zum Hauptinhalt
Jürgen Jansen, 55, pfiff von 1993 bis 2005 insgesamt 142 Spiele

© picture-alliance/ dpa

Jürgen Jansen im Interview: „Die Hummels-Sperre war falsch“

Der Ex-Schiedsrichter und ARD-Experte Jürgen Jansen beurteilt die Leistung der EM-Referees - und erklärt, wo Fehler gemacht wurden.

Herr Jansen, am Donnerstag ist Deutschland gegen Frankreich ausgeschieden. Nicht mit dabei war Mats Hummels, da dieser zuvor zwei Gelbe Karten erhalten hatte. War das eine Fehlentscheidung?

Die zweite Gelbe Karte im Spiel gegen Italien war konsequent wegen des Zweikampfverhaltens von Hummels. Wie er da reingeht, obwohl er den italienischen Spieler nicht voll trifft, das ist Gelb. Aber die erste Gelbe Karte gegen die Slowakei war nicht zwingend erforderlich.

Sind Sie mit Blick auf das gesamte Turnier trotzdem mit der Leistung der Schiedsrichter zufrieden?
Man muss sagen, dass die Schiedsrichter in diesem Turnier sehr überrascht haben. Es gab Einzelszenen, aber ganz wenige, bei denen man etwas kritisieren konnte. Ansonsten haben die Unparteiischen einen sehr guten Job gemacht. Anders als bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien oder der EM 2012 in Polen und der Ukraine.

Wie kommt das?
So eine professionelle Vorbereitung und Begleitung der Schiedsrichter wie bei diesem Turnier hat es in dieser Intensität bisher einfach noch nicht gegeben. Die Schiedsrichter wurden sehr intensiv, auch mit Videoschulungen, auf die Mannschaften eingestellt. Sie haben einen Psychologen an der Seite und haben jeden Tag, wie die Mannschaften auch, trainiert. Außerdem kommen die Schiedsrichter aus den stärksten Nationen Europas und sind auch schon durch Spiele in der Champions League gestählt.

Das heißt, die Schiedsrichter werden anders ausgewählt als bei einer Weltmeisterschaft?
Genau, bei einer WM sind eben auch mal Schiedsrichter aus Tansania dabei, die maximal Oberliganiveau haben, wenn überhaupt. Bei der EM sind dagegen die absoluten Top-Leute. Es waren insgesamt 18 Hauptschiedsrichter – und das sind natürlich die 18 Besten.

Auffällig war auch, dass insgesamt relativ wenig gepfiffen wurde.
Es war aus meiner Sicht ein Schlüssel, dass man die Spiele hat laufen lassen. Schon im Eröffnungsspiel wurde die Linie klar. Da gab es beim Tor vom Franzosen Giroud unterschiedliche Auffassungen, da dieser im Zweikampf Rumäniens Torhüter berührt. Oliver Kahn hat gesagt, das war für ihn ein deutliches Foul. Für mich aber war das ein fußballtypischer Einsatz.

Warum?
Der Torwart geht sehr lasch in den Zweikampf, der Stürmer geht mit klarer Tendenz zum Ball und es kommt zu einer Berührung. Aber das war für mich nicht zwingend als Foul zu ahnden.

Was war für Sie bisher die schwerwiegendste Fehlentscheidung des Turniers?
Beim Spiel Island gegen Ungarn war der Strafstoß sehr diskussionswürdig. Wenn der Schiedsrichter ihn nicht gibt, ist er damit auf der besseren Seite. Fatale Fehlentscheidungen gab es aber eigentlich nicht. Und das ist sehr ungewöhnlich bei einem Turnier mit so vielen Spielen.

Vor allem spielentscheidende Fehlentscheidungen hat man kaum gesehen.
Keine Mannschaft ist aufgrund einer Schiedsrichterleistung ausgeschieden. Alle Spiele wurden sehr großzügig geleitet. Man muss auch beachten, dass nicht ein Schiedsrichter kleinlich pfeift und der nächste pfeift großzügig. Da hatten wir eine hohe Übereinstimmung.

Wie waren Sie mit den Leistungen des deutschen Schiedsrichters Felix Brych zufrieden?
Er hat anspruchsvolle Spiele gepfiffen, zum Beispiel Wales gegen England. Das gesamte Team hat dabei schwere Abseitsentscheidungen richtig gepfiffen. Zum Beispiel beim Tor von Vardy, bei dem er eigentlich im Abseits stand, aber der Ball vom Verteidiger kam. Insgesamt kann man sagen, dass Felix in allen drei Spielen sehr unaufgeregt war und nur in einem Spiel einen Fehler hatte, als er in der Strafraumszene mit Ronaldo den Elfmeter nicht gegeben hat. Das weiß er aber auch.

Bei dieser EM wurde auch das erste Mal die Torlinientechnologie eingesetzt. War das auch ein wichtiger Faktor für die gute Leistung der Schiedsrichter?
Die Torlinientechnologie ist ein Hilfsmittel, das ich persönlich positiv sehe. Aber ich glaube, es gab in diesem Turnier nur eine einzige Szene, in der der Schiedsrichter es nicht mit bloßem Auge sehen konnte, da der Ball an den Innenpfosten knallte. Da wurde auch mal die Torlinientechnologie gezeigt, aber sonst gar nicht. Ich finde es zwar gut, wenn Schiedsrichter unterstützt werden, bin aber grundsätzlich ein bisschen konservativ unterwegs. Wir müssen aufpassen, dass man diesen Sport nicht komplett uninteressant macht, weil alles geregelt ist. Da gibt es dann gar nichts mehr zu diskutieren.

Natalie Raida

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false