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Sport: Josephs Salbung

Fifa-Boss Blatter bleibt weitere vier Jahre im Amt – 208 Mitgliedsverbände haben keine Wahl

Da vorn steht er, übertragen auf einer Leinwand, zu sehen in aller Welt. Er steht auf der großen Bühne einer großen Halle in Zürich und applaudiert sich selbst. Unter ihm erheben sich die Delegierten des Fußball-Weltverbandes Fifa und applaudieren dem sich selbst applaudierenden Mann. Da steht er nun, der alte und neue Fifa-Präsident. Er kann nicht anders.

Joseph S. Blatter ist am Donnerstag in seiner Funktion für vier Jahre wiedergewählt worden, ohne Gegenkandidat und ohne Gegenstimme. „Ich bin gerührt, glücklich und stolz. Ich werde all meine Kraft für vier starke Jahre im Dienste des Fußballs einsetzen“, sagte Blatter.

71 Jahre ist er nun alt. Aber die einzige Beruhigung, die sich der Schweizer mit dem selbst gegebenen Spitznamen Sepp gönnen mag, sind salbungsvolle Worte aus seinem Mund. Im neuen Fifa-Hauptquartier hat er einen Raum zur Andacht bauen lassen, in dem er gern für sich allein singt; den Delegierten ließ er die Segnungen eines Pfarrers angedeihen. Einher damit gingen spirituelle Botschaften des Präsidenten, der mit seinem Sport „die Welt berühren“ will, denn „Fußball ist Bewegung, Tanz, Magie und Musik“.

Grund zum Tanzen hat Blatter. Am Tag seiner Krönung machte er sich nicht die Mühe, den Stolz auf seinen Aufstieg zu verbergen. Einen Aufstieg vom ehemaligen Mittelstürmer aus dem Wallis zum multilingualen Sportpolitiker, der wie ein Staatspräsident um die Welt reist. Einen Aufstieg, an dessen Höhepunkt Blatter nun angekommen ist – allein. 1998 kämpfte er sich noch mit vordemokratischen Methoden an die Fifa-Spitze, drei Jahre später stand der Verband kurz vor der Pleite. Die Firma ISL, die die WM vermarkten sollte, meldete Konkurs an, mit dem neuen Medienpartner Leo Kirch nahm es kein besseres Ende. Schwarzkonten flogen auf, Zeugen drohten mit Aussagen über Korruption. Nur mit Mühe konnte Blatter damals seine Absetzung verhindern, Kritikern entzog er auf dem Verbandstreffen 2002 das Wort. „Damals waren wir nicht so geeint und solidarisch wie heute“, erinnerte Blatter die Delegierten in Zürich. Und demonstrierte, was er unter Solidarität versteht: Der als Vizepräsident vorgesehene Schotte John McBeth musste nach kritischen Äußerungen zum Leumund führender Fifa-Funktionäre auf sein Amt verzichten und wieder abreisen. Seine Kritik „entspricht nicht der Ethik des Fußballs“, sagte Blatter.

Der Präsident hat sich nach oben durchgebissen, Opposition gibt es nicht mehr. Blatter konnte seinen Verband zur Geldmaschine umbauen, die pro Jahr eine Milliarde Euro umsetzt und im WM-Jahr 2006 einen Gewinn von 185 Millionen Euro verbuchte. Dass die Fifa, die mehr Mitglieder als die UN zählt, weiterhin als gemeinnütziger Verein fungiert, ist wohl nur mit Hilfe juristischer Feinargumente zu erklären. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Zug über die Umstände der ISL-Pleite gehen weiter, sie richten sich auch gegen den Verband. Mit einer Anklage ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Juristisch anhängig ist die Entscheidung der Fifa, nicht mehr mit Sponsor Mastercard zu kooperieren, sondern mit dem Konkurrenten Visa. „Der Fall wird uns etwas kosten“, sagte Blatter gestern. Ein New Yorker Gericht hat festgestellt, dass die als Beweismittel angeforderten Tonbandaufnahmen von der entscheidenden Fifa-Sitzung nicht vollständig sind.

Beim Fifa-Kongress, den Blatter als Diskussionsleiter und mehrfacher Hauptredner nahezu allein bestritt, wurde über diese Dinge kaum ein Wort verloren. Rührige Einspielfilme, Indoor-Feuerwerk und Kinder-Tanzgruppen lenkten geschickt von dem Umstand ab, dass der Kongress – abgesehen vom Beitritt zu den Richtlinien der Welt-Anti-Doping-Agentur, dem Aufrücken Franz Beckenbauers in die Fifa-Exekutive und eben der Wahl Blatters – nichts zu entscheiden hatte.

Und so wurden Entwicklungshilfeprogramme schön in den Vordergrund geschoben, mit denen Blatter doch noch als Gutmensch in die Geschichte eingehen will. Die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika soll dafür einen farbenfrohen Image-Bilderbogen liefern. Einen Vorgeschmack auf kommende Inszenierungen lieferte Blatters Wahlkongress. So wurde der Schwede Lennart Johansson, der 1998 noch gegen Blatter angetreten war und danach im jahrelangen Machtkampf zermürbt wurde, in Zürich mit Auszeichnungen behängt und so zu Danksagungen genötigt.

Lennart Johansson, der mit Blatters Zutun gerade als Chef der Europäischen Fußballunion Uefa entmachtet worden ist, ließ die Tagung in Zürich mit versteinerter Miene über sich ergehen. Blatters Wahl kommentierte er so: „Meine Gefühle habe ich zu Hause gelassen.“

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