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Der Ober-Adler. Bundestrainer Joachim Löw will sich nicht in seine Arbeit reinreden lassen.

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Joachim Löw: Der erste unter hunderttausend Bundestrainern

Vor dem Spiel gegen Irland stellt Joachim Löw klar, dass er allein die Geschicke der Nationalelf lenkt. Reinreden lassen will sich der Bundestrainer nicht.

Neulich war Joachim Löw mal als Undercover-Agent unterwegs und hat sich in halbwegs unaufgeregter Umgebung angeschaut, wie er sich das so vorstellt mit seiner Mannschaft. Weit weg von den mindestens hunderttausend Bundestrainern, die ohnehin immer alles besser wissen und ihn gern mit klugen Tipps versorgen, wen er denn aufzustellen und wie er nun zu spielen habe. Sein Urteil: Wow! „Hohe Spielkultur, technisch ganz hervorragend, keine hohen Bälle, dafür viele Kombinationen.“ Dazu war sein Spielmacher Mesut Özil in grandioser Form und bereitete alle drei Tore vor. „Ein absoluter Führungsspieler“, sprach der Bundestrainer. „Er hat Verantwortung übernommen und das Spiel gelenkt, er war der Dreh- und Angelpunkt.“ Genauso will Löw das sehen. Von Özil und allen anderen. Im konkreten Fall handelte es sich allerdings nicht um die deutsche Nationalmannschaft. Sondern um den FC Arsenal, der da unter der Anleitung des gerade aus Madrid nach London transferierten Mesut Özil 3:1 gegen Stoke City siegte.

Auch der Bundestrainer hat es am Freitag mit einer Mannschaft von der Insel zu tun, sie pflegt allerdings einen etwas anderen Stil. Fast alle Spieler der irischen Nationalmannschaft verdienen ihr Geld in der Premier League. In Sunderland, Millwall oder Birmingham, wo der Ball traditionell etwas schleppender zirkuliert als bei den Topteams aus Manchester und London. Arsenal führte Stoke mit eben den Mitteln vor, wie Löw es von seinen Leuten gegen Irland vorschwebt. Am Freitag in Köln, im vorletzten Spiel der Qualifikation für die Weltmeisterschaft im kommenden Sommer in Brasilien. Bei einem Sieg sind die Deutschen schon vor dem letzten Spiel am Dienstag in Schweden bei der WM dabei, und an etwas anderes mag ohnehin niemand denken. „Emotional bedeutet so eine vorzeitige Qualifikation sehr viel, nach dem Alltag in der Gruppenphase und erst recht nach der Enttäuschung im letzten EM-Halbfinale gegen Italien“, sagt Löw. „Aber für uns war es nie eine Frage, dass wir uns hier durchsetzen, und natürlich wollten wir das als Gruppenerster, ohne Wenn und Aber.“

Wer ihn so reden hört nach den ersten Trainingseinheiten in Düsseldorf, der erlebt einen selbstsicheren, einen in sich ruhenden Bundestrainer. Weit weg ist das Von-0:4-auf-4:4-Debakel gegen Schweden, es war vor allem Löw angelastet worden und seiner Tatenlosigkeit an der Seitenlinie. Mit dem Abstand eines Jahres konzediert er: „Jedes Spiel bringt neue Erfahrungen, neue Erkenntnisse. Und natürlich merkt man, welche Fehler man gemacht hat.“ Auch die ständigen Reibereien mit den Spitzenklubs Bayern München (Götze!), Bayer Leverkusen (Kießling!) und Borussia Dortmund (HummelsSchmelzerGündogan!) scheinen ihn wenig zu belasten, ja er empfindet sie nicht mal als solche. „Das gehört doch zum Geschäft, dass die Vereine sich schützend vor ihre Spieler stellen“, sagt Löw, „aber die Nationalmannschaft darf nun mal kein Fähnlein im Winde sein. Hier habe immer noch ich das Sagen. Ich treffe die Entscheidungen, und zwar ganz autark mit meinen Trainerteam. Und nicht die vielen selbsternannten Bundestrainer, und ein Public Voting bei der Aufstellung wird es auch nicht geben.“

Zuletzt hatte der Dortmunder Mats Hummels öffentlich Beschwerde darüber geführt, er und seine Dortmunder Kollegen hätten es in der Nationalmannschaft schwerer als andere. Den FC Bayern hat er dabei nicht ausdrücklich erwähnt. Musste er auch nicht, derartige Töne gehören seit langem zur Dortmunder Folklore. Löw sagt dazu, was er dazu sagen muss: „Wer glaubt, dass wir nach solchen Kriterien die Mannschaft aufstellen, ist ganz weit weg von der Realität.“ Gerade erst habe er ein Gespräch mit Hummels geführt. Grundsätzlich dürfe jeder Kritik äußern, „wir sind ja alle erwachsene Leute“. Im konkreten Fall halte er Mats Hummels für „einen der besten Innenverteidiger überhaupt. Aber im Detail wünsche ich mir schon noch, dass er in der Nationalmannschaft ein paar Kleinigkeiten verändert.“ Am Ende seien die beiden in bestem Einvernehmen auseinander gegangen.

Und dann hat es da vor dem Spiel gegen Irland noch die üblichen Irritationen mit den vermeintlich bevorzugten Bayern gegeben. Deren Präsident Uli Hoeneß hätte es lieber gesehen, wenn der gerade von allerlei Verletzungen genesene Mario Götze zu Hause geblieben wäre. „Das ist seine Privatmeinung“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. Und Löw weist darauf hin, er habe diesen Fall mit Bayerns Trainer Pep Guardiola und Sportvorstand Matthias Sammer intensiv erörtert: „Ich wollte den Mario einfach gern dabeihaben. Die Bayern haben in der Länderspielpause doch gar keine Spieler zu Hause, da würde er allein trainieren.“ Übersetzt aus dem Diplomatendeutsch bedeutet das: Die Bayern können doch froh sein, dass ihr 37 Millionen Euro teurer Sommertransfer in angemessener Umgebung auf hohem Niveau gefordert wird. Dabei mag Löw keinesfalls ausschließen, dass Götze am Freitag in Köln vielleicht sogar ein Viertelstündchen spielen wird. Für den Fall, dass es gegen die Iren nicht so läuft wie erhofft, weil die „ihr Tor mit allen Mitteln und aller Leidenschaft verteidigen, wie es ihrer Mentalität entspricht und wie man das ja auch vom Rugby oder vom Gaelic Football kennt“.

Wenn es denn so weit kommen sollte, kann es nicht schaden, die Iren noch mehr zu fordern, mit einem weiteren kleinen, wendigen und technisch perfekten Spieler. Wie wichtig solche Leute gegen defensivstarke Mannschaften von der Insel sind, kam vor ein paar Wochen in London zur Vorführung. Als der Undercoveragent Joachim Löw sich in London anschaute, wie er sich das so vorstellt mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

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