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Wiedersehen macht Freude. Joachim Löw (links) im Schwatz mit seinem Vorgänger Jürgen Klinsmann.

© AFP

Joachim Löw und Jürgen Klinsmann: Test der Freundschaft beim Länderspiel in Köln

Die USA kommen zum Länderspiel nach Köln: Jürgen Klinsmann meets Joachim Löw – oder wie aus dem wilden Veränderer ein Fan seines Nachfolgers wurde.

Da ist es wieder, dieses Lächeln, das einnehmend sein kann und schon mal eine halbe Nation verführt hat. Es ist das Lächeln von Jürgen Klinsmann, das dem Wahl-Kalifornier trotz seiner 50 Lebensjahre immer noch etwas Jugendliches ins Gesicht zaubert. Es ist ein mildes Lächeln, das Jürgen Klinsmann umspielt an diesem Junitag im sich anbahnenden Sommer 2015 und nicht jenes erschöpfte Lächeln, mit dem er sich 2006 am Tag des WM-Finals vor dem Brandenburger Tor vom deutschen Sommermärchen verabschiedet.

Und wieder sitzt neben ihm einer, der auch schon damals dicht an seiner Seite war, ein Partner wurde, ehe dieser ihn als Trainer der wichtigsten deutschen Mannschaft beerbte. Joachim Löw blickt leicht versonnen in die Runde, als sein Nebenmann noch mal kurz jene berauschten Tage von vor neun Jahren zurückruft. „Wir haben seine Gedanken von damals weitergelebt“, sagt Löw im Jetzt und reibt sich dabei mit seiner rechten Hand über den linken Oberarm.

Ein wenig Sentimentalität schwingt mit, wenn sich die beiden Erneuerer des deutschen Fußballs am Mittwochabend in einem Test-Länderspiel in der Kölner Arena (20.45/ ARD) gegenüberstehen: Löw, inzwischen 55, als Trainer des Weltmeisters und sein Vorgänger als Bundestrainer als Chefcoach des aufstrebenden US-Teams. „Das ist eine faszinierende Gelegenheit, ein besonderer Tag. Meine Jungs sollen den Moment genießen“, sagt Klinsmann: „Es gibt nichts Größeres als ein Spiel gegen den Weltmeister.“

Ein wenig wird auch er selbst den Tag genießen und die Minuten vor dem Spiel zelebrieren. Beim bisher letzten Mal, als sich beide Teams gegenüberstanden, im Gruppenspiel der WM 2014 im regenüberfluteten Recife, sang Jürgen Klinsmann die Hymnen beider Mannschaften mit. Und auch dieses Mal will er das tun. „Ich werde die für mich schönste Hymne der Welt mitsingen, genauso wie die deutsche“, sagt Klinsmann, der immer noch eine große Anhänglichkeit zum deutschen Team empfindet. „Ist doch klar, dass ein Schuss Fan drinsteckt“, sagt er. Das WM-Endspiel vor einem Jahr beispielsweise sei für ihn selbst vor dem Fernseher ein „reines Nervenspiel“ gewesen. Man kann sich vorstellen, wie er beim Siegtreffer von Mario Götze voller Hingabe durch das Zimmer flog wie einst als Nationalstürmer. Niemand konnte schöner jubeln, wenn er mit aufgerissenem Mund, wehender Mähne und ausgebreiteten Armen durch die Strafräume flog. „Ich bin zwar ungeheuer stolz, US-Trainer zu sein, aber das andere steckt ja in deinem Blut drin.“ Und so wird er sich heute Abend an der Seitenlinie im Stadion konzentrieren müssen, damit er nicht bei den Toren des Gegners jubelt, „dass ich richtig reagiere“.

Es ist diese Emotionalität, mit der Klinsmann seinerzeit erst die deutschen Fußballer und dann auch den Rest des Landes für seine Mission, für sein Projekt gewinnen konnte. Was ihm hierzulande kaum einer vergessen wird. Am allerwenigsten Joachim Löw. „Als Jürgen und ich im Sommer 2004 begonnen haben, hatte der deutsche Fußball nach den beiden Europameisterschaften von 2000 und 2004 ernsthafte Probleme“, erzählt Löw. Besonders „der Jürgen“ habe dann einige Dinge auf den Weg gebracht, die bis heute von Bestand sind, ohne die es nicht diese erfolgreiche Phase gegeben hätte. „2014 haben wir das dann rund gemacht“, sagt Löw und denkt an das Finale von Rio im Maracana.

Tatsächlich hätte es ohne Klinsmann nicht den Bundestrainer Löw gegeben. Erst musste Klinsmann den deutschen Verband zwei Jahre lang mit seiner an Sturheit grenzenden Kompromisslosigkeit sturmreif reformieren – für einen wie Löw, einen Bundestrainer, der nicht die Autorität in den Beinen hatte wie Klinsmann, der über 100-mal für Deutschland spielte, der Welt- und Europameister geworden war.

Und nun lauscht Löw, der in die Galerie der großen Trainer aufgestiegen ist, den Worten seines ehemaligen Chefs nach. Und sagt selbst: „Ich schätze an ihm sehr, dass Jürgen offen und klar ist, dass er seinen Weg kennt und geht, ich schätze seine Kraft und seine Dynamik, sich gegen jede Widerstände durchzusetzen“. Klinsmann lassen diese Worte nicht unberührt. Vielleicht spürt er noch einmal jener Erschöpfung des Sommers 2006 nach, die ihn hat wieder Abstand nehmen lassen von dieser Mannschaft, von dieser Mission. Auch, weil er sie bei seinem Nachfolger „1000 Prozent in besten Händen“ wusste, wie er sagt.

In den USA ist er als Nationaltrainer ausdauernder. Vier Jahre sind inzwischen zusammengekommen. Das deutsche Projekt habe damals doch sehr viel Energie gekostet, „es hat uns allen viel abverlangt“, sagt Klinsmann. Er habe damals einfach eine Pause gebraucht. „Die Deadline, das war für uns damals das WM-Eröffnungsspiel in München gewesen“, die habe für sein Tun und Wirken alles vorgegeben. „Wir mussten ein paar Leute austauschen, ein WM-Quartier verlegen, also viele Dinge tun, von denen wir überzeugt waren, dass sie uns weiterbringen“, erzählt Klinsmann.

Eine solche Deadline gebe es für ihn in den USA nicht. Die Entwicklung sei dort mittel- bis langfristig angelegt. Das Testspiel diene seinem neuen Team als Prüfung in der Vorbereitung auf den Gold-Cup vom 7. bis 26. Juli in den USA und Kanada. Man wolle dieses Turnier wie schon 2013 gewinnen und sich so für den Confed-Cup 2017 qualifizieren. Das große Ziel sei es, bei der WM 2018 in Russland das Halbfinale zu erreichen. „Wir müssen den Spielern klarmachen, dass alles möglich ist“, sagt Jürgen Klinsmann. So wie er das vor über zehn Jahren mit den Deutschen tat.

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