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Jörg Böhme im Interview: "Die Ausbildung in der DDR war besser"

Jörg Böhme schaffte weder in Frankfurt noch bei 1860 München oder in Bielefeld den Durchbruch. Erst bei Schalke 04 hat sich der Sachse in den erweiterten Kreis der Nationalmannschaft gespielt.

Herr Böhme, sind Sie sehr enttäuscht, dass Sie nun mit mir über das Spiel bei Hertha BSC sprechen müssen und nicht über Ihr Debüt in der Nationalmannschaft? Oder war Ihnen klar, dass Sie in Kopenhagen noch nicht dabei sein würden?

Nein, ich war schon ein bisschen traurig, dass ich nicht eingeladen wurde. Wenn man sieht, dass andere Spieler trotz weitaus weniger Bundesliga-Erfahrung und auch trotz weniger Leistung schon in die Nationalmannschaft berufen wurden.

Allerdings haben Sie vor einiger Zeit gesagt: "Michael Hartmann von Hertha BSC spielt bislang eine bessere Saison." Understatement oder Bescheidenheit?

Nein, zu diesem Zeitpunkt war das ganz einfach der Fall. Hartmann hatte damals schon zwei Tore selbst geschossen und vier weitere vorbereitet. Erst danach habe ich das erste Mal getroffen; mittlerweile bin ich bei vier Toren und drei Vorlagen.

Außerdem haben Sie 53 Flanken geschlagen, das sind ligaweit die meisten.

Das wusste ich gar nicht, aber es ist nicht schlecht, wirklich nicht schlecht.

Sie sind auch ein guter Techniker mit sehr guter Schusstechnik; das dürften Sie noch in der ehemaligen DDR erlernt haben. War dort die Ausbildung besser als im Westen?

Was heißt gelernt? Ich stamme aus einer Sportlerfamilie, mein Vater war auch Fußballer, meine Mutter Tennisspielerin, die beiden haben mir wohl ein wenig Ballgefühl in die Wiege gelegt. Ich glaube aber schon, dass die Ausbildung in der DDR besser war, weil schließlich eine Rundum-Betreuung durch hauptamtliche Trainer garantiert war.

Heute klagt man über fehlenden Nachwuchs. Würde dieses Konzept der Liga gut tun?

Ganz bestimmt, aber ich glaube nicht, dass das heute noch realisierbar ist. Heute haben die Jugendlichen ganz andere Interessen als wir zu DDR-Zeiten. Computer, Internet, so etwas gab es damals nicht, zumindest nicht für uns. Wir hatten ja nur den Sport.

Vermissen Sie das Leben in der DDR?

Mit Sicherheit war der Neid nicht so ausgeprägt. Heute geht es nur darum, wer das größere Auto fährt, wer das schönere Haus hat und so weiter. Ich sehne mich zwar nicht zurück in die DDR-Zeit, aber ein bisschen menschlicher könnte es hier schon zugehen, auch im Fußball-Geschäft.

Ihr Manager Rudi Assauer nennt Sie "positiv und angenehm verrückt". Zumindest "positiv" gestimmt waren Sie aber nicht immer. Ihr ehemaliger Trainer Hermann Gerland hatte stets Zweifel, ob man ein Spiel auch mit elf Mann beenden würde. Woher kommt dieser Jähzorn?

Das hat mit Jähzorn nichts zu tun; ich kann es einfach nicht leiden zu verlieren. Wenn ich dann in der Mannschaft jemanden habe, dem das, auf deutsch gesagt, am Arsch vorbeigeht, werde ich schon mal lauter. Ich habe in acht Jahren Bundesliga eine Rote und zwei Gelb-Rote Karten bekommen. Warum spricht man also immer wieder über meinen vermeintlichen Jähzorn?!

Vielleicht, weil Sie auf älteren Fotos immer ein bisschen an einen jugendlichen Rebell à la James Dean erinnern. Immer ein bisschen zornig, immer ein wenig aggressiv.

Sie meinen sicher die Bilder, auf denen meine Haare wasserstoffblond gefärbt sind. Das war eine spontane Aktion, weil es mir ganz einfach gefallen hat. Genauso, wie mir heute Tattoos gefallen. Wenn meine Frau nicht wäre, hätte ich davon noch mehr.

Trotzdem gibt es immer wieder seltsame Gerüchte über Ihren Lebenswandel.

Da sind wir wieder bei der Neid-Gesellschaft. Ich habe in meiner Jugend Scheiße gebaut, habe dafür gerade gestanden (eine Verurteilung auf Bewährung wegen Körperverletzung; d. Red.), und das hat bei einigen wohl wieder ins Bild gepasst. Plötzlich hieß es dann, "der Böhme hat einen Kampfhund", sogar Rudi Assauer hat mich danach gefragt. Tatsache ist, dass ich einen Zwergschnauzer habe, der froh ist, dass er laufen kann.

Sie scheinen auf jeden Fall ein sehr emotionaler Mensch zu sein; war das ein Grund, nach Schalke und nicht zu einem anderen Klub zu wechseln?

Ja. Schalke ist mehr als ein Fußball-Klub, Schalke ist Religion. Als der erste Anruf kam, habe ich nicht lange überlegt.

Bei einem Sieg über Hertha könnten Sie wieder Tabellenführer werden. Glauben Sie, dass eine dieser beiden Mannschaften schon in dieser Saison das Zeug zum Meister hat?

Für Schalke kommt das eindeutig zu früh. Ein Spiel wie gegen Bayern ist die Ausnahme, da haben wir uns in einen Rausch gespielt. Sonst spielen die Bayern in ihrer eigenen Liga, der Rest spielt um Platz zwei bis 18. Unser Ziel bleibt ein internationaler Wettbewerb. Ich denke, das gilt auch für die Hertha. Geld allein macht keinen Meister.

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