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Sport: Jörg Lütcke: Ahnungslos arbeiten für Alba

Jörg Lütcke zögert. Er liest Tageszeitungen, natürlich.

Jörg Lütcke zögert. Er liest Tageszeitungen, natürlich. Und nicht nur den Politik- und den Wirtschaftsteil, er darf durchaus als sportinteressiert gelten. Sogar Fachpublikationen aus dem Basketball fallen dem 25-Jährigen gelegentlich in die Hand. Aber diese Frage hat es in sich. "Sechster?", erkundigt er sich vorsichtig. Es geht um den Tabellenplatz von Alba Berlin in der Suproleague. Fünfter ist der Klub. Dass Lütcke danebengetippt hat, ist insofern verwunderlich, als er sich mit Alba regelmäßig beschäftigt. Er spielt nämlich dort, so auch heute im letzten Gruppenspiel gegen Montepaschi Siena (20.30 Uhr, Schmeling-Halle).

Eine Vorstellung davon, ob ein Team oben oder unten steht, hat Lütcke natürlich, schließlich kennt er die Ergebnisse, und so baut sich im Kopf automatisch eine Tabelle zusammen. "Ich schaue mir keine Tabellen an. Wenn man zu früh mit dem Rechnen anfängt, hemmt das eher", sagt er. Und so geht der Verteidiger aggressiv und bissig in jedes Spiel. Bei dem glanzvollen Sieg gegen Panathinaikos Athen sah sich Vizepräsident Marco Baldi an Bayern-Keeper Oliver Kahn erinnert, so hechtete Lütcke durch die Halle.

Die sechste Saison spielt Lütcke bei Alba - zur ersten Fünf gehört er immer noch nicht. Dass ihm das völlig egal ist, wäre übertrieben zu sagen. Aber unglücklich ist er mit seiner Rolle nicht. "Ich sehe mich nicht als Spieler zweiter Klasse", sagt er, "es macht auch Spaß, von der Bank zu kommen und Impulse zu geben." Er braucht eben keine drei oder fünf Minuten, um ins Spiel zu finden - er ist sofort integriert. Lütcke ist einer der gefährlichsten Dreipunkteschützen Europas, und nicht zuletzt mit diesen Würfen kann er Spiele herumreißen. So wie gegen Villeurbanne, als er und Teoman Öztürk aufdrehten, als es bei der Stammformation nicht lief. "Da musste von der Bank was kommen", sagte Lütcke später. Er ging aufs Feld - und die Partie kippte. Auch in Moskau spielte er eine entscheidende Rolle: In der Schlussphase vergab er zwei von drei Freiwürfen, Alba verlor das Spiel in den letzten 30 Sekunden. Am nächsten Tag ärgerte er sich noch immer so, dass er am liebsten gar nicht darüber geredet hätte. Das mache ihn erst richtig aggressiv, ließ Lütcke wissen, der sonst ein Ausbund an Freundlichkeit ist.

Ein Kreuzbandriss im linken Knie setzte ihn den Großteil der vergangenen Saison außer Gefecht. Ende Oktober prallte er im Training mit Stefano Garris zusammen. Diagnose: Innenbandriss im rechten Knie, acht Wochen Pause. Andere würden lamentieren, Lütcke fallen rückblickend zwei Dinge ein. Erstens, "dass ich jetzt beide Knie durch habe". Zweitens, "dass es ziemlich langweilig war, weil ich nur ein bisschen Krafttraining machen durfte". Lütcke ist eben "ein harter Hund", wie es Albas Mannschaftsarzt Gerd-Ulrich Schmidt formuliert. Die furchterregende Kniemanschette trägt er nur dem Arzt zuliebe und blendet die Verletzungen im Spiel völlig aus, "sonst wäre ich immer einen Schritt langsamer". Zittern, dass wieder etwas passieren könnte, tut nur eine - die Mama auf der Tribüne.

Gegen Siena ist ein harter Kampf zu erwarten. Der Gast kann locker aufspielen, die Play-offs sind ohnehin verpasst. Lütcke hat es nur zufällig erfahren, so ganz ohne Tabelle. Künftig wird sie tatsächlich überflüssig sein. Mit Alba will er "das Final Four erreichen. Dann ist alles möglich. Wir können die Suproleague gewinnen." Es zählen nur noch Siege.

Helen Ruwald

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