Partie gegen Hoffenheim lief er bis ins Mittelfeld und holte sich den verlorenen Schuh von Sejad Salihovic, den er auf sein Tor warf. In Hannover legte er sich mit Balljungen an. Und im Champions-League-Spiel gegen Unirea Urziceni pinkelte Lehmann während der Partie von hinten an eine Werbebande.

Nun ist er erst einmal verletzt. Und hat Zeit zum Nachdenken. Ob er auch die innere Ruhe dafür findet?

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