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Jenson Button: "Rückschläge machen mich stärker"

"Schumacher fährt noch immer ungewöhnliche Linien" - Jenson Button über Schumachers Entschuldigung und seine Wandlung vom Playboy zum Weltmeister.

Herr Button, um Menschen zu ändern, braucht es meist ein Aha-Erlebnis. Was war Ihres, um sich vom Playboy zum Formel-1-Weltmeister zu wandeln?

Es gab einige Weckrufe. Flavio Briatore hat mich 2001 hier in Monaco zur Seite genommen und zu mir gesagt, ich würde um die Strecke fahren, als wenn ich eine Wohnung suchen würde.

Und, haben Sie?
Er wusste ja nicht, dass meine Servolenkung damals kaputt war. Ich hatte riesige Schwielen an meinen Händen und wurde trotzdem Siebter. Monaco ist eine der tollsten Strecken, aber wenn man hier ein schlechtes Auto hat, ist es ein furchtbarer Ort. Man kriegt einfach eine Scheißangst, weil die Kiste nicht das macht, was man will, und es so leicht ist, in die Leitplanke zu knallen. Nach dem Saisonende haben Flavio und ich uns dann zusammengesetzt und meine Situation durchgesprochen.

Briatore war damals Ihr Teamchef bei Benetton. Hat er Ihnen in den Hintern getreten?

Nein, aber er war sehr direkt. Nicht so blasiert, wie er manchmal sein kann. Das hat mir für die Zukunft wirklich geholfen.

Wurde Ihnen bis dahin alles zu leicht gemacht? Sie haben mal gesagt, als Jüngster inmitten von drei älteren Schwestern seien Sie das Nesthäkchen der Familie gewesen. Der Sonnenschein, der immer mit allem durchkam.

Naja, meine Schwestern und meine Eltern haben schon auf mich geachtet. Am Anfang hat mich mein Vater auch noch beim Kartfahren umsorgt, aber als ich so 12, 13 war, konnte er sich das finanziell einfach nicht mehr leisten. Da hatte ich natürlich Glück, dass ich dann einen Manager auftreiben konnte, der in mich investiert und für alles bezahlt hat, da konnte ich sogar im Ausland fahren. Aber davor hatten wir in England schon echt Probleme mit dem Geld. Ich hatte Glück, dass mein Vater so engagiert war – 1991 musste er sich sogar mal Geld für meinen Sprit pumpen. Ich glaube, das war keine leichte Zeit.

Als Sie 2000 in die Formel 1 kamen, gab es erst einen großen Hype um Sie. Aber Sie bekamen schnell den Ruf des Hallodris, der sein Talent verschleudert.

Es ging einfach alles ein bisschen zu schnell für mich. Ich war 20, und in meinem ersten Jahr bei Williams war alles so neu für mich. Davor bin ich zum Beispiel überhaupt nur ein Jahr in einem Auto mit Flügeln gefahren. Aber ich musste die Chance nutzen, schließlich kommt man nicht alle Tage in die Formel 1. Am Anfang klappte auch alles sehr einfach, ich kam schnell zurecht und habe meinen Teamkollegen Ralf Schumacher schon beim zweiten Rennen in der Qualifikation geschlagen. Das war vielleicht ein bisschen zu leicht.

Und deswegen sind Sie danach abgestürzt?

Ja. Ich habe 2001 nach meinem Wechsel zu Benetton richtig gelitten. In einem schlechten Auto zu sitzen, war ein Schock für mich. Außerdem war es auch noch auf meinen Teamkollegen Giancarlo Fisichella abgestimmt, und ich brauchte eine Weile, um das zu verstehen und so abzustimmen, wie ich es wollte. Erst mal musste ich überhaupt herausfinden, was ich wollte. Ich hatte in meinem ersten Jahr nicht genug gelernt über das Auto und darüber, wie man mit den Ingenieuren daran arbeitet. Dass man ein Auto und ein Team um sich herum aufbauen muss, habe ich überhaupt nicht begriffen. Ich dachte, es reicht, schnell um die Strecke zu fahren.

Was haben Sie denn stattdessen gemacht? Es hieß, Sie hätten jede Menge Partys besucht oder selbst welche auf Ihrer Yacht „Little Missy“ veranstaltet.

Ich kann mich gar nicht mehr so genau daran erinnern (lacht). Ich bekam sehr viel Aufmerksamkeit – vermutlich habe ich viele Interviews gegeben. Es gab ein paar andere britische Fahrer, aber ich war jung und neu und frisch, die britische Presse stürzte sich auf mich.

