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Jenson Button: Schnell beliebt

Die Titelrivalen Jenson Button und Sebastian Vettel sind die neuen Stars der Formel 1. Zwei Porträts.

Carpe Diem Lounge Club, kurz vor 22 Uhr. Ein Mann betritt die ultrahippe und ultrateure Strandbar am Olympiahafen von Barcelona. Niemand nimmt groß Notiz von ihm, er ist kein Prominenter. Er kann sich ohne Aufsehen zu erregen mit seinem Vater und ein paar Bekannten in eine der gemütlichen Kuschelecken fläzen und bleibt den ganzen Abend ungestört.

Exakt ein Jahr später. Am Ende des Formel-1-Fahrerlagers in Barcelona steht ein Mann, eingekesselt von Kameras, Mikrofonen und stechenden Augen. Menschen stürzen in die Traube, rudern mit Armen und Ellbogen und versuchen, ein paar seiner leisen Worte zu erhaschen. Zum Beispiel diese, garniert mit einem Lächeln: „In letzter Zeit hatte ich ein paar Interviews und Fotosessions mehr als in der Vergangenheit.“ Es ist derselbe Mann, doch nun, zwölf Monate später, ist er ein Star: Jenson Button.

Auch wenn manche wie der Renault-Teamchef Flavio Briatore lästern, Button sei ohne sein dominantes Auto so langsam wie ein Streckenbegrenzungspfosten, fest steht: Vor dem heutigen Großen Preis von Spanien (14 Uhr/RTL und Premiere) führt Button die WM an, und er darf sich Titelchancen ausrechnen. Auch in Barcelona wird der Brawn-Pilot von der Poleposition aus starten. Direkt neben ihm auf Startplatz zwei wird sein großer Rivale stehen, der andere neue Grand-Prix-Held Sebastian Vettel (siehe beistehenden Text), dem Button im letzten Moment noch Platz eins wegschnappte. „Das war sehr knapp, mehr Glück als Verstand“, sagte er.

Button ist einer der unverhofftesten Helden, die die Formel 1 je hervorgebracht hat. Nach seinem starken Karrierestart 2000 galt der Engländer als Paradebeispiel für das schlampige Genie, das sein großes Talent zugunsten von weltlichen Freuden verplempert. Seine Laufbahn schien mit dem Aus seines Honda-Teams beendet, doch das neue Reglement, das dadurch durcheinandergewürfelte Feld, sein neuer Chef Ross Brawn und dessen Doppeldiffusor-Idee für das neue Auto haben aus Button den derzeit gefragtesten Mann der Formel 1 gemacht. Plötzlich interessiert alles an ihm: sein Vater, seine neue Freundin.

Die Hauptperson begegnet dieser Aufwertung seines sozialen Status mit einer Mischung aus kokettierender Schüchternheit, verstohlener Freude und der Souveränität eines gereiften Mannes. „Ich bin glücklich für mich und das Team, aber ich schreie jetzt nicht: Ha, da habt ihr’s!“ Stattdessen sagt der 29-Jährige ruhig: „Ich mag es, WM-Führender zu sein, aber ich mag die Aufmerksamkeit nicht.“ Das darf man ihm abnehmen, zumal er sich nach den Überseerennen zum Saisonauftakt nun erstmals selbst davon überzeugen durfte, dass er in seiner Heimat inzwischen sogar Weltmeister Lewis Hamilton in Sachen Popularität Konkurrenz macht. „Ich war erst in England, aber bin dann schnell wieder nach Monaco in meine Wohnung“, sagt Button. „Da ist es einfach relaxter.“ Ein bisschen so wie in der Kuschelecke im Carpe Diem vor genau zwölf Monaten.

Christian Hönicke[Barcelona]

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