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Fernduell. José Mourinho (vorn) und sein ewiger Rivale Pep Guardiola.

© Imago

José Mourinho und Pep Guardiola: Von Trainern und medialen Guerillas

Warum wechselte der weltweit begehrte Pep Guardiola ausgerechnet zum FC Bayern? Sein ewiger Rivale José Mourinho hat darauf eine Antwort, die nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

Der FC Bayern München hat sich zu Recht einiges eingebildet auf die Rekrutierung von Pep Guardiola. War ja nicht unbedingt zu erwarten, dass der begehrteste Fußballtrainer der Welt in die gewiss seriöseste, aber doch keinesfalls attraktivste Liga der Welt wechselt. Es ist vor einem guten Jahr reichlich gerätselt worden, warum Guardiola die vergleichsweise überschaubare Herausforderung annahm, ein in der nationalen Liga konkurrenzloses Unternehmen noch konkurrenzloser zu machen und das zu schaffen, was sein Vorgänger schon geschafft hat, nämlich diesen Anspruch auch auf europäischer Bühne zu erheben. José Mourinho hat auf der Suche nach dem Warum für Guardiolas Faible für Bayern in der ihm eigenen Bescheidenheit sich selbst in Position gebracht, verpackt in die rhetorische Frage: „Hat er bewusst eine Liga gewählt, mit der ich nichts zu tun habe?“

Das ist natürlich anmaßend formuliert – und doch nicht ganz von der Hand zu weisen. Bei allem Respekt vor den Bayern wäre ein Trainerjob in der von sehr viel mehr Konkurrenzkampf geprägten Premier League der größere Kick gewesen. Aber wer wollte es Guardiola verdenken, dass er sich als Newcomer nicht in einer Liga versucht, in der sein Lieblingsfeind die öffentliche Meinung so sehr für sich zu vereinnahmen versteht? Guardiola erwartet Loyalität von seinen Spielern und Respekt von seinen Kollegen, und genau diese Wertschätzung schlägt ihm auch in der Bundesliga entgegen. In Deutschland kann er sich auf Fußball konzentrieren, den Rest erledigen die Herren Sammer, Rummenigge und Hoeneß (der zur Not noch aus dem Strafvollzug heraus).

Pep Guardiola liebt den Fußball

So romantisierend und verklärend das in den Zeiten der kickenden Hochfinanz auch klingen mag: Pep Guardiola liebt den Fußball. Bei José Mourinho darf man sich da nicht immer so sicher sein. Ganz bestimmt reduziert der Portugiese sein Wirken nicht auf die Arbeit im Kreidegeviert, und es steht zu erwarten, dass er einen Großteil seiner Energie in die Desavouierung des neuen, alten Kollegen investiert hätte, wäre dieser denn der Verlockung des unbegrenzt aus den arabischen Bohrtürmen zu Manchester City sprudelnden Geldes gefolgt. Wie es ist, in direkter Konkurrenz zu Mourinho zu arbeiten, hat Guardiola zwei Jahre lang in Barcelona erlebt und auch schon einmal mit den Bayern. Das war im vergangenen August, als er Mourinho beim UefaSupercup über den Weg lief. Als seine Bayern Mourinhos Chelsea so durcheinander trieselten, dass der Brasilianer Ramires den Münchner Mario Götze aus Frust mit einer an Körperverletzung grenzenden Brutalität für mehrere Wochen in den Krankenstand trat. Mourinho behauptete später allen Ernstes, die dafür fällige Rote Karte sei ein Witz gewesen und ein guter englischer Schiedsrichter hätte Götze vermittelt, er möge doch bitte das Schauspielern sein lassen.

Spätestens an diesem Abend von Prag wird sich Guardiola zur richtigen Entscheidung gratuliert haben. Zu einer Entscheidung für seinen Job als Fußballtrainer und gegen einen als medialen Guerillakrieger. Sein Ziel besteht denn auch weniger in einer Wiederholung der Erfolge seines Vorgängers Jupp Heynckes. Entsprechend gleichgültig hat er den frühen Gewinn der deutschen Meisterschaft zur Kenntnis genommen. Guardiolas Anspruch ist es, den Fußball einer mit größtmöglichem Erfolg gesegneten Mannschaft auf ein noch höheres Niveau zu heben. Die Play-offs in der Champions League werden zeigen, ob diese ästhetische Zielsetzung einher geht mit dem sportlichen Erfolg.