Nachdem Ihre Karriere in der Sackgasse zu enden drohte, sind Sie mittlerweile wieder sehr gefragt: als Titelverteidiger, letztjähriger Sieger in Monaco und aktueller WM-Führender.

Ja, ich bin wirklich ziemlich beschäftigt, aber es ist eine ganz gute Balance. Die Leute bei McLaren verstehen auch, wenn ich sage: Jetzt ist genug. Ich muss mich ja auch ums Auto kümmern.

Viele haben Ihnen vom Wechsel von Brawn zu McLaren abgeraten, weil das Team angeblich komplett auf Lewis Hamilton ausgerichtet ist. Jetzt führen Sie nach zwei Siegen nicht nur die interne, sondern auch die WM-Wertung an.

Ich fühle mich inzwischen wirklich als Teil des Teams. Sicherlich haben die Siege dabei geholfen. Aber schon vor der Saison, beim Testen und in der Fabrik, haben mich die Leute mit offenen Armen im Team empfangen. Und das bedeutet eine Menge, denn ich war ja ein Outsider von einem anderen Team, ein Gegner.

Wie ist Ihre Beziehung zu Hamilton?

Es ist wirklich aufregend, gegen ihn zu fahren. Er ist ein außergewöhnliches Talent, er kann wirklich unglaubliche Sachen mit dem Auto machen. Ich genieße unseren Zweikampf – an manchen Tagen kann ich es kaum erwarten, aufzustehen und gegen ihn zu kämpfen.

Auch an der Playstation? Das sollen ja Hamilton und Fernando Alonso getan haben, weil sie sich bei McLaren angeblich so gut verstanden – dabei lieferten sich die beiden einen erbitterten Kampf um die Macht im Team.

Nein, ich spiele keine Playstation. Ich bin eigentlich überhaupt nicht hier in meinem Zimmer im Motorhome, nur zum Schlafen. Ich habe gehört, dass es hier eine Playstation geben soll, aber ich habe sie noch nicht gesehen.

Jede Menge gesehen haben Sie von Michael Schumacher. In Barcelona hatten Sie viel Zeit, ihn im Zweikampf direkt vor sich zu studieren. Ein Expertenurteil aus erster Hand, bitte: Ist er so stark wie früher?

Ja, der Typ fährt immer noch ziemlich ungewöhnliche Linien (lacht). Aber so hat er ja auch sieben Titel gewonnen. In Barcelona hat es ein paar Runden Spaß gemacht, und dann wurde es frustrierend. Auf jeder anderen Strecke außer vielleicht noch Monaco hätte ich ihn vermutlich gekriegt. Mein Auto war ja schneller, aber ich konnte ihn einfach nicht überholen, vor allem nicht, weil er immer wieder nach innen gezogen ist. Außerdem weiß Michael auch: Wenn er in den Kurven eine bestimmte Linie wählt, verliert der Wagen hinter ihm Anpressdruck.

War sein Überholmanöver unfair, wie Sie es in der ersten Frustration sagten?

Nein, ich glaube nicht. Es war ein gutes Manöver. Er hätte mich aber nicht so sehr schneiden müssen, wie er es gemacht hat, er wäre ja trotzdem vorbeigekommen. Ich habe fast meinen Frontflügel verloren, deswegen war ich ein bisschen sauer.

Er hat inzwischen eher schnippisch gesagt, wenn er Sie das nächste Mal sehen würde, würde er sich entschuldigen. Hat er das schon getan?

Nein, nein. Aber Michael muss sich bei mir auch nicht entschuldigen. Außerdem habe ihn bisher auch noch nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen, sondern immer nur von hinten (lacht).

Entschuldigungen scheinen weiterhin nicht Schumachers Spezialgebiet zu sein. Er reagierte äußerst dünnhäutig, als er hier auf sein berühmtes Rascasse-Parkmanöver von 2006 angesprochen wurde. Ist ein „Sorry“ in der Formel 1 schwerer als ein Titelgewinn?

Ich finde es nicht so schwer, Entschuldigung zu sagen. Wenn man was falsch gemacht hat, sollte man diese Größe haben – ich habe jedenfalls einiges in der Vergangenheit falsch gemacht.

Bereuen Sie Ihre Vergangenheit?

Nein, ich bereue meinen Lebensweg oder meine Rückschläge nicht. Ich hatte schwierige Zeiten, aber es war auch gut für mich, auf die harte Tour zu lernen. Ich denke, dadurch bin ich stärker geworden. Wenn es das nächste Mal hart wird, weiß man wenigstens, wie man mit sich selbst klarkommt. Ich würde meine Vergangenheit definitiv nicht ändern – vielleicht wäre ich letztes Jahr nicht Weltmeister geworden, wenn es anders gelaufen wäre.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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