zum Hauptinhalt

Sport: Jugoslawien: Schändliches Schauspiel - Protestieren, lamentieren, provozieren und markieren

"Herr Boskov, glauben Sie, dass Ihre Mannschaft fair gespielt hat?" "Alle Spieler in Jugoslawien sind sehr gut körperlich und technisch ausgebildet, sie können beidfüßig schießen .

"Herr Boskov, glauben Sie, dass Ihre Mannschaft fair gespielt hat?" "Alle Spieler in Jugoslawien sind sehr gut körperlich und technisch ausgebildet, sie können beidfüßig schießen ..." "Entschuldigung, ich glaube, Sie haben die Frage falsch verstanden. Noch mal: Hat Ihr Team fair gespielt?" "Also, gegen Spanien, das wird natürlich ein ganz schweres Spiel." Noch Fragen?

So ist die Art des jugoslawischen Trainers Vujadin Boskov, mit kritischen Fragen in der Pressekonferenz umzugehen: einfach ignorieren. Doch das ist auch keine Lösung, denn alle (mit Ausnahme vielleicht der dem jugoslawischen Team eng verbundenen Fans) sahen am Sonntagabend im Sclessin Stadion von Lüttich nicht nur eine sehr gut spielende jugoslawische Mannschaft, sondern auch ein schändliches Schauspiel. Protestieren, lamentieren, provozieren, markieren - unsportlich und link zeigten sich die meisten im jugoslawischen Team.

Es ist schon erstaunlich, dass an der Belgrader Schauspielschule so viele talentierte Fußballer ihren Abschluss summa cum laude gemacht haben. Sicher, auch die Norweger gehen ziemlich rustikal zur Sache. Es war dennoch geradezu lächerlich, dass im Minutentakt ein jugoslawischer Spieler auf dem Boden lag und sich vor Schmerzen krümmte, kurz darauf aber eine wundersame Wiederauferstehung feierte. Dauernd gab es Unterbrechungen, Boskovs Team wollte Zeit schinden, nachdem man schnell durch Savo Milosevic in Führung gegangen war. Gegen Ende jedoch ließ Schiedsrichter Hugh Dallas aus Schottland das Spiel einfach weiterlaufen, wenn wieder einmal ein Jugoslawe theatralisch zu Boden sank.

Norwegens Trainer Johan Nils Semb schimpfte: "Das ist Sabotage am Spiel, der Schiedsrichter hätte auch in diesen Situationen mal Gelb zeigen müssen, dann hätten die damit aufgehört." Insgesamt zeigte der Schotte den Norwegern zwei Mal Gelb, den Jugoslawen vier Mal, dazu wurde der erst eine Minute zuvor eingewechselte Mateja Kezman in der 88. Minute des Feldes verwiesen. Fünf Minuten ließ Dallas nachspielen. Semb: "Das ist Weltrekord." Wobei die enttäuschenden Norweger wohl noch fünf Stunden hätten spielen können, ohne auch nur ein Tor gegen Jugoslawien zu erzielen. Von den Begleitumständen einmal abgesehen, kam Norwegens Stürmer Tore André Flo zur richtigen Erkenntnis: "Die Jugoslawen waren besser." Norge agierte einfallslos, nur mit langen, hohen Bällen, die wie Bumerangs zurückkamen. "Die Spielweise der Norweger kam uns entgegen", meinte danach Slobodan Komljenovic, der Profi vom 1. FC Kaiserslautern und Schwiegersohn von Dragoslav Stepanovic.

Nicht zu vergessen: Auch spielerisch besitzen die Jugoslawen absolute Bühnenreife. Ballsicher und kombinationsstark präsentierte sich die Mannschaft um Spielmacher und Kapitän Dragan Stojkovic. Der 35-Jährige mit der Nummer 10 auf dem Trikot schlug genaue Pässe, war immer anspielbar und nahm sich so gut wie keine Kunstpause. Zu Recht wurde er von einer Uefa-Jury als "Man of the game" mit einer kleinen Trophäe ausgezeichnet. Dieser Stojkovic spielt auf seine alten Tage zwar nicht in New York, dafür aber in der japanischen Profiliga bei Nagoya Grampus Eigth. Von "einem großen Kampf" seiner Mannschaft wusste er zu berichten. Auch an ihn die Frage nach der Fairness des jugoslawischen Teams. "Wir wollen immer fair und korrekt spielen - und das ist uns heute absolut gelungen."

Auf alle Fälle werden die beiden Teams noch eine Weile aneinander denken, zu viel böses Blut gab es während der 95 Minuten. In Gedanken waren zumindest die Trainer nach dem Abpfiff bei ihrem nächsten Spiel am Mittwoch. Jugoslawien trifft auf Spanien, Norwegen auf Slowenien. Alle vier haben theoretisch noch die Chance, das Viertelfinale zu erreichen, keiner hat seinen Platz aber bisher sicher. Alle werden auf Sieg spielen müssen. Die Frage nach den jugoslawischen Chancen verstand Boskov dann wieder recht gut. "Wir haben einen kleinen Vorteil." Seiner Mannschaft reicht schon ein Unentschieden zum Weiterkommen.

Sebastian Arlt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false