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Jürgen Klinsmann: Trügerische Ruhe bei den Bayern

Die Bayern nehmen die Pleite gegen Schalke fast regungslos zur Kenntnis – Jürgen Klinsmann aber glaubt weiter an sich.

Es war ein unwürdiges Schauspiel, das Jermaine Jones aufführte, als der Schiedsrichter ihn vom Platz stellte. Der Schalker hatte Bayerns Mark van Bommel zum zweiten Mal rüde von den Beinen geholt und damit die Disqualifikation geradezu erzwungen. Doch Jones sank auf die Knie, als treffe ihn in diesem Moment alle Ungerechtigkeit dieser Welt. Und doch sandte Jones wenigstens ein positives Signal mit seiner Jammerei aus: dass er unbedingt weiterspielen wollte. Bei Franck Ribéry war man sich da sechs Minuten später nicht so sicher. Der Franzose sah ebenfalls Gelb-Rot – eine vertretbare, aber zumindest diskutable Entscheidung. Ribéry nahm sie ohne Regung zur Kenntnis. Schon vorher war gut zu erkennen gewesen, dass ihm dieses Spiel keinen Spaß machte. Nun trottete er Richtung Kabinentunnel. Als Ribéry dort ankam, stand zwei, drei Schritte weiter Jürgen Klinsmann. Es sah aus, als erwarte der Trainer noch einen Abschiedsgruß, doch Ribéry beachtete Klinsmann nicht weiter und verschwand von der Bühne.

Unwillkürlich schuf der Franzose damit ein Sinnbild. Denn seltsam teilnahmslos hatten die Bayern sich diese Begegnung aus der Hand nehmen lassen. Zu Beginn wirkten die Gastgeber noch munter. Nach 20 Minuten aber traf Halil Altintop per Kopf zum 1:0 für die Schalker. Anschließend quälten die Bayern ihre Anhänger mit konzeptlosem Gekicke, verschärft durch fehlenden Bewegungsdrang im Spiel mit und ohne Ball, komplettiert durch eine lustlose Körpersprache (siehe Franck Ribéry). Es war ein Tag zum Ausrasten, wenn einem etwas an den Bayern liegt.

Aber in diesem Verein rastet niemand mehr aus. Nach dem Spiel sei es in der Kabine „ganz ruhig“ gewesen, berichtete Kapitän Mark van Bommel. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ist seit seiner Wutrede in Barcelona auf Tauchstation. Manager Uli Hoeneß, von dem man ja immer sagt, dass ihm am meisten an den Bayern liegt, ließ die Journalisten kommentarlos stehen. Er sah wenigstens so aus, als würde es ihm schwer fallen, nicht auszurasten. So blieb auch nach der Niederlage gegen Schalke das Bekenntnis der Chefs zum Abteilungsleiter Sport Jürgen Klinsmann aus.

Und Klinsmann selbst? Er stellte sich pflichtgemäß den Medien. „Ich glaube nicht, dass ich mir Sorgen um meine Position machen muss. Ich bin ein Kämpfer und mache das Ding weiter“, sagte Klinsmann. „Die Chemie stimmt intern.“ Am Tag nach der Niederlage gegen Schalke leitete er vor einigen hundert Zuschauern das Training, als sei nichts passiert. Vereinzelte „Klinsmann raus!“-Rufe waren zu hören, aber auch aufmunternde Kommentare.

Die Position des Trainers ist nach der Niederlage gegen Schalke noch ein Stück schwächer geworden. Ein wenig öffentliches Profil könnte seine Stellung stärken in diesen schwierigen Tagen. Wie gern hätte man ihn mal wütend auf die eigenen Spieler gesehen oder eine innovative Verbesserungsidee gehört. Aber alles, was ihm über die Lippen kommt, sind weiter die ewig gleichen Parolen. „Wir ziehen das durch, mit aller Energie“, sagte er zu seinen Aussichten, weiter im Amt zu bleiben. Es sei eben eine „extreme Saison, mit vielen Verletzungen und merkwürdigen Schiedsrichterentscheidungen“. Aber natürlich spüre er das Vertrauen der Chefs. Ob er es wirklich spürt? „Man kann noch so viel Ruhe ausstrahlen“, sagte Franz Beckenbauer, der Aufsichtsratsvorsitzende der Bayern. „Es fehlen einfach die Ergebnisse.“

Es ist wohl eher so, dass den Chefs einfach der Plan B für ein Saisonfinale ohne Klinsmann fehlt. Außerdem könnte der Vorstand sich dann nicht mehr hinter dem Trainer abducken, wie er es im Moment tut. Die Bosse stünden plötzlich selbst im Sturm.

Und so wirkt es, als habe sich dichter Mehltau über den FC Bayern gelegt. Da ist es plötzlich auch nicht mehr schlimm, dass die Münchner die Meisterschaft, also den letzten noch möglichen von einst drei angepeilten Titeln, vorerst abschreiben müssen. Darüber „brauchen wir jetzt nicht zu reden“, sagte Nationalverteidiger Philipp Lahm. Man müsse andere Prioritäten setzen, ergänzte er, nämlich „erstmal Platz zwei sichern“, wegen der direkten Qualifikation zur Champions League. Nächste Gelegenheit dazu haben die Bayern am kommenden Samstag, zu Hause gegen den Abstiegskandidaten Borussia Mönchengladbach. „Das Heimspiel gegen Gladbach muss gewonnen werden“, sagte Franz Beckenbauer. „Sonst wird es eng für Jürgen. Das weiß er auch.“

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