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Ein Bowler in Aktion. Das Bowling entstand aus dem europäischen Kegeln.

© Reuters

Kegeln: Abgesang mit Bier in der Hand

Das Sportkegeln steckt in einer tiefen Krise – ein Turnier in Niederschöneweide soll Werbung für den Sport machen.

Berlin – Aus den Lautsprechern kommt „Forever Young“ von Alphaville. Die Wände sind komplett bedeckt mit Bierdeckeln. Über der Theke wird die Ware auf Schildern angepriesen: "Longdrinks, Spirituosenangebote, Fassbierangebote, Weizenbierangebote, Grog." An einem Tisch spielen ziemlich alte Semester Karten, sie trinken Bier und Korn. An einem anderen sitzt Hans-Thomas Friese. Er sagt: „Wir haben ein Problem: Kegeln war immer gleich Saufen.“ Dann gibt er eine Bestellung ab: „Mach’ für mich mal ein Wasser.“

Hans-Thomas Friese ist Kegeltrainer beim SV Lichtenberg 47 e.V. und in diesen Tagen ein wenig aufgeregt. Auf der Kegelsportanlage „Völkerfreundschaft“ in der Rudower Straße in Berlin-Niederschöneweide wird heute ab 9 Uhr das 56. Zehn-Städte-Turnier im Classic-Kegeln ausgetragen. Unter Kegelsportlern ist dies eine prestigeträchtige Veranstaltung. Dass die Lichtenberger am meisten abräumen werden, ist nicht zu erwarten. Sie sind Experten für die Bohlebahn, nicht für die Classicbahn. Letztere ist kürzer und breiter, auf ihr müssen übrig gebliebene Kegel abgeräumt werden. Auf der schmalen eingekehlten Bohlebahn dagegen werden nach jedem Versuch alle neun Kegel aufgestellt.

Kegeln ist ein komplizierter Sport. „Wer Schwierigkeiten beim Kegeln hat“, sagt Friese, „der geht zum Fußball.“ Dabei haben es sich die Kegler auch selbst etwas schwer gemacht. Neben Classic- und Bohle- gibt es noch Bowling- und Scherenbahnen. „Das sind verschiedene Glaubensrichtungen“, erklärt Friese. „Früher gab es speziell zwischen den Classic- und den Bohlekeglern richtige Rivalitäten. Die einen dachten, sie seien etwas Besseres als die anderen.“

Auch in der Kegelsportanlage „Völkerfreundschaft“ ist dies noch leicht zu spüren. Es gibt dort Bohlebahnen in einem Raum, in einem anderen Classicbahnen. Als der bekennende Bohlekegler Friese einigen Besuchern das Classicspiel kurz zeigen will, sind diese nicht begeistert. „Nicht so forsch. Warte erst mal, bis die Bahn vier frei ist“, murrt ein alter Herr mit einem Bierglas in der Hand. Als der Trainingsgast ein paar Kugeln gespielt hat, sagt ein anderer zu ihm: „Du sollst beim Anlaufen nicht tanzen, sondern laufen. Deswegen heißt es Anlaufen und nicht Antanzen.“

Im Laufe der Zeit ist das mit der Rivalität aber weniger geworden. Ein Grund ist, dass die Kegler einen gemeinsamen Feind haben: Mitgliederschwund, vor allem aber: Nachwuchsprobleme. „Das ist eine ganz böse Entwicklung. Die Jugend von heute hat andere Vorstellungen von Freizeit“, sagt Peter Enz, Präsident vom Deutschen Bohle-Kegler-Verband (DBKV).

Derzeit gibt es unter den Bohlekeglern knapp 12 000 Mitglieder im DBKV, die Tendenz geht steil nach unten. Hans-Thomas Friese glaubt, dass in der Kegelsportanlage „Völkerfreundschaft“ in etwa zehn Jahren keine Kugeln mehr die Bahn herunterrollen werden. Weil der größte Teil der Mitglieder schon viele Jahre in den Knochen hat, meist mit Bandagen spielt. „Das ist ein Ausdauersport. Beim Wettkampf gehen die Kegler bis zu 120 Mal in die Bahn, im Training manchmal noch öfter. Das geht auf die Gelenke“, sagt Friese.

Gerade im Westteil Berlins kommt hinzu, dass der Kegelsport häufig in kommerziell gemieteten Hallen ausgetragen wird. Rentieren sich die Kegler nicht, werden sie auch nicht mehr hereingelassen. So einfach ist das.

Aber noch ist es zu früh für einen Abgesang aufs Sportkegeln. Am Samstag kann man sich davon in der „Völkerfreundschaft“ überzeugen. Doch anstimmen muss man ihn wohl. Gerne mit einem Glas Bier in der Hand.

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