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Jünger geht immer. Stefan Effenbergs Assistent in Paderborn, Sören Osterland, ist der jüngste deutsche Profitrainer.

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Junge Trainer in der Fußball-Bundesliga: Eine Frage der Autorität

Auch bei Fußball-Trainern werden Talente gejagt. Mit 29 Jahren assistiert Sören Osterland schon dem Alphatier Stefan Effenberg.

Als Sören Osterland den Raum betritt, zuckt er erstmal zusammen. Der damals 25-Jährige versucht zunächst, sich äußerlich nichts anmerken zu lassen, aber die innere Nervosität kann er nicht ablegen. „Da saßen viele Leute, die ich vorher nur aus dem Fernsehen kannte", erzählt Osterland heute. Außer ihm waren alle im Raum um die 40 Jahre alt und sportlich hoch dekoriert. Europameister, Champions-League-Sieger, Ex-Nationalspieler, Jörg Heinrich, Mehmet Scholl, Stefan Effenberg, diese Kategorie. Am Anfang traut sich der Nachwuchstrainer kaum jemanden anzusprechen, „ich hatte so großen Respekt“. Würden ihn die anderen überhaupt für voll nehmen?

Zehn Monate später ist ihm der Respekt der 22 weiteren Kursteilnehmer in der Sportschule Hennef sicher: Osterland hat den DFB-Lehrgang zum Fußball-Lehrer erfolgreich abgeschlossen, als Zweitbester des Jahrgangs und bis heute jüngster Absolvent. Neben einer zertifizierten Urkunde nimmt Osterland zudem eine hübsche Gewissheit mit auf den Weg in die Heimat: dass sich die Verhältnisse gedreht haben, dass seine Expertise begehrt ist. Er hat vereinbart, mit Effenberg in Kontakt zu bleiben. „Stefan hat gesagt: ,Halte dich bereit! Ich möchte dich gern mitnehmen, wenn ich etwas kriege’". Etwas ist eine Anstellung als Cheftrainer. Effenberg hat Wort gehalten, Osterland arbeitet seit Mitte Oktober als Co-Trainer beim SC Paderborn. Effenberg, so heißt es, ist das Herz des neuen Trainerteams, der Entscheider, eben „Cheffe Effe“. Osterland ist das Gehirn, das Mastermind, der Akademiker. Dabei ist der Assistent mit gerade einmal 29 Jahren der derzeit jüngste Trainer im deutschen Profifußball.

Die Paderborner folgen damit einem grundsätzlichen Trend: Auch im Trainerbereich beginnt die Suche nach Talenten, nach potenziellen Stars von morgen immer früher. Quasi mit der Schulzeit, siehe Osterland. Und manchmal sogar mittendrin. Die TSG Hoffenheim etwa hat kürzlich mit der Nachricht überrascht, ab Sommer 2016 auf Julian Nagelsmann als Cheftrainer zu setzen. Der 28-Jährige verantwortet im Moment noch die A-Jugend und absolviert nebenher seine Ausbildung zum Fußball-Lehrer, er wird beim Amtsantritt der jüngste Trainer der Bundesligageschichte. Noch ungewöhnlicher als die Nachricht an sich war allerdings ihr Zeitpunkt: kurz nach der Verpflichtung des zukünftigen Ex-Trainers Huub Stevens. Nagelsmann sei die Zukunft, Stevens die Gegenwart, hieß es im Vereinssprech. Die Zeit der sogenannten „Feuerwehrmänner“, der Magaths, Neururers und Rehhagels, die in wenigen Wochen möglichst viele Brände löschen sollen und mit heulenden Sirenen weiterfahren zum nächsten Bundesliga-Standort, ist vorbei. Stevens vielleicht mal ausgenommen.

Macht und Autorität als Druckmittel zu gebrauchen, funktioniert nicht

Fußball-Trainer ist ein Studienberuf geworden und damit offen für vergleichsweise junge Kandidaten und Quereinsteiger, die ihre Erfahrungswerte nicht zwangsläufig als Aktive auf den Stadienrasen der Welt erlangt haben, sondern die schnell die Karriereleiter hochgeklettert sind. Typen wie Osterland oder Nagelsmann. Jung, wissbegierig, ehrgeizig. „Ich habe schon oft gehört, dass sich mein Lebenslauf wie ein Plan liest“, sagt Osterland, „aber ich verstehe das als Kompliment, ich habe mir das erarbeitet.“ Schon mit Anfang 20 wurde ihm klar, dass es als Aktiver höchstens für die Regionalliga reicht. Nagelsmann, Nachwuchsfußballer bei 1860 München, hinderte ein Knorpelschaden im Knie frühzeitig an einer großen Karriere, die jedoch gar keine Zugangsvoraussetzung zur Trainer-Laufbahn ist, siehe Thomas Tuchel oder André Schubert.

Julian Nagelsmann übernimmt im Sommer den Cheftrainer-Posten bei der TSG Hoffenheim. Mit 28 Jahren ist er dann der jüngste Coach im deutschen Profifußball.
Julian Nagelsmann übernimmt im Sommer den Cheftrainer-Posten bei der TSG Hoffenheim. Mit 28 Jahren ist er dann der jüngste Coach im deutschen Profifußball.

