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So weit die Beine tragen. In Japan ist Kazuyoshi Miura längst eine Legende.

© imago

Kazuyoshi Miura: Ältester Fußballprofi der Welt geht in 30. Saison

Kazuyoshi Miura spielte schon gegen Zico und Littbarski. Auch mit 48 Jahren hat der älteste Fußballprofi der Welt noch nicht genug - er spielt nunmehr seine 30.Saison.

Für ein „letztes Abendmahl“ habe er nicht unterschrieben, beteuerte Kazuyoshi Miura Ende November. Auch wenn er nicht mehr schneller oder wendiger wird und die Leistungskurve monoton nach unten zeigt, war die alternde Fußballikone entschlossen: „Im Dienst der Mannschaft werde ich weiter alles geben, wenn ich das Trikot des Klubs überstreife.“ Miura, der Methusalem des Profifußballs, hat beim japanischen Zweitligisten Yokohama FC noch ein Jahr drangehängt.

Seit Ende Februar hat der schmächtige Mann mit dem zeitlosen Kurzhaarschnitt 48 Jahre auf dem Buckel – kein Fußballprofi dürfte so alt sein wie er. Aber für ein Auslaufmodell hält Miura sich nicht. Fit fühle er sich, und solange er mit einem funktionierenden Körper gesegnet sei, werde er weiter spielen. Nur: Allein aus sportlichen Gründen hat er seinen erneut um ein Jahr verlängerten Vertrag wohl nicht bekommen. In der abgelaufenen Serie kam der Stürmer nicht einmal auf eine Handvoll Einsätze, wurde jeweils kurz vor Schluss eingewechselt und schoss kein Tor. Einen sportlichen Dienst schien er der Mannschaft nicht mehr zu leisten.

Mit 15 Jahren nach Brasilien

Entscheidender ist wohl, dass „King Kazu“, als der er in Japan bekannt ist, mit der im März begonnenen Saison 2015 einen Weltrekord jagt. Seit 30 Jahren ist er Fußballprofi. Er ist also nicht nur der älteste ausgebildete Fußballer der Welt, sondern auch der dienstälteste. Er übertrifft damit Torhüter-Legende Peter Shilton. Der Engländer war fast drei Jahrzehnte lang Profi und beendete seine Karriere mit 47 Jahren. Zum Weltrekord fehlen dem Japaner aber noch drei Jahre: Stanley Matthews hält als bekannter Fußballprofi, 2000 verstorben, diesen Rekord. Der 1915  geborene Matthews erhielt von Stoke City als 17-Jähriger 1932 seinen ersten Profivertrag. Er beendete dann auch seine Karriere bei Stoke City als 50-Jähriger im Jahr 1965. Matthews hat also 33 Jahre als Profi gespielt. Das wird für Miura noch ein langer Weg bis er Matthews eingeholt hat. Aber er verkörpert den Reifeprozess des japanischen Fußballs wie kein anderer. Der 1967 Geborene wuchs noch in einem Land auf, in dem bis auf den Bundesligastar Yasuhiko Okudera, der ab den 1970ern für den 1. FC Köln, Hertha BSC und Werder Bremen spielte, niemand für Fußball bekannt war. Später führte Miura Japan auf die Bühne des Weltfußballs.

So hat König Kazu schon seit Jahrzehnten den Status einer Legende, und das aus mehreren Gründen. Weil sich dem fußballverrückten Jungen in seiner Heimat keine Möglichkeiten geboten hatten, brach er als 15-Jähriger die Schule ab und wanderte nach Brasilien aus. In jedem Land würde das verrückt klingen, in Japan aber ganz besonders. Bis heute ist es höchst ungewöhnlich, dass selbst akademisch gut qualifizierte junge Japaner ins Ausland gehen, um sich weiterzubilden. Kazu Miura war das egal, und er tat das Richtige. 1986, mit 19 Jahren, unterschrieb er beim FC Santos, dem einstigen Klub von Pelé, seinen ersten Profivertrag. In Brasilien, dem Fußballland überhaupt, hatte das noch kein Japaner geschafft.