Für Mourinho blieb nur die Rückkehr zum FC Chelsea

Fernduell. José Mourinho (vorn) und sein ewiger Rivale Pep Guardiola.
Fernduell. José Mourinho (vorn) und sein ewiger Rivale Pep Guardiola.

© Imago

Es ist eine interessante Fußnote, dass es seine Bayern dabei im Viertelfinale mit Manchester United zu tun bekommen. Auch José Mourinho hätte furchtbar gern beim berühmtesten Klub der Welt gearbeitet, doch da half alles Antichambrieren bei Sir Alex Ferguson nichts. Der schottische Ritter des britischen Fußballordens mag den portugiesischen Provokateur nicht und wählte als seinen Nachfolger den eher hausbackenen David Moyes aus Everton.

Für Mourinho blieb nach seinem drei Jahre währenden Missverständnis bei Real Madrid nur die nahe liegende Lösung einer Rückkehr zum FC Chelsea, wo sie ihn wegen seiner alten Verdienste immer noch lieben und bedingungslos unterstützen. Seine Mannschaft schlägt sich in der Liga beachtlich, aber all das wird eine Randnotiz bleiben, sollte er in der Champions League nicht das Viertelfinale gegen die neureichen Franzosen von Paris St. Germain überstehen.

Mourinhos Chelsea-Team hat einen Konstruktionsfehler

Mourinho-Fußball reduziert die Kunst des Spiels seit jeher auf Verhinderung. Das funktioniert gut, wenn Mourinho-Mannschaften es mit einer auf Gestaltung ausgerichteten Gegnerschaft zu tun bekommen. Wehe aber, wenn die anderen Chelsea die Gestaltung überlassen, so gesehen am Wochenende in der Premier League, als sich in einem der zahlreichen Londoner Derbys die No-Name-Mannschaft von Crystal Palace hinten reinstellte und nach 90 denkbar einseitigen Minuten mit 1:0 als Sieger vom Platz ging. Es zeigt sich zu solchen Gelegenheiten ein grundsätzlicher Konstruktionsfehler. Mourinhos Chelsea verfügt im zentralen Mittelfeld über keinen Strategen, der das Spiel steuern, das Tempo variieren, Überraschendes inszenieren kann. Frank Lampard ist längst über seinen Zenit hinaus, John Obi Mikel fehlt das Format und Oscar ist ein großartiger Adjutant, aber kein Anführer.

Dieses zentrale Problem findet seine Fortsetzung in vorderster Linie. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Mourinho unbedingt Atleticos Brasilo-Spanier Diego Costa an die Stamford Bridge holen will. Zurzeit verfügt der FC Chelsea über keinen Stürmer von Weltrang. Samuel Eto’o zählt seit Mailänder Tagen zu Mourinhos Lieblingsstürmern, aber schon damals musste er vor allem Defensivarbeit verrichten. Fernando Torres’ Rekrutierung vor drei Jahren war kaum mehr als eine PR-Maßnahme des um Reputation besorgten Klubbesitzers Roman Abramowitsch. Der Spanier verhaspelt sich regelmäßig bei den einfachsten Laufwegen und lebt mehr schlecht als recht von seinem Namen und seiner physischen Präsenz. André Schürrle ist im ersten englischen Jahr noch in der Findungsphase. Demba Ba? Kommt zu gelegentlichen Kurzeinsätzen und ist auf höchstem Niveau überfordert. Chelseas erfolgreichster Torschütze ist Eden Hazard, ein überragendes Talent, aber festgelegt auf das Konterspiel über die Flügel. Wenn es eng wird gegen defensiv betonte Mannschaften, verpufft die Wirkung des Belgiers.

Mourinho erzählt in diesen Tagen gern, dass seine Mannschaft erst am Anfang ihrer Entwicklung stehe und Paris St. Germain in der Champions League selbstverständlich der große Favorit sei, „aber dieses Spiel werde ich nicht mitspielen“, sagt sein französischer Kollege Laurent Blanc. „Das ist genau die Art, wie er arbeitet, und darauf werde ich mich nicht einlassen.“ Genauso hätte es auch Pep Guardiola ausgedrückt, aber der sagt bekanntlich aus Prinzip nichts zu seinem Lieblingsfeind.

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