© dpa

Unter den jungen Trainern sind Osterland und Nagelsmann zwei der bekanntesten und begehrtesten Vertreter ihres Berufsstandes. Osterland hat bereits beim FC Bayern gearbeitet, neben Mehmet Scholl, und Ungarns U 19 trainiert, trotzdem ist ihm sein Alter bisweilen nachteilig ausgelegt worden. Eine Weiterbeschäftigung als Trainer der zweiten Mannschaft von Hannover 96 etwa wurde ihm mit der Begründung verweigert, er sei mit 29 Jahren zu jung für diese Aufgabe – dabei hatte ihn der Verein einst vor allem wegen seiner Perspektiven und seiner Jugendlichkeit verpflichtet. „Ich weiß nicht, ob es für die Verantwortlichen im Nachhinein überraschend kam, dass ich in zwei Jahren nur zwei Jahre gealtert bin“, sagt Osterland. Auch die 96-Fans fanden den Vorgang ziemlich seltsam, sie begehrten auf, konnten die Entscheidung aber nicht mehr kippen.

Im täglichen Training, beteuert Osterland, habe er dagegen kaum schlechte Erfahrungen mit Spielern gemacht, die ein paar Tage oder Monate oder gar Jahre älter sind, die womöglich an seinen Methoden oder seiner Autorität zweifeln. „Natürlich versuchen die Spieler, ihre Grenzen auszuloten, aber das machen sie bei jedem Trainer, unabhängig vom Alter“, sagt er. Ähnlich hat es Nagelsmann dem Magazin „11Freunde“ erzählt. „Anfangs gab es ein gegenseitiges Abtasten. Die älteren Spieler hatten in ihrer Laufbahn schon den einen oder anderen Trainer und wollten austesten, ob ich überhaupt Ahnung von Fußball habe“, sagte Nagelsmann. „Ich denke, ich konnte sie durch meine individuellen Ratschläge und fachlichen Sachverstand überzeugen.“

Heute haben es junge Trainer schon wesentlich leichter als noch vor 20 Jahren

Das bestätigt auch Markus Eulenkamp. Der Organisationsberater aus München hat sich darauf spezialisiert, Wirtschaftsunternehmen zu betreuen, in denen junge qualifizierte Mitarbeiter deutlich ältere und erfahrenere Kollegen anleiten und führen – eine Konstellation, die große Chancen bietet und doch für beide Seiten nicht ganz einfach ist. „In solchen Fällen geht es zuallererst um das Thema Glaubwürdigkeit“, sagt Eulenkamp. Bei mangelndem Erfahrungsschatz – oder auf den Sport bezogen: fehlenden Titeln – sollte man es vermeiden, die eigene Macht und Autorität als Druckmittel zu gebrauchen. „Du machst das jetzt, weil ich der Trainer bin – diese Schiene funktioniert nicht“, sagt Eulenkamp.

Immerhin haben es Osterland, Nagelsmann und Kollegen diesbezüglich schon wesentlich leichter als noch vor einem oder zwei Jahrzehnten, als die Generation Effenberg regierte und der Begriff von der flachen Hierarchie noch nicht konsensfähig war. Man stelle sich, bei allem, was man so vom aktiven Fußballer Effenberg gehört und gesehen hat, nur einmal einen 29 Jahre alten Co-Trainer vor, der ihm, dem Routinier und unumstrittenen Alphatier, die nächste Übung zeigt oder (vermeintlich) hilfreiche Ratschläge gibt. Eine Fiktion, über die auch Osterland schmunzeln muss. „Da bin ich ganz froh, dass ich im Hier und Jetzt arbeite“, sagt er. In einer Zeit also, in der den Spielern ein Stück ihrer Aufmüpfigkeit abhanden gekommen, ja, in den Nachwuchsleistungszentren genommen worden ist. „Junge Führungskräfte werden sehr viel mehr an ihrem Know-how und ihrer beruflichen wie sozialen Kompetenz gemessen“, sagt Eulenkamp, „der Vertrauensvorschuss ist meistens eher klein.“ Deshalb rät der Organisationsberater auch dazu, vom ersten Tag an offen mit dem Thema Alter umzugehen.

So wie es auch Sören Osterland getan hat. „Ich habe immer versucht, mit meiner Expertise zu überzeugen", sagt er, „man sollte gar nicht erst auf Kumpel machen, auch mit Gleichaltrigen nicht, sondern über die Fachebene eine Beziehung zur Mannschaft aufbauen.“ In Paderborn jedenfalls sind sie sehr angetan von dem Trainer-Talent, das Effenberg mit in die Stadt gebracht hat. Und seine Perspektiven für eine künftige Anstellung als Cheftrainer sind schon unter demografischen Aspekten exzellent, wenngleich Osterland betont: „Ich setze mich da nicht unter Druck.“ Es muss ja nicht jeder gleich mit 29 Jahren Cheftrainer werden.

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