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Auftritt mit Aussicht. Julius Kade (links) und Jordan Torunarigha spielten stark vor.

© von der Laage/Imago

Jugend forscht: Hertha BSC zwischen Verlegenheit und Perspektive

Jordan Torunarigha und Julius Kade stehen für Herthas Zukunft. Doch sie sind nicht die einzigen Nachwuchsspieler im Kader.

Es war auf den ersten Blick gut zu erkennen, welchen Dienst Jordan Torunarigha seiner Mannschaft erwiesen hatte. Gerade 55 Sekunden waren im Spiel von Hertha BSC bei Borussia Mönchengladbach vorüber, als der Verteidiger der Berliner in den Schuss des Gladbachers Thorgan Hazard grätschte und auf diese Weise das beinahe sichere 0:1 verhinderte. Die entscheidende Vorarbeit aber war der breiten Masse verborgen geblieben. Torunarigha hatte die Gefahr früh erkannt: Er ahnte, dass Jonas Hofmann, statt selbst abzuschließen, Hazard bedienen würde und blieb dem Belgier daher auf den Fersen. Unbemerkt hielt er ihn kurz am Trikot fest, so dass Hazard am Ende möglicherweise die entscheidenden Zentimeter fehlten.

Jordan Torunarigha ist 19, er spielte am Mittwoch im Borussia-Park erst zum dritten Mal in der Bundesliga, stand erstmals in der Startelf – und bewies nicht nur nach knapp einer Minute eine für sein Alter ungewöhnliche Reife. Bei Hertha waren sie davon nur bedingt überrascht. Dass der junge Verteidiger über außergewöhnliches Potenzial verfügt, ist dort schon lange bekannt. „Wir trauen ihm eine Menge zu“, sagte Manager Michael Preetz.

Das 0:1 in Mönchengladbach war Herthas siebte Auswärtsniederlage hintereinander; viel Grund zur Freude hat der Berliner Fußball-Bundesligist im Moment also nicht. Der Auftritt von Jordan Torunarigha war eine Ausnahme – zumal der gelernte Innenverteidiger auf der ungewohnten Position links in der Viererkette aushelfen musste. Gerade deshalb, sagte Niklas Stark, „muss man ihm hoch anrechnen, dass er das so hinbekommen hat“. Per Skjelbred fand Torunarighas Darbietung gar „überragend“, Salomon Kalou bescheinigte ihm „ein fantastisches Spiel“ und Trainer Pal Dardai eine Top-Leistung: „Jordan hat jedes Kopfballduell für sich entscheiden und fast jeden Zweikampf gewonnen – unglaublich.“

Auch Dardais Sohn saß auf der Bank

Torunarigha wurde nach dem Spiel gefragt, ob er nervös gewesen sei. Anzusehen war ihm das jedenfalls nicht. „Es ging“, antwortete er. „Ich war schon aufgeregt, aber das habe ich mir nicht anmerken lassen. Ich denk’ nie nach. Ich lauf’ einfach.“ Dabei war der Job, den er zu erledigen hatte, durchaus anspruchsvoll. Anfangs bekam der 19-Jährige es mit Patrick Herrmann zu tun, später mit Ibrahima Traoré. Das sei schon eklig gewesen, gestand er; aber im Großen und Ganzen hatte Torunarigha die Sache unter Kontrolle. Es habe viel Spaß gemacht, sagte er. „Jetzt hab ich Bock auf mehr.“

Natürlich profitierte Torunarigha auch von der kniffligen Personalsituation bei Hertha. Pal Dardai fehlten zehn Spieler, teils verletzt, teils gesperrt. Kurz vor dem Spiel hatte sich John Anthony Brooks wegen muskulärer Probleme abgemeldet. Und so saßen auf Herthas Ersatzbank unter anderem Julius Kade, 17, kein Bundesligaspiel, Trainer-Sohn Palko Dardai, 17, kein Spiel, Marcus Mlynikowski, 24, kein Spiel und Florian Kohls, 22, ein Spiel. Vor ihnen trainierten auch schon Arne Maier und Florian Baak, beide 18, immer mal wieder bei den Profis mit.

Die Besetzung der Ersatzbank zeugt von einer gewissen Verlegenheit, ist aber auch Ausdruck einer neuen Personalpolitik. Dardai hat immer wieder auf das „kleine Portemonnaie“ des Klubs hinge-, zugleich auf die zum Teil glänzenden Perspektiven des Nachwuchses verwiesen; langsam zeigt sich, dass das keine hohlen Worte waren. „Jede Woche kommt ein neuer Superstar“, sagte Mittelfeldspieler Skjelbred – und das war nicht sarkastisch gemeint. Salomon Kalou, ältester Feldspieler in Gladbach, nahm Torunarigha, den jüngsten, vor dem Anpfiff noch einmal zur Seite. „Du musst an dich glauben“, sagte er. „Du hast das Zeug, auf höchstem Niveau zu spielen.“

Julius Kade ist Herthas zweitjüngster Bundesligaspieler überhaupt

Und Torunarigha ist nicht der Einzige. Kurz vor Schluss schickte Dardai Julius Kade aufs Feld, der im März sein erstes U-18-Länderspiel absolviert hat. „Er war gleich im Spiel, hatte keine Angst und zwei, drei gute Aktionen gezeigt“, sagt Dardai. „Die Jungs sind wirklich gut, aber sie müssen behutsam in die Profimannschaft reingeführt werden.“ Torunarigha kam 2006 vom Chemnitzer FC zu Hertha und wurde kontinuierlich geschult. Vor einem Vierteljahr unterschrieb der 1,89 Meter große Abwehrspieler schließlich einen Profivertrag bis 2020. Man solle ihnen jetzt nur keinen Druck machen, sagte Dardai: „Wenn ich sie bringe, schwächen sie die Mannschaft nicht, das ist schon viel.“ Aber Leistungsträger im Schlussspurt der Spielzeit könnten sie nicht werden. „Das sind noch Babys“, sagte Dardai, und lächelte spitzbübisch. Sie brauchten noch ein bis eineinhalb Jahre, dann könnten sie feste Größen des Teams werden. Dardai: „Niemand sollte erwarten, dass der Julius jetzt drei Tore macht gegen Augsburg.“ Der FCA kommt Sonntag ins Olympiastadion.

Julius Kade ist mit 17 Jahren und 320 Tagen der zweitjüngste Bundesligaspieler der Berliner überhaupt. Nur Lennart Hartmann war 2008 noch ein bisschen jünger. Aber Hartmann hat nach seinem Debüt nie mehr in der Bundesliga gespielt. Alle, die sich ein bisschen auskennen, sagen, dass Julius Kade das vermutlich nicht passieren wird. Pal Dardai legte sich am Tag nach dem Spiel in Gladbach fest: „Der Julius bleibt jetzt bei uns.“

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