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Sport: Kämpfer ohne Waffen

Vor 40 Jahren weigerte sich Muhammad Ali, in den Vietnam-Krieg zu ziehen

Berlin - Die Welt bewunderte seine tänzelnden Schritte im Boxring. Der Schritt, den Muhammad Ali alias Cassius Clay seinem Heimatland verweigerte, empörte das weiße Amerika. Damals. Heute wird Ali wegen seiner Geisteshaltung und Wehrdienstverweigerung verehrt und wurde selbst von Präsident George W. Bush im Weißen Haus als „Mann des Friedens“ mit der Freiheitsmedaille geehrt, der höchsten zivilen Auszeichnung in den USA. Das war unvorstellbar vor 40 Jahren.

Es ist der 28. April 1967. Im Rekrutierungsbüro 61 der United States Armed Forces in der San Yacinto Street in Houston, Texas, haben sich 35 junge Männer zur Einberufung eingefunden. Unter ihnen Cassius Clay, der Weltmeister im Schwergewicht, 27 Jahre alt und bekennender Gegner des Vietnam-Krieges. Ein Jahr zuvor hat er gegenüber einem TV-Reporter ein Gedicht aufgesagt, in dem er zum Ausdruck bringt, dass er keinen Streit mit dem Vietcong habe. „I ain’t got no quarrel with them Viet Cong“, hatte Ali gesagt. Nun stehen die jungen Männer in Reih’ und Glied. Ein Offizier ruft Namen auf. Jeder der Aufgerufenen tritt zackig einen Schritt nach vorn und legt den Eid auf die Fahne der Vereinigten Staaten ab. Mit dieser Zeremonie wird der Zivilist ein „Army Private“, ein gemeiner Soldat, und kann jeden Tag in die Hölle von Vietnam geschickt werden. „Muhammad Ali, treten Sie einen Schritt vor.“ Der Champion rührt sich nicht. Der Kommandeur des Einberufungszentrums, Leutnant Colonal J. Edwin McKee, betritt den Raum und fordert den Wehrdienstverweigerer auf, mitzukommen, um ihn auf die Konsequenzen hinzuweisen. Ali beruft sich auf seinen islamischen Glauben und seinen Status als Muslim Minister, der ihm den Kriegsdienst verbieten würde.

Noch am selben Tag entziehen ihm die New York State Athletic Commission und die World Boxing Association den Weltmeistertitel. Die „New York Times“ empört sich: „Unsere Bürger können sich nicht die Kriege aussuchen, in denen sie gerne kämpfen würden. Wenn Cassius Clay und andere Wehrdienstverweigerer den Krieg in Vietnam für Unrecht halten, dann haben sie die Option, stattdessen ins Gefängnis zu gehen.“ Eine nur aus Weißen bestehende Jury in Houston verurteilt Ali am 1. Juni wegen Wehrdienstverweigerung. Richter Joe Ingraham setzt das Strafmaß fest: Fünf Jahre Haft und 10 000 Dollar. Alis Anwälte legen Berufung ein. Ali bleibt gegen eine Kaution von 5000 Dollar auf freiem Fuß. Der Pass wird eingezogen. Die Maßnahmen kommen einem Berufsverbot gleich. Doch das schwarze Amerika steht zu Ali wie zu einem Freiheitskämpfer. Alis Botschaft an die Schwarzen Amerikas lautet: „Warum verlangt man von mir, einem so -genannten Neger, eine Uniform anzuziehen und 10 000 Meilen von der Heimat entfernt mit Bomben und Kugeln auf braune Menschen in Vietnam zu zielen, während andere sogenannte Neger in Louisville wie Hunde behandelt und ihnen die elementarsten Menschenrechte verwehrt werden?“ Die populärsten schwarzen Athleten Amerikas wie Bill Russell, Jim Brown oder Lew Alcindor, der sich später Kareem Abdul-Jabbar nennt, scharen sich öffentlich um ihren Freund. Der schwarze Schriftsteller James Baldwin schreibt: „Ich fordere jeden Lebenden auf, mir zu erklären, warum ein schwarzer Amerikaner in diesen Dschungel ziehen und Menschen töten soll, die nicht weiß sind und die ihm nichts getan haben.“

Erst drei Jahre später hebt der Oberste Gerichtshof das Urteil auf und erklärt den Lizenzentzug für Unrecht. Muhammad Ali kehrt aus der Verbannung in den Ring zurück. Der „Fight of the Champions“ gegen Joe Frazier am 8.März 1971 in New York, der „Rumble in the Jungle“ am 30.Oktober 1974 in Kinshasa und der „Thrilla in Manila“ am 30. September 1975 haben danach Geschichte geschrieben, wie auch jener Schritt, den Muhammad Ali vor 40 Jahren nicht getan hat.

Hartmut Scherzer

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