Ein Aufschrei ging durch Japan

Als 1993 erstmals eine japanische Profidivision, die J-League, ihren Spielbetrieb aufnahm, führte Miura den Yomiuri FC aus der Stadt Kawasaki an, und wurde im fußballerisch noch pubertierenden Japan auch jenseits des Sports ein Star. Im selben Jahr wählte man ihn zu Asiens Fußballer des Jahres, wieder als ersten Japaner überhaupt. Trotz der mit alternden Weltstars gespickten J-League wurde Miura 1996 auch Torschützenkönig. Die nationalen Medien lauerten dem Stürmer in Tokios angesagtesten Nachtklubs auf, Designer nutzten ihn als Werbefigur für Luxusprodukte. Miura wurde zum ersten japanischen Fußballer, der zugleich als Superstar auf allen möglichen Ebenen funktionierte – und bis heute hat er diesen Status nicht verloren.

Zugleich sollte seine Karriere nicht in der J-League enden, vorerst zumindest nicht. Intermezzi in der Serie A für den FC Genua, in Kroatien bei Dinamo Zagreb und zuletzt beim Sydney FC in Australien folgten. Meister wurde Miura in Brasilien, Japan und Kroatien. In 89 Länderspielen traf der technisch versierte Kazu 55mal, er schoss Japan 1998 auch zur ersten WM-Endrunde in Japans Fußballgeschichte. Aber als der damals schon 31-Jährige und vermeintlich alternde Leitwolf trotz seiner Verdienste nicht in den WM-Kader berufen wurde, hallte ein Aufschrei durchs Land. Japan durfte endlich auf der Weltbühne spielen, sollte aber ohne seinen Fußballkönig bestehen? Damals schien das undenkbar. Nachdem man bei der WM 1998 ohne Punkt in der Vorrunde ausgeschieden war, forderte die Nation ihren König zurück.

Mehr Mentor als Vorspieler

Und der ließ sich noch einmal bitten. Das letzte Mal spielte Miura vor 15 Jahren für sein Land und schoss im Juni 2000 bei einem 4:0-Sieg gegen Jamaika sein letztes Länderspieltor. Für die WM 2002 im eigenen Land reichte es dann allerdings nicht mehr. In den letzten Jahren machte Miura ohnehin eher den Eindruck dessen, was er zumindest auf dem Papier auch ist: Eines in die Jahre gekommen Kickers, der nicht aufhören will. Seit Miura beim Yokohama FC unter Vertrag steht, wurde er zunächst kaum noch zu Spielen nominiert, war mehr verletzt als in Form und kam nur auf seine paar obligatorischen Saisoneinsätze pro Jahr.

Trotzdem soll er noch wichtig sein. In Japans stark altershierarchischer Gesellschaft gilt er jüngeren Mitspielern als Mentor und für Fans als der stärkste Zuschauermagnet. Borussia Dortmunds Shinji Kagawa, der aktuelle Topstar Japans, nennt Kazu Miura als sein großes Vorbild, so wie die meisten japanischen Profis von heute. König Kazu spielen zu sehen, gilt als Highlight. Und siehe da: Mit Beginn dieser Saison spielte Miura auch wirklich wieder. An den ersten beiden der bisher drei absolvierten Spieltage kam er je eine gute Stunde in der Spitze zum Einsatz, Yokohama holte daraus vier Punkte und der Fußballkönig machte eine gute Figur. Nach drei Spielen und sieben Punkten steht Yokohama nun auf Platz drei der Tabelle.

Im vergangenen Jahr erfüllte sich auch Miuras Traum von einer Weltmeisterschaft, gewissermaßen jedenfalls. Japans Fußballverband lud den Altstar als „WM-Botschafter“ nach Brasilien ein, dorthin, wo seine lange Profikarriere begann und er noch heute eine Bekanntheit ist, um die Nationalmannschaft moralisch zu unterstützen. Gemeinsam mit dem Kader wurde Miura dann aber doch nicht untergebracht. Die Erklärung: Nicht jeder aus dem WM-Kader kenne den König schon persönlich. Und allein seine Gegenwart würde jüngere Spieler zu sehr unter Druck setzen.

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